Im Jahre 13 erhielt Germanicus, Sohn des Drusus und Adoptivsohn des Tiberius, die Statthalterschaft in Gallien und somit auch den militärischen Oberbefehl am Rhein. Seine Feldzüge verfolgten anfangs nur "den Zweck, die Schande der Varus-Niederlage vergessen zu machen und mit der Rückgewinnung der verlorengegangenen Legionslager die dignitas nominis Romani wiederherzustellen"[ 1 ]. So führte er zunächst tatsächlich mehrere erfolgreiche Feldzüge gegen Arminius und Germanenstämme in Nordwestdeutschland, und er gewann auch zwei der verlorengegangenen Legionsadler wieder. Zudem gelang es ihm, eine Meuterei der vier in Neuss stationierten Legionen zu unterdrücken. In der Folgezeit, von 14 bis 16 n.Chr., führte Germanicus seine Truppen regelmäßig und zunehmend tiefer nach Germanien hinein. Dabei riefen sein unbedingtes Voranschreiten und sein oft allzu leichtsinniges und mit hohen Verlusten bezahltes Vorgehen den Unmut des Tiberius hervor. Da diesem klar wurde, daß das jenseitige Germanien keine provincia pacata werden würde und so auch keinerlei Vorteile für Rom brachte, war er an einer Kurskorrektur in der Germanienpolitik hin zu einer eher defensiven Konzeption interessiert und wollte die Kriege dort beenden, zumal auch unter Germanicus dauerhafte Erfolge ausblieben. Im Jahre 16 n.Chr. wurde Germanicus folglich vom Rhein abberufen.
Doch die Legionen blieben in den Lagern. Es ging Rom in der Folgezeit nun weitgehend um eine Festigung der bestehenden Verhältnisse, wobei die Anwesenheit der Truppen als Abschreckung und zur Grenzkontrolle nach außen sowie als Ordnungsmacht nach innen wirken sollten. Größere Truppenstandorte befanden sich im niedergermanischen Heeresbezirk in Noviomagus (Nijmegen), Vetera (Xanten), Novaesium, Oppidum Ubiorum (Köln) und Bonna (Bonn) - um 30 wird die legio I Germanica von Köln nach Bonn verlegt und errichtet dort ein neues Legionslager. Die legio XX Valeria victrix wechselt hingegen von Köln nach Neuss. Unter dem Prinzipat des Claudius (41-54) erfolgt der Ausbau des Straßennetzes am Rhein - eine parallel zum Fluß verlaufende Militärstraße verband die Lager miteinander -, und es wird mit der Vorverlegung der Grenze am Hoch-, Ober- und Mittelrhein begonnen. Auch zwischen den größeren Anlagen erstreckte sich eine nach und nach dichter werdende Kette kleinerer Kastelle, in denen Legionsdetachments oder Auxiliareinheiten lagen. Daneben werden ab der Mitte des 1. Jahrhunderts auch die in Holz-Erde-Technik errichteten Umwehrungen und Innenbauten der Kastelle sukzessive durch Steinbauten ersetzt. Im Jahre 43 wird die legio XX Valeria victrix von Neuss abgezogen und durch die legio XVI aus Mainz ersetzt. Um das Jahrhundertmitte baute sie auch das Neusser Lager in Stein aus (Lagers G). Auf Betreiben der Gemahlin des Claudius, Agrippina, wird deren Geburtsort Köln im Jahre 50 zur Veteranenkolonie erhoben und heißt fortan Colonia Claudia Ara Agrippinensium (CCAA).
Während der Kämpfe um die Nachfolge des gestürzten Nero brach 69 im Nordosten Galliens der Aufstand der Bataver unter Führung batavischer Adeliger und des römischen Offiziers Iulius Civilis aus. Tacitus berichtet ausführlich über diese Rebellion (hist. IV und V). An dieser Stelle ist es auch das erste Mal, wo Novaesium, namentlich genannt, die Bühne der Geschichte betritt, wenn auch wenig rühmlich: Nach der vorläufigen Befreiung Veteras (Xanten) von den Aufständischen durch den Legaten C. Dillius Vocula, Kommandeur der legio XXII Primigenia in Mainz und Oberbefehlshaber der gesamten rheinischen Armeen, wurde wegen Lebensmittelknappheit Getreide auf dem Landweg von Novaesium nach Vetera gebracht. Der Transportzug wurde aber von Truppen des Civilis bei Gelduba (Krefeld-Gellep) durch Kämpfe festgehalten, von Vocula jedoch befreit, worauf dieser dann weiter nach Novaesium zog. Dort indes meuterten die Legionen. Nachdem M. Hordeonius Flaccus, der Legat des obergermanischen Heeres, ein Geldgeschenk des Vespasian für die Truppen hat auszahlen lassen, kam es zunächst zu ausgelassenen Gelagen, doch die betrunkenen Soldaten brachten ihn, da sie sich an Vespasian verraten fühlten, in der Nacht um. Vocula konnte zunächst durch seine Verkleidung als Sklave dem gleichen Schicksal entkommen. Allerdings wurde er wenig später, im Frühjahr 70, im Auftrag des Iulius Classicus, einem der Drahtzieher der Rebellion, durch einen römischen Überläufer ermordet. Wiederum spielte sich dies in Novaesium ab, als Vocula versuchte, den Belagerern unter Classicus Widerstand zu leisten. Nach dem Tod ihres Kommandeurs ergaben sich die Legionen und lieferten ihre Offiziere an Classicus aus. Daraufhin ergaben sich ebenfalls die Besatzungen der anderen Rheinlager; auch die CCAA (Köln) wurde eingenommen. Die Kommandeure der legio I in Bonn, Herennius Gallus, der legio XVI in Neuss, Numisius Rufus, und der legio XV Primigenia in Xanten, Munius Lupercus, wurden getötet. Nach der Kapitulation der römischen Legionen kam es in Köln zur Ausrufung eines Gallischen Reiches durch Civilis, Classicus und Iulius Tutor. Erst als die römischen Kräfte wieder unter einem Princeps, i.e. Vespasian, gebündelt waren, gelang es diesen, das germanische Heer des Civilis, bestehend aus Verbänden u.a. der Bataver, Cugerner und Brukterer, in der Schlacht bei Vetera (Xanten) endgültig zu besiegen. Danach wurden am Niederrhein die zerstörten Lager wiederhergestellt, die belasteten Truppeneinheiten getrennt und umgruppiert. Noch in der zweiten Hälfte des Jahres 70 baute die legio VI victrix das Legionslager in Novaesium wieder auf und wurde weiterhin damit beauftragt, die Lager des gesamten Limesabschnitts um Neuss und rheinabwärts wieder herzurichten. Sie war es schließlich auch, die im April/Juni 73, drei Jahre nach der Schlacht von Vetera, im Andenken daran ein Siegesdenkmal auf dem Schlachtfeld errichtete. Im Rückblick auf den Krieg und die Ereignisse um Neuss schrieb Theodor Mommsen folgende drastische Worte: "In der römischen Militärgeschichte sind Cannae und Karrhae und der Teutoburger Wald Ruhmesblätter verglichen mit der Doppelschmach von Novaesium."[ 2 ]
Unter Domitian wurden die von seinem Vorgänger begonnenen Maßnahmen zur Befestigung und Sicherung der Rheingrenze fortgesetzt. Nach dem erfolgreichen Abschluß der Chatten-Kriege (83-85) wurden in den späten 80er Jahren oder um 90 die zwei germanischen Heeresbezirke in Provinzen umgewandelt: Germania superior (Obergermanien) mit der Hauptstadt Mogontiacum (Mainz) und Germania Inferior (Niedergermanien) mit der Hauptstadt CCAA (Köln). Jede der beiden Provinzen unterstand in der hohen Kaiserzeit einem legatus Augusti pro praetore mit konsularischem Rang, dem das militärische Oberkommando und die Zivilverwaltung oblagen. Die Grenze zwischen den beiden Provinzen bildete der Vinxtbach, der südlich von Sinzig in den Rhein mündet. Damit war nun zumindest ein formaler Abschluß der römischen Germanienpolitik erreicht.
[ 1 ] T. Bechert, Die Provinzen des römischen Reiches (1999) 191.
[ 2 ] Th. Mommsen, Römische Geschichte V, 3. Aufl. (1886) 129.
|
|