Tabula Peutingeriana
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Römisches Militär am Niederrhein
von Michael Gechter
I. Das kaiserzeitliche Heer V. Logistik
II. Das spätantike Heer VI. Bauten des Heeres
III. Bewaffnung und Ausrüstung VII. Sozialstruktur des Heeres
IV. Sold und Auszeichnungen VIII. Literatur und Verweise

Die Sozialstruktur des römischen Heeres in Niedergermanien


Mit den römischen Heeren kam Anfang des l. Jahrhunderts ein sehr heterogenes Völkergemisch an den Niederrhein. Die Legionen waren zum größten Teil aus Oberitalien und der heutigen Provence rekrutiert. Bei den Auxiliareinheiten stammten die Mannschaften der Kavallerie zum größten Teil aus Mittel- und Nordgallien, die Infanteristen zum Teil auch aus Gallien, zum größeren Teil aber aus Pannonien und auch aus Spanien. Die Flottensoldaten wurden im östlichen Mittelmeerraum rekrutiert. Die einzigen richtigen Römer waren hierbei die höheren Offiziere. Außerdem war die einheimische Bevölkerung am Niederrhein auch alles andere als homogen. Sie gehörte verschiedenen Stämmen an, die schon längere Zeit (wie die Bataver) oder erst kürzerer Zeit (Sugambrer, Ubier) am Rhein lebten. Die meisten waren Germanen, ein kleinerer Teil Kelten. Daraus hatte sich eine germanisch-keltische Mischkultur entwickelt.

Die entlassenen Soldaten, die am Niederrhein blieben, vermischten sich mit dieser einheimischen Bevölkerung, und so entstand im Laufe des I.Jahrhunderts eine romanisch-keltisch-germanische Mischbevölkerung. Für den reinen Römer waren sie bestimmt Barbaren oder Germanen, die Germanen vom östlichen Rheinufer hielten sie sicher für Römer. Ende des l. Jahrhunderts, Anfang des 2. Jahrhunderts wurde die Kultur am Niederrhein relativ einheitlich römisch geprägt. Die Soldaten hoben sich von der üblichen Provinzialbevölkerung ab, da sie der einzige Stand waren, der ständig über etwas Bargeld verfügte. In den Garnisonsstädten und in den größeren Zivilstädten wurde mit Geld bezahlt, auf dem flachen Lande überwog dagegen sicher die Naturalwirtschaft. Die Soldaten konnten sich auch Dinge leisten, die ansonsten nur in den höheren Provinzialschichten konsumiert wurden: z. B. Austern. Diese wurden sicher schon im Bereich der Kanalküste gezüchtet, ihre Schalen finden sich in den Abfallhalden der römischen Lager, und zwar sind sie innerhalb des Lagers so verteilt, daß man davon ausgehen kann, daß auch der einfache Soldat sie gegessen hat. Ähnlich auffällig ist der Unterschied zwischen den Funden aus Militärlagern und Bauernhöfen. In den Lagern merkt man, daß die Soldaten immer in der Lage waren, zerbrochenes Geschirr zu ersetzen. Auf den einzelnen Höfen auf dem flachen Land dagegen wurde kaum Keramik weggeworfen, das gleiche gilt für Münzen.

Anfang des 2. Jahrhunderts gab es kaum mehr neuen Zuzug an den Niederrhein. Die Soldaten der Legionen und der Hilfstruppen wurden jetzt direkt aus Niedergermanien und den angrenzenden Provinzen rekrutiert. Grabsteine zeigen, daß es jetzt regelrechte Soldatenfamilien gab, bei denen der Vater und auch der Sohn gleichzeitig Soldat waren. Nur noch die höheren Offiziere kamen aus anderen Provinzen oder aus Italien. In dem Maße, in dem der Schmuck als wichtiges Trachtzubehör aus der provinzialen Frauentracht verschwindet, ist er an der Tracht der Soldatenfrauen verstärkt festzustellen. Gleichzeitig werden die Ausrüstungsgegenstände der Soldaten wie Gürtelbeschläge etc. stärker verziert. Ab Mitte des 2. Jahrhunderts trugen nur noch die Soldatenfrauen Fibeln auf ihrer Kleidung. Ahnliche Emailverzierungselemente wie auf diesen Fibeln treten auch auf den Ausrüstungsgegenständen ihrer Männer auf. So hat wohl eine ganze Buntmetallindustrie von der Schmuckfreudigkeit der Soldatenfamilien gelebt.

Die Soldatenkaste, die sich auch äußerlich mit ihrer Familie von der übrigen Provinzialbevölkerung abhob, wurde ein Opfer der Germaneneinfälle von 275. Bei diesem Einfall gingen fast alle Hilfstruppen am Rhein zugrunde, sicher auch die Soldaten und ihre Familien, denn danach ist diese Gruppe im archäologischen Fundmaterial nicht mehr festzustellen. Ersetzt wurde sie im 4. Jahrhundert durch germanische Reisläufer und deren Familien. Hier können wir, mit einem ganz anderen Fundspektrum, dasselbe wieder feststellen! Die germanischen Frauen trugen andere Kleidung und auch anderen Schmuck als die Provinzialbevölkerung. Sie waren die einzigen, die in dieser Zeit noch Fibeln und Anhänger trugen.

Dieser Soldatenstand, teilweise Limitantruppen, teilweise comitatensische Truppen, wurden dann von den sich ansiedelnden Germanen im 5. Jahrhundert aufgesogen.

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