Tabula Peutingeriana
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Alltag in Novaesium
von Michael Gechter
I. Landwirtschaft - Nahrungsmittel V. Bekleidung
II. Eßgewohnheiten VI. Tracht und Sozialstruktur
III. Wohnungen VII. Literatur und Verweise
IV. Handwerk und Alltag    

Landwirtschaft und Nahrungsmittel


Die Römer trafen auf eine Bevölkerung, die noch nicht lange in diesem Gebiet lebte. Da die römischen Soldaten selbst sehr unterschiedlicher Herkunft waren (Italiker, Pannonier, romanisierte Kelten, Spanier etc.), entstand im l. Jahrzehnt v. Chr. im Bereich von Neuss eine Mischung aus den verschiedenen Kulturen. Die unterschiedlichen Traditionen und Kultureinflüsse können sehr gut anhand der mitgebrachten Keramik festgestellt werden. Neben der einheimischen ubischen Keramik, die in Neuss schon stärkere Anklänge an die westgermanische Keramik aufweist, können wir in dieser Zeit auch importierte Keramik aus der Provence und von der Kanalküste nachweisen; Formen, die noch in der keltischen Tradition hergestellt wurden, aber schon romanisiert waren. Aus diesen unterschiedlichen Traditionen entstand um die Mitte des l. Jahrhunderts n.Chr. eine eigenständige niedergermanische Keramik.

Neben den unterschiedlichen Herkunftsgebieten der römischen Soldaten gab es auch innerhalb der Truppe starke soziale Unterschiede. Teilweise lassen sich diese auch anhand der Keramik feststellen. So weisen die vielen Weinamphoren aus Spanien, Griechenland und Italien auf eine sozial hochstehende Käuferschicht hin. Am ehesten ist hier mit Stabsoffizieren aus Italien zu rechnen. Die einfachen Soldaten tranken zwar auch ihren Wein, der wurde aber in Fässern oder Schläuchen aus Frankreich importiert. Der Unterschied zwischen Legions- und Auxiliarsoldaten war ebenfalls stark ausgeprägt. So zeigte die Ausrüstung der Auxiliarsoldaten noch starke Anklänge an die keltische Tradition. Römer im weitesten Sinne des Wortes waren nur die Legionssoldaten, wobei diese zu großen Teilen auch nicht aus Italien stammten.

Die einheimische ubische Wirtschaft war natürlich nicht darauf eingestellt, die römischen Truppen mit zu ernähren. Deshalb mußte die Truppe aus Gallien versorgt werden. Wahrscheinlich werden die Ubier aber zumindest Frischfleisch an die Römer geliefert haben. Erst im Laufe des l. Jahrhunderts n.Chr. stellte sich die einheimische Wirtschaft auf den Bedarf der römischen Truppe ein. Es traten jetzt verstärkt Monokulturen auf, wie der Weizenanbau und auch eine sehr intensive Grünlandwirtschaft. Ende des l. Jahrhunderts konnte dann die Provinz die hier stationierten Truppen (ca. 25000 Mann) vollständig ernähren. Zu dieser Zeit gab es auch das für die Versorgung äußerst wichtige Straßennetz.

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In vorrömischer Zeit waren am Niederrhein sowohl die Pferde als auch die Rinderrassen relativ kleinwüchsig. Die Römer hatten aber schon höherwüchsige Rinder und Pferde gezüchtet. Es war besonders wichtig, daß diese Rinderrassen, die für die Römer sowohl als Fleischlieferant wie auch als landwirtschaftliches Nutztier von großer Bedeutung waren, mit an den Niederrhein gebracht wurden. So wurde das Rind einerseits als Arbeitstier, d. h. als Zugtier für Pflug und Ochsenwagen, andererseits als Masttier benutzt. Auf Dauer verdrängte diese größere Rinderrasse die kleinere einheimische.

Der wichtigste Fleischlieferant neben dem Rind war in römischer Zeit, wie auch heute, das Schwein, dessen Fleisch sehr begehrt war und deshalb etwa ein Drittel mehr kostete als das Rindfleisch. Die römischen Hausschweine waren allerdings kleiner als die damaligen Wildformen. Die Schweine wurden früh geschlachtet, d. h. meistens mit einem oder anderthalb Jahren. Eber wurden oft schon mit einem Jahr kastriert und gemästet. Schafe wurden hauptsächlich wegen ihrer Wolle oder für die Milch- und Käseproduktion gehalten. Ziegen kamen am Niederrhein nicht so häufig vor, da sie besser auf Ödflächen weideten und sich für die fruchtbare Flußauenlandschaft am Niederrhein nicht eigneten. Das Pferd wurde nur als Reittier benutzt. Als Geflügel wurden sowohl Haushuhn als auch Hausgans gehalten. Hausenten sind nicht nachgewiesen, wobei allerdings davon ausgegangen werden kann, daß durchaus junge Wildenten aufgezogen wurden. Haustauben wurden von den Römern eingeführt und als Speisegeflügel verwendet. Obwohl die Hauskatze mit den Römern in die Nordwestprovinzen gebracht wurde, kam sie in römischer Zeit nicht sehr häufig vor. Von Hunden kennen wir drei unterschiedliche Rassen:
1. kleine dackelähnliche Tiere, die als Haushund gehalten wurden;
2. mittelgroße Hunde, dem Setter ähnlich und als Jagdhund eingesetzt;
und 3. die großen, schweren Kampf- und Wachhunde.

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Der Verzehr von Wild ging in dem Maße zurück, wie sich Landwirtschaft und Besiedlungsdichte verstärkten. Das heißt, in der Frühzeit wurde noch mehr Wild gejagt, doch aufgrund der sich ausbreitenden Besiedlung und der damit verbundenen Rodung wurde der Waldbestand verringert und damit auch das Wild zurückgedrängt. In dem Maße wie der Rothirsch als Fleischlieferant ausfiel, wurde auf das Rehwild zurückgegriffen, das nicht so stark zivilisationsflüchtig ist wie das Rotwild. Daneben wurde Wildschwein und auch die anderen Wildtiere wie Braunbär, Fuchs und Hase gejagt. Der Braunbär war des Fettes und des Pelzes, aber auch seiner Zähne wegen begehrt. Der Fuchs diente hauptsächlich als Pelzlieferant. Sehr geschätzt war der Feldhase. Der Biber wurde aus medizinischen Gründen (Bibergeil), wegen seines Felles und seines Fleisches, gejagt. Der Auerochse ist vereinzelt in den Fundplätzen am Niederrhein nachweisbar, genau wie der Elch. Beide Tierarten spielten jedoch für die Fleischversorgung der Provinzbevölkerung keine Rolle.

Birkwild und Wildenten sowie Wildgänse kamen vereinzelt auf den Tisch; dazu alle Fische, die aus dem Fluß stammten, wie z.B. Hecht, Stöhr, Salm und Zander. Gegessen wurden auch Flußmuschel und Weinbergschnecke, wobei letztere importiert wurde. Verstärkt wurden Austern und Miesmuscheln aus dem Nordseebereich eingeführt.

Genau wie die Wildtiere verschwanden die Waldpflanzen im Laufe der Zeit vom Speiseplan. Die Ursache hierfür war die verstärkte römische Rodungstätigkeit. Waldbeeren können nur in der Frühzeit nachgewiesen werden.

Die Römer waren nicht nur in der Lage, Tierrassen, die mehr Fleisch produzierten, zu züchten, sondern sie brachten auch verbesserte Getreidesorten mit an den Niederrhein, die einen höheren Ertrag garantierten. Waren in vorrömischer Zeit die einfachen Getreidesorten, d.h. Weizensorten wie Emmer und Einkorn, im Bereich des Niederrheins vorherrschend, so kam mit den Römern der Saatweizen und auch der Dinkel in dieses Gebiet. Emmer, Einkorn und Dinkel sind Spelzweizen, die widerstandsfähig gegen Vogelfraß und Pilzkrankheiten sind, deren Körner aber noch enthülst werden müssen. Dies wurde teilweise mit Hilfe von Getreidedarren bewerkstelligt, in denen der Spelzweizen bei einer Temperatur von 50 Grad geröstet wurde. Bei dieser Temperatur springen die Spelzen von den Körnern ab.

Der von den Römern angebaute Saatweizen dagegen ist ein Nacktweizen, vergleichbar den heutigen Weizensorten und braucht nicht mehr entspelzt zu werden. Er lieferte auch höhere Erträge als die einheimischen Arten. In römischer Zeit verdrängte der Dinkel- und Saatweizenanbau am Niederrhein den aus der Latenezeit bekannten Emmer- und Einkornanbau. Roggen und Gerste wurden relativ wenig angebaut, wobei letztere hauptsächlich nur zur Breiherstellung diente. Hirse war in vorrömischer Zeit häufig angebaut worden, wurde aber später durch die Gerste ersetzt.

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Interessant ist, daß in spätrömischer Zeit wieder verstärkt Spelzweizensorten angebaut wurden. Für diese Zeit können wir in den römischen Siedlungen wieder Getreidedarren nachweisen. Der Schluß hieraus liegt nahe. Saatweizen war im Anbau sehr aufwendig. Es mußte eine bestimmte Bodenqualität und Möglichkeiten der Düngung vorhanden sein, um Erträge zu erwirtschaften. Diese Kenntnis war möglicherweise in den unruhigen Zeiten des 4. und 5. Jahrhunderts verloren gegangen. Somit griff man auf die einfacheren und genügsameren Weizenarten zurück, die aber auf jeden Fall Erträge brachten. Im Gegensatz zum Saatweizen waren sie auch bedeutend weniger anfällig gegen Krankheiten.

Abgesehen vom Getreide bildeten Hülsenfrüchte wie Erbse, Linse und Feldbohne die wichtigsten pflanzlichen Nahrungsmittel. Als Gewürzpflanzen sind Koriander, Dill, Thymian, Sellerie und auch Bohnenkraut bekannt. Gesüßt wurde mit Honig, der in aufgestellten Bienenkörben gewonnen wurde. Als Obst wurde Pfirsich, Pflaume, Zwetschge, Birne und Apfel verzehrt. Die aus dem l. Jahrhundert bekannten Walnüsse sind noch importiert worden. Im Wald und auch in der Flußaue wurden wilde Süßkirschen, Schlehen, Himbeeren, Brombeeren, schwarzer Holunder, Haselnüsse, Blaubeeren und Pilze gesammelt. An Beerenobst fehlen Stachelbeeren, die rote und die schwarze Johannisbeere.

Als Heilpflanzen wurden Bockshornklee, Bilsenkraut, Tausendgüldenkraut, Eisenkraut und Johanniskraut angebaut. Wahrscheinlich wurden auch Holunder, Thymian, Dill und Koriander als Heilmittel benutzt.

Importiert wurden Feigen, Oliven und Weintrauben, letztere vielleicht auch in Form von Rosinen. Im l. Jahrhundert n.Chr. wurden Walnüsse und Reis noch eingeführt. Das Vorkommen von Reis ist deshalb so interessant, weil er im Römischen Reich nicht angebaut wurde und aus Mesopotamien oder Vorderindien importiert werden mußte. Er wurde dann vom Mittelmeer an den Niederrhein verschifft.

Wir können davon ausgehen, daß im Bereich von Neuss in römischer Zeit eine relativ intensive Acker- , Garten- und Weidewirtschaft betrieben wurde. In den Hausgärten der Lagervorstadt wuchsen die einzelnen Obstsorten wie auch die Gemüse- und Gewürzpflanzen. Im Bereich der höherliegenden Sandplatten des Umlandes wurde Getreide, besonders Weizen, angebaut. An den Ackerrainen und auch im Auwald wurden Beeren und Nüsse gesammelt. Auf Feldern wurde großflächig Lein angebaut, um sowohl das Öl als auch die Faser für die Kleidung zu erhalten. Ebenso wurden zur Ölgewinnung Mohn und Hanf angepflanzt.

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Als Getränk dienten, neben Wasser, Bier, dessen Herstellung in Gallien schon in vorrömischer Zeit bekannt war, Wein, der wohl schon in vorrömischer Zeit im Moselgebiet angebaut wurde, und ein Getränk, Lora oder Posca genannt. Dies wurde aus Traubentrestern hergestellt, die mit Wasser oder Wein übergossen und dann nach 24 Stunden noch einmal in der Kelter ausgepreßt wurden. Dieser Zweitwein war ziemlich sauer und hielt sich wahrscheinlich auch nur kurze Zeit. Er schlug dann später in Essig um. Die Lora wurde neben Brot, Speck und Käse an die Soldaten ausgegeben. Sie eignete sich wegen ihres hohen Säuregehaltes gut gegen Infektionen und Seuchen. Neben dem einfacheren Wein aus dem Moseltal und aus Südfrankreich wurden, wenigstens in der Frühzeit, auch hochwertige Weine aus Griechenland, Italien und Spanien importiert. Diese Weine kamen wahrscheinlich nur auf Bestellung der Stabsoffiziere und Legionslegaten, die, aus Italien stammend, auf ihren gewohnten Wein nicht verzichten wollten.

Ein weiteres wichtiges Grundnahrungsmittel war das Olivenöl. Das Olivenöl, das während der gesamten Römerzeit am Niederrhein benutzt wurde, stammte zum größten Teil aus Spanien. Die Ölhersteller waren auch gleichzeitig die Hersteller der Transportbehältnisse, der sogenannten Amphoren. Da die Römer keine Butter kannten, war das Öl das einzige den Speisen zuzusetzende Fett und wurde dementsprechend hauptsächlich in der Küche verwandt. Inwieweit am Niederrhein die Lein- und Mohnöle anstelle von Olivenöl in der Küche benutzt wurden, können wir nicht nachweisen.

Zusätzlich zu diesen Nahrungsmitteln wurde aus dem Mittelmeerraum Liquamen, eine Art Fischsauce, eingeführt. Liquamen wurde in großen Fabriken in Nordafrika und in Südspanien hergestellt. Es wurde aus Sardellen gewonnen, die, auf dem Strand ausgebreitet, langsam trockneten und deren Restbestand an Flüssigkeit dann ausgepreßt, gefiltert und in Amphoren abgefüllt wurde. Liquamen war eine sehr salzige Flüssigkeit mit stark fischigem Geschmack. In der antiken mediterranen Küche wurde es anstelle von Salz benutzt. Es gab sehr gutes Liquamen, das mit Kräutern und Wein aromatisiert war. Es hatte eine klare, wasserähnliche Konsistenz. Das billigere war wahrscheinlich keine wasserhelle, sondern eine dunkle, trübe Flüssigkeit. Liquamen wurde in besonderen Amphoren versandt. Diese zeichneten sich dadurch aus, daß sie eine weite Mündung und einen hohlen Standfuß hatten, in dem sich die Schwebebestandteilchen ablagern konnten. Die weite Mündung war wichtig, um mit Hilfe einer Kelle das Liquamen aus der Amphore zu schöpfen. Da wir gegen Ende des l. Jahrhunderts keine Liquamenamphoren mehr nachweisen können, scheint es möglich, daß in der einheimischen niederrheinischen Küche kein Bedarf mehr für diese mediterrane Gewürzflüssigkeit bestand.

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