Novaesium, alias Neuss

Iupitersäulen

Rekonstruktion einer Iupitersäule
Rekonstruktion einer Iupitersäule am archäologischen Rundgang in Neuss-Gnadental
Iupitersäulen waren ein weit verbreitetes und typisches Phänomen in der Gemania inferior. Mehr als 230 Exemplare sind zur Zeit aus diesem Raum bekannt. Die meisten stammen aus dem heutigen Stadtkreis Köln (mehr als ein Viertel), danach folgen Jülich, Bonn und Nijmegen. Ihre Datierung reicht vom späten 1. Jh. bis ins 2. Drittel des 3. Jhs. Ihr Vorbild war wahrscheinlich eine reliefverzierte Säule in Mainz, welche die Bewohner der dortigen canabae um das Jahr 65 dem Iupiter optimus maximus für das Wohl des Kaisers Nero errichten ließen. Als oberer Abschluß diente in diesem Fall allerdings das vergoldete Bronzestandbild des Gottes mit Adler und Blitz. "Für Mainz war dies damals eine unerhörte Schöpfung, ähnliches gab es anscheinend in der ganzen Rheinzone kaum zu sehen, Vorbilder standen allenfalls in Rom."[ 1 ] Entsprechend war denn auch die Wirkung. So entstanden in der Folgezeit zunächst Nachschöpfungen im Mainzer Umkreis, von wo sich der Typus immer weiter über die nordwestlichen Provinzen des Reiches verbreitete, wobei der Schwerpunkt in Obergermanien und in Ostgallien liegt. Ihren Höhepunkt hatte diese Mode, nach den Funden zu urteilen, im 2. und 3. Jh., wobei das Vorbild auch mehr oder weniger starke Abwandlungen erfuhr.

Im Wesentlichen lassen sich zwei Variationen unterscheiden: In der Germania Superior überwiegt die Darstellung des Iupiters auf einem Pferd, wie er über einen zu Boden gestüzten Giganten hinwegreitet, während in Niedergermanien vornehmlich Säulen mit dem thronenden Iupiter aufgestellt wurden. Dabei folgen die Darstellungen in der Regel einem festgelegten Typus, der in seinen wesentlichen Zügen offensichtlich die berühmte Kultstatue im Tempel des Iupiter Optimus Maximus auf dem Kapitol in Rom zitiert: Der als reifer Mann charakterisierte Gott sitzt auf einem Thron mit hoher Rückenlehne. In der auf dem rechten Bein ruhenden rechten Hand hält er das Blitzbündel und in der erhobenen Linken das Zepter, welches aber nur selten erhalten ist. Er ist mit einem Mantel bekleidet, der den Unterkörper verhüllt, im Rücken hochgeführt ist und als Bausch über die linke Schulter fällt, den Oberkörper aber frei läßt. Schließlich trägt er einen lockigen Vollbart und reich gelocktes, auf die Schulter fallendes Haar mit einer Anastolé in der Stirnmitte. Als Sütze der Statue dient in der Regel eine Säule, deren Oberfläche als schuppenförmiges Relief gearbeitet ist, wodurch wahrscheinlich Lorbeerblätter auf stilisierte Weise wiedergegeben werden sollen. An der Stelle der stärksten Schwellung des Schaftes wird dieser von einem Band umfaßt, wo auch die Ausrichtung der Blattspitzen wechselt. Neben dieser einfachen Form der 'Schuppensäule' ist auch eine aufwendigere Variante überliefert, bei der an der 'Frontseite' meistens drei Reliefs übereinander gestaffelt sind, die ebenfalls Götter wiedergeben, wobei die obersten beiden in ihrer Reihenfolge festgelegt sind: Zuoberst, dem Iupiter am nächsten, erscheint Iuno, gefolgt von Minerva, womit die kapitolinische Trias vollständig ist. Die Gottheit des untersten Relief wechselt, u.a. sind Mercurius, mars und Hercules bezeugt. Im Unterschied zu den Monumenten aus der Germania superior und der Gallia Belgica stehen die niedergermanischen Iupitersäulen nur manchmal auf einem Sockel von rundem oder quadratischem Grundriß, der auf drei oder vier Seiten mit Reliefs bestimmter Gottheiten geschmückt und eine Weihinschrift tragen kann.

Neben den Schuppensäulen mit Götterreliefs sind auch sog. Iupiterpfeiler erhalten, allerdings ausschließlich in der Gemania inferior, u.a. auch im Raum Neuss. Diese sind von annähernd quadratischer Grundfläche und tragen drei oder vier übereinandergestaffelte Götterreliefs, entweder auf allen vier Seiten oder auf der Front- und den Nebenseiten oder nur auf der Frontseite. Wie bei den Säulen sind auch hier in den obersten Reliefs Iuno und Minerva dargestellt.

Mit Ausnahme eines Fundes in Tongeren (Belgien) wurde bislang keines der Monumente in situ angetroffen, worurch Aussagen zu den genauen Aufstellungsorten und zur Plazierung sehr eingeschränkt werden. Viele Weihungen wurden schon in der Antike zerstört und dann verworfen oder im Mittelalter als Spolien wiederverwendet.

Auch Informationen über die Sifter, ihre soziale Stellung und ethnische Herkunft, sind nur sehr wenige überliefert, da nur von einem Bruchteil der erhaltenen Säulen die Inschriften erhalten sind

Die genaue Deutung der Iupitersäulen ist bis heute in der Forschung nicht eindeutig geklärt. Da ihre Verbreitung sich auf die germanischen Provinzen beschränkt und der Typus römische Vorbilder zitiert, werden hier wohl einheimisch-keltische bzw. germanische Vorstellungen mit italo-römischen Elementen verbunden sein. So mag die Darstellung des obersten der römischen Staatsgötter, dessen Kult natürlich eng mit der Präsenz des römischen Militärs verbunden war, für die Verehrung der höchsten einheimischen Gottheit übernommen worden sein. Darüber hinaus hat die Gattung des Säulenvotivs als besonders repräsentatives Monument eine lange Tradition im griechischen und später auch im italischen Raum.

Im Neusser Raum sind mehrere Fragmente von Iupitersäulen gefunden worden: Neben dem vor wenigen Jahren bei Rosellen entdeckten Stück stammen allein drei aus dem engeren Stadtgebiet und zwei weitere Exemplare aus Nievenheim/Dormagen. Rekonstruktionen davon stehen im Bereich des archäologischen Rundganges in Gnadental (s. Abb.), im Clemens-Sels-Museum und in Nievenheim selbst. Daneben sind auch zwei Fragmente in Neuss gefunden worden, die wahrscheinlich zu Iupiterpfeilern zu ergänzen sind.

Literatur:

  • G. Bauchhenß, Jupitergigantensäulen, Kleine Schriften zur Kenntnis der römischen Besetzungsgeschichte Sdwestdeutschlands Nr. 14 (Stuttgart 1976)
  • Ders., Die Iupitergigantensäulen in der römischen Provinz Germania superior, in: Die Iupitersäulen in den germanischen Provinzen, 41. Beiheft der Bonner Jahrbücher (Köln - Bonn 1981) 1-262
  • P. Noelke, Die Iupitersäulen und -pfeiler in der römischen Provinz Germania inferior, in: ebenda 263-515.
  • Ders., Götter und Kulte im römischen Neuss, Neusser Jahrbuch 1989, 13-36.


[ 1 ] E. Künzl in: H. Cüppers (Hrsg.), Die Römer in Rheinland-Pfalz (Stuttgart 1990) 178; s. auch M. Kaiser - S. Sauer, Archäologische Untersuchungen in Neuss-Allerheiligen, in: Kreisheimatbund Neuss (Hrsg.), Jahrbuch für den Kreis Neuss 2001 (Neuss 2000) 14 f.

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