Erst die Raubzüge der Sugambrer, Usipeten und Tenkterer nach Gallien und ihr Sieg über den dortigen Statthalter M. Lollius 16 v.Chr. nördlich von Bonna (Bonn) veranlassen Augustus zu einer offensiven Politik, die sich nun auch auf Gebiete jenseits des Rheins ausweitete.[ 1 ] Der Princeps reiste sogar selbst nach Gallien und veranlaßte eine Überführung der bislang eher provisorischen Verhältnisse in eine festgefügte Provinzialordnung. Ein Zensus (Steuerschätzung) und die Einweihung einer gesamtgallischen Kultstätte für 'Roma und Augustus' schlossen die Maßnahmen ab. Außerdem wurden die im Innnern Galliens stationierten Truppen in neu eingerichtete Lager an den Rhein verlegt, und zwar nach Noviomagus (Nijmegen), Vetera (Xanten), Asciburgium (Moers-Asberg), Novaesium, Moguntiacum (Mainz) und vielleicht auch nach Bonna (Bonn).
Ob Augustus tatsächlich vorhatte, Gemanien bis zur Elbe zu unterwerfen, oder ob es ihm nur um die Errichtung einiger strategisch günstiger Stützpunkte ging, ist in der Forschung umstritten.[ 2 ] Jedenfalls kam es zunächst in den Jahren 12 bis 9 v.Chr. zu den großen Germanien-Feldzügen unter Führung des Drusus, Stiefsohn des Augustus, der seine Truppen immer wieder in das rechtsrheinische Gebiet führte und schließlich im Jahre 9 v.Chr. die Elbe bei Magdeburg erreichte. In dieser Phase wurden das 56 ha große Zweilegionenlager von Bergkamen-Oberaden an der Lippe mit dem ca. 2,5 km westlich gelegenen, 1,6 ha umfassenden sogenannten Uferkastell Lünen-Beckinghausen, das als Anlege- und Umschlagplatz diente, sowie der ca. 3 ha große Versorgungsstützpunkt von Rödgen bei Bad Nauheim und das 13 bis 14 ha große Lager Dangstetten am Hochrhein angelegt.[ 3 ]
Auf dem Rückmarsch, irgendwo zwischen Saale und Rhein, verunglückte jedoch Drusus tödlich. Das Oberkommando der Legionen in Germanien erging nun an Tiberius, der die Operationen 8 v.Chr. fortsetzte, wobei jedoch größere Auseinandersetzungen unbekannt sind. Daß sich das Interesse der römischen Politik zu der Zeit noch auf die Sicherung der Rheingrenze und deren Umland konzentrierte, wird durch den Abzug der Truppen in den folgenden Jahren aus dem rechtsrheinischen Gebiet und die Aufgabe der während der vergangenen Feldzüge angelegten rechtsrheinischen Lager deutlich. Zu den bekanntesten Maßnahmen in diesem Zusammenhang gehört die Umsiedlung eines Teils der Sugambrer auf das linke Rheinufer. Ihnen wurden die Ländereien um die Militärstandorte Castra Vetera (Xanten) und Novaesium zur Bewirtschaftung zugewiesen. Während dieser Zeit erfolgte möglicherweise auch schon die Errichtung der Ara Ubiorum (Altar der Ubier) in Köln, ein Heiligtum, das für Germanien der religiös-politische Mittelpunkt werden sollte, ähnlich wie der Altar in Lugdunum (Lyon) für Gallien.
Augustus, Germanien und Köln - Das Werden einer Stadt
Ein Artikel von Werner Eck
Dass der Krieg der Vater aller Dinge sei, wird man nicht behaupten dürfen. Doch das heutige Köln verdankt seiner Entstehung dem Krieg, den Augustus, der erste römische Alleinherrscher, seit 12 v. Chr. gegen die Germanen auf der rechten Rheinseite führen ließ. ... [weiter] |
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Ein Wandel der römischen Pläne scheinen die Unternehmungen unter dem zweiten Oberkommando des Tiberius zur Folge gehabt zu haben. Aufgrund von Unruhen im rechtsrheinischen Gebiet, die im Jahre 1. n.Chr. aus unbekannten Gründen ausgebrochen waren, entschlossen sich die Römer 4 n.Chr. erneut zu umfassenden militärischen Maßnahmen, wobei Tiberius sogar bis über die Weser vordrang und im folgenden Jahr mit dem Heer und seiner Flotte zugleich die Elbmündung erreichte. Im Verlauf dieser Expeditionen kam es auch zur Errichtung neuer befestigter Stützpunkte an der Lippe. Bereits um Christi Geburt wurde Haltern gegründet, das innerhalb weniger Jahre als komplexer Standort ausgebaut und dessen Anlagen und Gebäude zum Teil mehrfach umgestaltet wurden. Etwa zeitgleich ist das 23 ha große Lager von Delbrück-Anreppen am Oberlauf der Lippe anzusetzen. In das erste Jahrzehnt n.Chr. fällt wahrscheinlich auch der wohl unvollendet gebliebene, 37 ha messende Stützpunkt von Marktbreit am Main, der über einem älteren, kleineren Lager errichtet wurde, und die Errichtung des etwa 21 ha großen Lagers bei Dorlar im Lahntal und der nur 2 km davon entfernten, etwa 7,7 ha umfassenden Anlage bei Lahnau-Waldgirmes. Mehrere Indizien deuten darauf hin, daß mit letzterer eine dauerhafte, zivile Ansiedlung geplant war, so unter anderem die insgesamt dichte Innenbebauung, das reguläre Straßensystem mit Wassergräben, in Holz-Lehm-Fachwerk errichtete Gebäude entlang der Straßen mit Portiken, das zentral gelegene, monumentale, über Steinfundamenten errichtete Forumsgebäude sowie Reste einer etwa lebensgroßen, aus vergoldeter Bronze bestehenden Reiterstatue, die im Hof des Forums gefunden wurden. Und schließlich ist auch das ca. 50 ha große Lager in Dorsten-Holsterhausen am Nordufer der Lippe, das wahrscheinlich als Marschlager diente, grob in die Zeit der Feldzüge von 12 v. bis 6 n.Chr einzuordnen.[ 4 ]
Damit schien das Ziel einer Provinzialisierung auch dieses Teils Germaniens nahe zu sein, allerdings wurde eine Provincia Germania formell nicht eingerichtet. Lediglich das erstarkende Reich der Markomannen unter Maroboduus wurde als Bedrohung angesehen, doch erzwang der Pannonische Aufstand in den Jahren 6-9 n.Chr. eine Verständigung mit diesen. Gestützt auf die Basislager insbesondere der Legionen am Rhein erfolgten römische Vorstöße ins rechtsrheinische Germanien auf gut bekannten Routen, wobei Flußläufe und der Seeweg, aber auch traditionelle Einfallwege über Land vom Hoch- bis zum Niederrhein in das Landesinnere die Richtung vorgaben.
Einen dramatischen Schlußstrich unter die rechtsrheinischen Ambitionen der Römer setzte die clades Variana, die katastrophale Niederlage des P. Quinctilius Varus, dem Schwiegersohn des Agrippa und Statthalter in Gallien und Germanien, im Jahre 9. n.Chr. im »teutoburgiensis saltus«. Der Ort der Schlacht ist nicht sicher lokalisierbar, vielleicht aber mit dem spektakulären Fundkomplex von Kalkriese bei Osnabrück zu verbinden. Im Zusammenhang mit einem Aufstand alliierter germanischer Stämme unter der Führung des Cheruskers Arminius wurde die Armee des Varus in einen Hinterhalt gelockt und vernichtet; insgesamt drei Legionen mit mehreren Auxilien. Alle römischen Lager rechts des Rheins wurden daraufhin aufgegeben - archäologisch belegt ist dies unter anderem für die Anlagen in Bergkamen-Oberaden, Haltern und Delbrück-Anreppen - und somit auch eine Romanisierung dieses Gebiets verhindert. Statt dessen kam es zu einer Konsolidierung der Rheingrenze mit einem Ausbau römischer Präsenz auf der linken Seite: In den Jahren 11 bis 12 n.Chr. wurde der niedergermanische Militärbezirk exercitus Germanicus inferior mit dem Hauptort Vetera (Xanten) eingerichtet und die Zahl der an der Rheinfront stationierten Legionen von sechs auf acht erhöht bzw. mehrere Legionen neu verteilt: Die legio I Germanica und die legio XX Valeria victrix kamen nach Köln (apud aram Ubiorum) sowie die legio V Alaudae und die legio XXI rapax nach Xanten (Vetera).
[ 1 ] Nach Ansicht von J. Heinrichs, Zur Topographie des ubischen Neuss anhand einheimischer Münzen, Bonner Jahrbücher 199 (Bonn 1999) 92 f. erfolgte der Einfall der Sugambrer bei Neuss; zur clades Lolliana: R. Wolters, Römische Eroberung und Herrschaftsorganisation in Gallien und Germanien, Bochumer historische Studien, Alte Geschichte 8 (Bochum 1990) 140 f. 149-157; ders., Die Römer in Germanien, 2. Aufl. (München 2001) 26-28.
[ 2 ] Aktuelle Zusammenfassungen und Beurteilungen der Forschungsdiskussion bieten J. Deininger, Germaniam pacare. Zur neueren Diskussion über die Strategie des Augustus gegenüber Germanien, Chiron 30, 2000, 749-773 und P. Kehne, Limitierte Offensiven: Drusus, Tiberius und die Germanienpolitik im Dienste des augusteischen Prinzipats, in: J. Spielvogel (Hrsg.), Res publica reperta: zur Verfassung und Gesellschaft der römischen Republik und des frühen Prinzipats. Festschrift für Jochen Bleicken zum 75. Geburtstag, Sonderband zur Zeitschrift Hermes und der Hermes Einzelschriften (Stuttgart 2002) 297-321.
[ 3 ] Berkamen-Oberaden und Beckinghausen: J.-S. Kühlborn (Hrsg.), Germaniam pacavi – Germanien habe ich befriedet. Archäologische Stätten augusteischer Okkupation (1995) 103-129; ders., Die Grabungen in den westfälischen Römerlagern, in: H. G. Horn u.a. (Hrsg.), Fundort Nordrhein-Westfalen. Millionen Jahre Geschichte, Begleitbuch zur Landesausstellung Köln - Münster - Nijmegen 2000/2001, Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 5 (Mainz 2000) 257-260; ders., Frühe Germanenpolitik, in: L. Wamser - Chr. Flügel - B. Ziegaus (Hrsg.), Die Römer zwischen Alpen und Nordmeer. Zivilisatorisches Erbe einer europäischen Militärmacht, Katalog-Handbuch zur Landesausstellung des Freistaates Bayern, Rosenheim 2000, Schriftenreihe der Archäologischen Staatssammlung München (Mainz 2000) 29; Rödgen: S. v. Schnurbein, Die augusteischen Stützpunkte in Mainfranken und Hessen, in: ebenda 34 mit Lit.; Dangstetten: G. Fingerlin in: Ph. Filtzinger - D. Planck - B. Cämmerer (Hrsg.), Die Römer in Baden-Würtemberg, 3. Aufl. (Stuttgart 1986) 376-380.
[ 4 ] Haltern, Holsterhausen, Anreppen: J.-S. Kühlborn (Hrsg.), Germaniam pacavi – Germanien habe ich befriedet. Archäologische Stätten augusteischer Okkupation (1995) 78-81 (Holsterhausen). 82-102 (Haltern). 130-144 (Anreppen); ders., Die Grabungen in den westfälischen Römerlagern, in: Horn a.O. 257. 260; ders., Frühe Germanenpolitik, in: Wamser - Flügel - Ziegaus a.O. 30-33; Marktbreit, Dorlar: v. Schnurbein a.O. 34-37; Waldgirmes: A. Becker - G. Rasbach, Die spätaugusteische Stadtgründung in Lahnau-Waldgirmes. Archäologische, architektonische und naturwissenschaftliche Untersuchungen , Germania 81 (Mainz 2003) 147-199 (Lit.).
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