Tiberius Claudius Nero, geb. Rom 16.11. 42 v. Chr., gest. Misenum 16.3. 37 n. Chr., römischer Kaiser seit 17. 9. 14 n. Chr., Sohn des Senators Tib. Claudius Nero und der Livia Drusilla, durch deren zweite Ehe er der Stiefsohn des Augustus wurde.
Tiberius war nach Agrippa der bedeutendste Feldherr der augusteischen Zeit. Er führte 20 v. Chr. ein Heer nach Armenien, unterwarf 15 mit seinem Bruder Drusus Rätien und gelangte bis zu den Donauquellen, leitete 12-9 die Eroberung Pannoniens und 8-7 diejenige Germaniens. Aus dynastischen Gründen mußte er sich 12 von seiner ersten Frau Vipsania Agrippina scheiden lassen und die Augustustochter Iulia heiraten. Von 6 v. Chr. bis 2 n. Chr. lebte Tiberius in freiwilliger Verbannung zu Studienzwecken in Rhodos. Erst nach dem Tode aller anderen Thronkandidaten wurde er 4 n. Chr. von Augustus unter dem Namen Tib. Iulius Caesar adoptiert und für die Nachfolge vorgesehen. Die lange Zurücksetzung verletzte ihn tief und prägte seinen problematischen Charakter. 4-6 erneut in Germanien, stieß er 5 mit Heer und Flotte zur Elbe vor und plante die Eroberung des Markomannenreichs Marbods, mußte jedoch 6-9 den pannonisch-dalmatischen Aufstand niederschlagen. Nach der Niederlage des Varus sicherte Tiberius 10-12 die Rheingrenze. 13 zum Mitregenten ernannt, trat er nach dem Tode des Augustus erst nach längerem Zögern die Regierung an.
Als Kaiser bemühte sich Tiberius um die Fortsetzung der augusteischen Politik. Er regierte sachlich und sparsam, verbesserte die Finanzen sowie die Provinzialverwaltung und gab das System der Steuerpacht z.T. auf. Die monarchische Zentralgewalt wurde weiter gestärkt. Die Plebs verlor ihre letzten politischen Rechte, denn die Komitien wurden nicht mehr einberufen. Die seit 15 stattfindenden Prozesse wegen Majestätsbeleidigung richteten sich gegen die Opposition des Senats und führten zu zahlreichen Verbannungen, Vermögenskonfiskationen und Hinrichtungen. Die Prätorianerleibgarde wurde in Rom stationiert, und ihre aus dem Ritterstande stammenden Präfekten erlangten überragenden Einfluß. Der menschenscheu und mißtrauisch gewordene Tiberius zog sich aus Rom zurück und lebte 21/22 und ab 26 dauernd in Kampanien, vor allem auf Capri. 21-31 führte der Prätorianerpräfekt Seianus praktisch die Regierung. Seinem Ehrgeiz fiel u.a. Drusus, der Sohn des Tiberius, zum Opfer. Nach der Hinrichtung des Seianus erlangte Macro eine ähnliche Stellung.
Bald nach seinem Regierungsantritt mußte Tiberius Heeresmeutereien in Germanien und Pannonien niederschlagen lassen, dann den Aufstand des Tacfarinas in Numidien 17-24 sowie Erhebungen in Gallien und Thrakien 21. Die Eroberung Germaniens wurde mit der Rückberufung des Germanicus 16 aufgegeben, die Klientelstaaten Kappadokien und Kommagene 18 in Provinzen
umgewandelt.
Tiberius starb in Misenum (am heutigen Kap Miseno). Seine Darstellung als Tyrann und Heuchler, besonders bei Tacitus, geht auf die ihm feindliche römische Aristokratie zurück. Erst die neuere Forschung hat dieses entstellte Bild berichtigt.
Quelle: Lexikon der Antike. Digitale Bibliothek Bd. 18 - (c) Directmedia 2000
Literatur:
- M. Baar, Das Bild des Kaisers Tiberius bei Tacitus, Sueton und Cassius Dio, Beiträge zur Altertumskunde 7 (Stuttgart 1990).
- A. Bernecker, Zur Tiberius-Überlieferung der Jahre 26 - 37 n.Chr. (Bonn 1981).
- E. Kornemann, Tiberius (Stuttgart 1960).
- C. Kuntze, Zur Darstellung des Kaisers Tiberius und seiner Zeit bei Velleius Paterculus (Frankfurt a.M. 1985).
- B. Levick, Tiberius the politician (London 1976).
- P. Schrömbges, Tiberius und die Res publica Romana, Untersuchungen zur Institutionalisierung des frühen römischen Principats (Bonn 1986).
- D. C. Shotter, Tiberius Caesar (London 1992).
- S. Yaaves, Tiberius. Der traurige Kaiser (München 1999).
Weitere Informationen im Internet:
- Tiberius (A.D. 14-37): De Imperatoribus Romanis: An Online Encyclopedia of Roman Emperors (Garrett G. Fagan, Pennsylvania State University)
- Tiberius (Wikipedia)
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