Tabula Peutingeriana
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Neusser Münzen
von Heinrich Chantraine
I. Quellen für Umlauf und Wert IV. Geldwert, Löhne, Preise & Handel
II. Unterversorgung & Münzkontrolle V. Literatur & Verweise
III. Benutzer & Münzmetalle    

Was war das Geld wert?


Angesichts der skizzierten Problemlage kann man sich nur unter großen Vorbehalten zum Geldwert äußern. Es sind nicht lediglich die wenigen, nicht einmal aus unseren Gegenden stammenden Daten, gravierend ist auch der Umstand, daß das Imperium keine Wirtschaftseinheit war und demgemäß nicht überall in etwa gleiche Preise galten, daß außerdem diese Wirtschaft zu über 95 % Agrarwirtschaft war mit regionalen Rekordernten, Hungersnöten und starken Preisschwankungen, die nicht reichsweit ausgeglichen werden konnten. Dazu kamen Währungsverfall und allgemeine Preissteigerungen, die sich beispielsweise aus der Zunahme der höheren Münzwerte (Sesterzen, Dupondien) zu Lasten der niedrigeren (Asse, Semisse, Quadranten und deren Surrogate) ablesen lassen.

Um dennoch eine umrißhafte Vorstellung von der Kaufkraft zu vermitteln, seien einige Löhne und Preise für das 1. Jh. n. Chr. genannt und kurz kommentiert.

Das Einkommen der kleinen Leute und Soldaten

In Jesu Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg beträgt der vereinbarte Tageslohn 1 Denar, also 16 Asse (Matth. 20,2ff.). Das mußte vermutlich für die ganze Familie reichen. Entsprechend intensiv sucht die Frau, die von 10 Drachmen (ungefähr 10 Denare) eine verloren hatte (Luk. 15,8ff.): es war "das Haushaltsgeld" für einen Tag. Die arme Witwe (Mark. 12,4ff. bzw. Luk. 21,1ff.) hatte dagegen nur 1 oder 2 Quadranten (1 Viertel- bzw. 1/2 As) als ihren Lebensunterhalt. Ein spanisches Stadtrecht etwas früherer Zeit sah für die städtischen Bediensteten der untersten Kategorie 75 Denare = 1200 Asse jährlich vor, also einen Tagessatz von ca. 31/3 Assen, höher qualifiziertes Personal erhielt bis zum Vierfachen. Bei der italischen Alimentarstiftung des frühen 2. Jhs. n.Chr., einem staatlichen Fonds zur Zahlung von "Kindergeld", schwankt der Tagessatz zwischen ca. 2 und 11/3 Assen. Der einfache Legionär erhielt im Jahr 225 Denare = 3600 Asse, ab 84 n.Chr. 300 Denare = 4800 Asse jährlich, d.h. pro Tag etwa 10, dann 13 Asse. Angehörige anderer Einheiten (die sog. Hilfstruppen) empfingen weniger, vielleicht 5/6 der genannten Beträge.

Die sich zeigende Varianz ist beträchtlich, dabei muß z.B. offenbleiben, ob das "Kindergeld" den gesamten Aufwand decken sollte und ob die am niedrigsten bezahlte Gruppe der Amtsdiener auf Nebenverdienst angewiesen war.

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Preise für Kleidung und Nahrung

Aus Preisen für Nahrung und Kleidung läßt sich - beim Fehlen brauchbarer Angaben zu Mietkosten - am ehesten eine Grobvorstellung über die Kaufkraft gewinnen. Aus Ägypten (Papyri) kennen wir "Soldabrechnungen" von 2 Legionären aus der Zeit vor 84 n.Chr. Danach wurden von den 3600 Assen Jahressold u.a. einbehalten: 960 für Verpflegung, 144 für "Schuhe und Strümpfe", dazu bei dem einen 824, dem anderen 984 für "Kleidung". Daß solche Summen für nicht näher spezifizierte Kleidung nicht beliebig auf Zivilisten übertragbar sind, versteht sich.

Die mehrfach bezeugte Monatsmenge des bei weitem wichtigsten Grundnahrungsmittels, des Getreides (vor allem Weizen), betrug 4-5 Modii pro erwachsenen Mann, das sind, rechnen wir mit 5 Modii, ca. 44 Liter oder ca. 33,5 kg. Der Preis für den Modius schwankte je nach Ort (Rom war z.B. besonders teuer) und Zeit bzw. Ernteausfall. Im südwestlichen Kleinasien wurde 93 n.Chr. bei einer Hungersnot statt des bisher üblichen Preises von 8 oder 9 Assen pro Modius (ca. 8,7 Liter) ein Höchstpreis von 1 Denar, also 16 Assen fixiert. Acht Asse pro Modius war auch der mittlere Getreidepreis im Ägypten des 1. Jhs. n.Chr., einem der wichtigsten und verläßlichsten Anbaugebiete. Legt man diesen Preis zugrunde, betrug der tägliche Aufwand 1,3 As, der jährliche 480 Asse. Bei doppelt so hohem Getreidepreis wäre der gesamte Abzug für Verpflegung der Soldaten auf die Getreideration gegangen. Das ist unwahrscheinlich, aber sicher erhielten die Soldaten ihre Verpflegung zu einem "politischen" Preis. Neben Getreide spielte Fleisch eine geringe Rolle, wichtig waren dagegen Öl, das ca. 12 Asse pro Liter kostete, und Wein, wofür bei einfacheren Sorten etwa 2-4 Asse pro Liter hinzulegen waren. Doch galten solche Preise in Italien und Griechenland und ist für unsere Gegenden mit kräftigen Zuschlägen zu rechnen.

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Geld- und Tauschhandel

Das Dargelegte bildet nur eine "Modellrechnung". Für die Truppen als wichtigsten und lange Zeit bei weitem größten Bevölkerungsteil mag sie weithin stimmen: Der Sold mußte angemessen sein, die Abzüge nicht zu groß, sollte die Loyalität der Soldaten nicht überstrapaziert werden. Sonderzahlungen (Donative) verbesserten die Situation, Unteroffiziersränge erhielten zudem das Anderthalbfache oder Zweifache, die Offizierschargen ein Vielfaches an Löhnung. Manche Preise in Novaesium waren so sicher überhöht, besonders für "Luxusgüter". Der normale antike Neusser, der Zivilist also, versorgte sich, wie schon gesagt, weithin selbst, wich bei Mißernten usw. auf andere Nahrungsmittel aus oder mußte sich durchhungern. Solche Phänomene sind weltweit ebenso wenig Vergangenheit wie auch, daß man ohne "Geld" (Münzen, Banknoten) auskommen kann, daß es bestens funktionierende Naturalwährungen gibt.

Quelle: Heinrich Chantraine, Geldumlauf und Geldwert, in: Novaesium - Neuss zur Römerzeit, Schriftenreihe der Volkshochschule Neuss, Heft 4 (Neuss 1989) 70-82.

Das römische Geldwesen (engl.)
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