Tabula Peutingeriana
Impressum   Inhalt   Startseite 
 
  Novaesium
  - Vorgeschichte
  - Lager
  - Canabae legionis
  - Villae rusticae
  - Kultkeller
  - Reckberg
  - Zivilvicus
- Spätantike

  Vorwort
  Landschaft
  Forschung
  Geschichte
  Militär

  Schriftquellen
  Alltag und Kult

  Literatur
  Verweise
  Glossar
  News

  Weblog
  Gästebuch
  Kontakt
 
 
Novaesium in der Spätantike
 

Die archäologischen wie schriftlichen Quellen zur Existenz eines Truppenstandortes in Novaesium in spätantiker Zeit sind sehr spärlich. Um die Mitte des 4. Jahrhunderts fielen starke fränkische Verbände nochmals in das niederrheinische Reichsagebiet ein und zerstörten unter anderem Xanten, Köln und Bonn. Nach den Schriftzeugnissen war auch Novaesium davon betroffenn. Um das Jahr 359, unter Julianus I., wurden diese Städte wieder aufgebaut, unter denen der zeitgenössische römische Historiker Ammianus Marcellinus (XVIII 2,4) Novaesium ausdrücklich nennt. Zum letztenmal wird Novaesium im Zusammenhang mit Ereignissen im Jahre 388 erwähnt: Gregor von Tours (538/39-594) berichtet in seiner Historia Francorum (II 9), daß unter Valentinian II. (375-392) der römische Feldherr Quintinus den Rhein circa Nivisium castellum überschreitet, um die Franken auf ihrem eigenen Gebiet zu stellen, dabei jedoch seine Truppen selbst fast völlig aufgerieben werden. Soweit die schriftlichen Belege. Nach wie vor ist es jedoch unklar, wo diese spätantike Festung gelegen hat. Auch hier gibt es in der Forschung wieder zwei verschiedene Meinungen. Die einen vermuten sie nahe der Erftmündung, an der Stelle des Auxiliarkastells. Nach T. Bechert und M. Kaiser spricht allerdings vieles dafür, sie im Kern der heutigen Neusser Altstadt zu suchen. Mehrere Hinweise aus Grabungen im Stadtgebiet scheinen diese These zu stützen: So kamen unter und bei der mittelalterlichen Stadtmauer zwei spätrömische Brunnenverfüllungen zutage. Die darin gefundenen Scherben stammen aus der Zeit vom 1. bis zur Mitte des 4. Jahrhunderts. Nach Kaiser deutet dies auf umfangreiche Aufräumarbeiten im vicus nach einer Brandkatastrophe hin. Einen zeitlich ähnlich weitgestreuten Befund hatte C. Koenen bereits im Bereichs des Freithofs gemacht. 1988 legte Sabine Sauer, die derzeitige Leiterin der Neusser Bodendenkmalpflege, am Büchel das spätantike Grab eines Soldaten frei.[ 1 ] Es wird durch die Beigaben in die Zeit zwischen 350 und 360 datiert. Auf Grund dieser Indizien vermutet Kaiser, daß die Fläche des julianischen Kastells heute in etwa durch die Oberstraße und Zollstraße sowie den Busbahnhof begrenzt wird.

Luftaufnahme von Erfttal und der der Hummelbachaue
[Voll-Ansicht (97 KB)]

Ein weiteres Zeugnis der Präsens römischen Militärs in Novaesium in dieser Zeit wurde 1992 und 1993 bei den Grabungen auf dem Gelände des Golfplatzes 'Hummelbachaue' entdeckt. Man stieß dort auf Reste der Umwehrung eines Militärlagers, dessen Gesamtfläche auf etwa 1 ha geschätzt wird. Zwar wurden keine Spuren der Innenbebauung gefunden, doch vermuten die Ausgräber auf Grund der Funde in der Brandschüttungsverfüllung des Grabens, daß es sich um Fachwerkbauten auf Steinsockeln handelte. Über die Zeitstellung der dort gefundenen Keramik und Kleinfunde, u.a. das Fragment einer Zwiebelknopffibel aus vergoldeter Bronze, ließe sich auch die Belegungsdauer der Anlage rekonstruieren. Danach wurde sie im späten 4. Jahrhundert errichtet und im 6. Jahrhundert durch eine Brandkatastrophe zerstört. Die Aufgabe ihrer Besatzung bestand, nach Meinung von Kaiser, "in der Sicherung einer Straße, die vom Rhein beim Reckberg in südwestlicher Richtung ins Hinterland führte und die noch heute als 'Alte Kasterstraße' bekannt ist".[ 2 ] Er kommt zu dem Schluß, daß das Lager im Zusammenhang mit dem oben erwähnten Frankeneinfall von 387/88 errichtet wurde und die hier stationierte Truppe vermutlich eine Einheit des Feldheeres (comitatus oder pseudo-comitatus) war.

Gnadental. Eckturm eines Burgus
[Voll-Ansicht (80 KB)]
In den späten 1990er Jahren wurden die baulichen Reste einer weiteren Militäranlage keine zwei Kilometer von der Erftmündung entfernt bei Gut Gnadental, am Nixhütter Weg, freigelegt, deren Erbauung von den Ausgräbern an den Anfang des 4. Jahrhunderts datiert wird.[ 3 ] Gefunden wurden die Fundamente eines Rundturmes und zweier Mauern, errichtet aus römischem Abbruchmaterial. Danach handelte es sich um eine Kleinfestung, deren Typus von der Forschung entsprechend dem antiken Sprachgebrauch als burgus bezeichnet wird.

Solche Kleinstkastelle wurden seit konstantinischer Zeit, aber vor allem unter Valentianus I. (364-375) an der Donau, am Ober- und Niederrhein sowie im Binnenland angelegt, und waren von kleineren Truppeneinheiten besetzt. Wehrtechnisch handelt es sich um Weiterentwicklungen der in der mittleren Kaiserzeit errichteten Limes-Wachtürme: Sie bestanden allgemein aus einem massiv gebauten Turm im Zentrum, der von einem Wall und/oder einer Mauer bzw. Palisade sowie einem oder mehreren vorgelagerten Gräben umgeben ist. Ihre Seitenlänge betrug in der Regel etwa 20 bis etwas mehr als 40 m. Wie die Wachtürme sind sie entlang von Grenzen und an den wichtigsten Hauptstraßen zu finden und dienten der Sicherung, Kontrolle und Nachrichtenübermittlung. Entsprechend wird für die Neusser Festung vermutet, daß sie die von Marseille kommende römische Fernstraße sicherte, die an dieser Stelle die Erft überquerte. Reste dieser Straße wurden bereits zu Beginn der 1990er Jahre auf dem jenseits der Erft gelegenen Golfplatz 'Hummelbachaue' entdeckt. Auf Grund der Datierung des Burgus ins frühe 4. Jahrhundert ist anzunehmen, daß dessen Errichtung im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Grenzsicherung der Germania secunda unter Konstantin I. steht. Da die Gegend um die Erftmündung zu dieser Zeit nicht mehr militärisch gesichert war, sondern nur am Reckberg und im Bereich der heutigen Innenstadt Truppen stationiert waren, sollte die Anlage wahrscheinlich diese Lücke füllen.

Burgi waren entlang des niedergermanischen Limes bislang nur aus Moers-Asberg (Asciburgium) und Goch-Asperden in Grundrissen bekannt. Sie wurden im Rahmen des umfangreichen Baupogramms unter Valentinianus I. angelegt. Weiterhin sind Kleinfestungen, wie gesagt, auch im Hinterland errichtet worden, so etwa in der Gegend von Zülpich (vicus tolbiacum) und Jülich (vicus Iuliacum) entlang der Straßen von Köln ins innere Gallien.


[ 1 ] M. Kaiser - S. Sauer, Ein spätantikes Soldatengrab aus der Neusser Innenstadt, Archäologie im Rheinland 1989 (1990) 118 f. Abb. 68; dies., Zwei spätantike Gräber aus Neuss, Bremer Archäologische Blätter, N.F., 2 (1992-1993) 18-22.
[ 2 ] M. Kaiser, Neuere Forschungsergebnisse zur Geschichte der römischen Militäranlagen in Neuss, in: Fund und Deutung. Neuere archäologische Forschungen im Kreis Neuss, Veröffentlichungen des Kreisheimatbundes Neuss e.V.; 5 (Neuss 1994) 70.
[ 3 ] S. Sauer - M. Kaiser, Archäologische Bodendenkmalpflege in Neuss, in: H. G. Horn u.a. (Hrsg.), Fundort Nordrhein-Westfalen. Millionen Jahre Geschichte, Begleitbuch zur Landesausstellung Köln - Münster - Nijmegen 2000/2001, Schriften zur Bodendenkmalpflege in Nordrhein-Westfalen 5 (Mainz 2000) 188; S. Sauer, Bonner Jahrbücher 201, 2001 (2004) 422 f.
Seitenanfang