Tabula Peutingeriana
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Göttliches Novaesium
von Heinz Günter Horn
I. Die Römische Staatsreligion III. Die orientalischen Kulte
II. Die einheimischen Götter IV. Literatur

Die einheimischen Götter


Die Römer haben niemals Religionskriege geführt, niemals fremde Götter oder Religionen, die sie bei den unterworfenen Völkern angetroffen hatten, unterdrückt. Wichtig schien ihnen zunächst und ausschließlich, daß alle Reichsbewohner religiös geeint waren in der Verehrung der kapitolinischen Trias, vor allem des lupiter optimus maximus und im Kaiserkult; diese Loyalitätsbekundung forderten sie allerdings ohne Kompromisse überall im Römischen Reich. Ansonsten übten die Römer Toleranz und betrachteten die Götter fremder Völker lediglich als andere Erscheinungsformen ihrer eigenen Göttervorstellungen, zumal ihnen deren Wirken und Zuständigkeiten bekannt vorkamen. Die Gleichsetzung einheimischer Gottheiten mit römischen Göttergestalten und ihre Übernahme in das römische Pantheon bereiteten ihnen deshalb keine Schwierigkeiten. Einheimische und römische Götternamen wurden miteinander verbunden, ggf. eine einheimische Gottheit auch nur durch die Beifügung von deus/dea romanisiert. Am deutlichsten machte sich diese Interpretatio Romana in der bildlichen Darstellung bemerkbar. Fast alle einheimischen Götter wurden bald wie römische dargestellt. So konnten einerseits die fremden Völker und Stämme in allen Teilen des Römischen Reiches auch unter römischer Herrschaft ihre religiösen Eigenheiten beibehalten, andererseits auch die römischen Bürger - sowohl die Zivilisten als auch die Militärs - ohne »Pflichtverletzung« (d.h. Mißachtung ihrer eigenen Götter) überall in den Provinzen zu den einheimischen Gottheiten beten, ihnen opfern und durch Votive danken.

Iupitersäulen waren ein weit verbreitetes und typisches Phänomen in der Gemania inferior. Mehr als 230 Exemplare sind zur Zeit aus diesem Raum bekannt. Die meisten stammen aus dem heutigen Stadtkreis Köln (mehr als ein Viertel), danach folgen Jülich, Bonn und Nijmegen. Ihre Datierung reicht vom späten 1. Jh. bis ins 2. Drittel des 3. Jhs. ... [weiter]

Welche einheimischen Göttervorstellungen die Römer bei der Eroberung des Rheinlandes in der zweiten Hälfte des l. Jahrhunderts v.Chr. vorgefunden haben, entzieht sich unserer genauen Kenntnis; bildliche oder inschriftliche Überlieferungen fehlen. Die knappen Berichte des römischen Feldherrn C. Julius Caesar und des römischen Historikers Tacitus sind in dieser Hinsicht nicht sehr ergiebig. In der germanisch-keltischen Mischzone wird man zumeist Natur- und Fruchtbarkeitsgottheiten verehrt haben, die bestenfalls in umgestalteten Kultmalen (Steine, Bäume u.ä.) faßbar waren. Tempel im Sinne eines »Hauses der Gottheit« kannte man nicht; Opfer und Verehrung erfolgten in freier Natur auf Bergkuppen oder in Hainen. In Niedergermanien wurde der keltische Kriegs- und Gewittergott Taranis bisweilen mit Iuppiter optimus maximus gleichgesetzt; sein Symbol ist ein mehrspeichiges Rad und erscheint auf manchen Jupiterweihungen. Hierhin gehören auch die sog. Iupitersäulen, die sich in der Nachfolge der Mainzer Jupitersäule der Jahre 59/67 n.Chr. vornehmlich in den Nordwestprovinzen des Römischen Reiches finden und einheimisch-keltische Vorstellungen mit italischen Elementen verbinden: Über einem meist mit verschiedenen Götterdarstellungen verzierten viereckigen Sockel (sog. Viergötterstein) erhebt sich eine normalerweise geschuppte kapitellbekrönte Säule, auf deren Vorderseite vielfach von oben nach unten Reliefbilder der Juno, Minerva und des Mercurius zu erkennen sind. Auf der Säule thront Jupiter im Stile eines Weltenherrschers, das Zepter in der linken, das Blitzbündel in der rechten Hand, ganz so wie ein berühmtes Kultbild im Jupitertempel auf dem Kapitol in Rom ihn zeigte. Nach Caesar und Tacitus verehrten Kelten und Germanen besonders Mars und Mercurius; es handelte sich natürlich um einheimische Gottheiten, welche die Römer am ehesten mit diesen beiden zu fassen glaubten. So kam es auch in Niedergermanien zu gleichsetzenden Weihungen für Mars Camulus, Mars Cicollvis, Mars Lenus oder Mercurius Cissonius, Mercurius Friausius, Mercurius Gebrinius. Ein einheimisch-niedergermanischer Gott war auch Magusanus, der mit dem römischen Hercules identifiziert und als Hercules Magusanus verehrt wurde. Der Heilgott Apollo fand im keltischen Grannus seine Entsprechung und erhielt Sirona als Kultgenossin; seine Verehrung ist besonders in Heil- und Kurzentren, wie z.B. Aquae Granni (Aachen) belegt. Viele der einheimischen Götter am Niederrhein - seien sie nun keltischer oder auch germanischer Provenienz - sind uns inzwischen durch Inschriftenfunde namentlich bekannt, von den meisten läßt sich aber kaum mehr sagen, als daß sie ihren lokalen Bezug beibehalten haben, gelegentlich aber in griechisch-römischer Bildtradition dargestellt und auch von römischen Bürgern - oft hochstehende Verwaltungsbeamte und Militärs - verehrt wurden. Dies trifft z.B. für die keltische Pferdegöttin Epona, den keltischen Hammergott Sucellus, die germanische Fruchtbarkeitsgöttin Hludana oder die germanische Kriegsgöttin Vagdavercustis und die Göttin der Britannienfahrer Nehalennia zu. Besonders verbreitet war in Niedergermanien der Kult einheimischer Muttergottheiten, die - romanisiert - Matronae, Matres oder auch Matrae hießen. Sie spendeten offenbar Segen und Fruchtbarkeit; sie beschützten Haus und Hof, Familie, Sippe und Gemeinde. Ihre meist germanischen Beinamen leiteten sich deshalb oft von Personen und Stammesnamen ab, wie z.B. die Matronae Vacallinehae vom Stamm der Vacalli oder die Matronae Austriahenae von dem der Austriates; manchmal waren wohl auch Flüsse, Orte oder Regionen für die Matronen namengebend. Der männliche Gegenpart zu diesen »Stammesmüttern« scheint vielerorts Mercurius gewesen zu sein, dessen Kult von einheimischen männerbündischen Vereinigungen, den Curien, gepflegt wurde; deshalb finden sich nicht selten Merkur-Weihungen in Matronenheiligtümern wie Bad Münstereifel-Nöthen oder Bonn.

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Die Matronenverehrung geht wohl auf einen einheimischen Baumkult zurück; z.Zt. ist noch ungeklärt, ob und inwieweit hier keltische und germanische Vorstellungen miteinander verbunden wurden. Die frühesten Weiheinschriften in der Rheinzone gehören in die zweite Hälfte des l. Jahrhunderts n.Chr. Anfangs gab es auch für sie keine menschengestaltigen Kultbilder; vieles spricht dafür, daß die charakteristischen Darstellungen der Matronendreiheit mit dem jungen Mädchen zwischen zwei alten haubentragenden Frauen auf einer Sitzbank allesamt auf ein Kultbild im Heiligtum der Aufanischen Matronen in Bonn zurückgehen dürften und erst nach der Mitte des 2. Jahrhunderts n.Chr. entstanden sind. Auch für die anderen Matronendarstellungen, etwa die Einzelfiguren mit einem Fruchtkorb, einem Hund oder einem Wickelkind auf dem Schoß, mit einem Blütenbündel in der Hand oder einem Säugling an der Brust, gibt es offenbar keine früheren Belege. Bei ca. 1300 Inschriften ist die Bedeutung des Matronenkultes für Niedergermanien kaum zu überschätzen; er bezeugt wie kein anderer der einheimischen Kulte, wie lange sich lokale Göttervorstellungen halten und durch die interpretatio romana auch für Römer zum Teil hohen und allerhöchsten Ranges akzeptabel werden konnten, ohne ihren lokalen Bezug zu verlieren.

Für die Verehrung einheimischer Gottheiten in Novaesium-Neuss gibt es aus den o.g. Gründen ebenso wenige Hinweise wie für den offiziellen römischen Staatskult. Zudem sind - wie bereits erwähnt - durch die interpretatio Romana der fremden Götter und ihres Wirkens die Abgrenzungen nicht immer leicht. Bei manchen Weihungen, z.B. für Jupiter und Mercurius, muß offen bleiben, ob der Dedikant bei seiner Ehrung die einheimische oder die römische Komponente der Gottheit gemeint hat. Deutlicher wird dies, wenn der einheimische Name der Gottheit in der Weihung miterscheint, wie z.B. bei dem Armring aus Neuss, der dem niedergermanischen (ubischen?) Hercules Magusanus geweiht wurde. Das Weihegeschenk eines Claudius Victorinus - ein Krug mit Ritzinschrift (heute in Berlin, Pergamonmus.) galt mit Sunuxal, der Stammesgöttin der in der nördlichen Eifel wohnenden germanischen Sunuci, zweifelsfrei einer einheimischen Gottheit. Schließlich ist in Neuss auch der einheimisch-germanische Matronenkult bezeugt. Entsprechende Weihesteine mit der Matronendreiheit fanden sich im Kultbezirk am Gepa-Platz; aus diesem Bereich stammt auch die Terrakottastatuette einer Muttergöttin, die ein Kind in den Armen trägt. Eine Weihung für die Matres (= Matronae) war als Spolie im sog. Koenen-Lager verbaut. Rätselhaft ist nach wie vor der Altar mit der Darstellung zweier Götter(?)-gestalten, der ebenfalls am Gepa-Platz gefunden wurde. Er zeigt möglicherweise einheimische ithyphallische Gottheiten, die wir nicht näher bezeichnen können.

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