Es war nicht zuletzt der Versuch, die germanischen Wanderzüge zu bewältigen, der das Auseinanderklaffen der beiden Reichshälften förderte. Doch während das Oströmische (Byzantinische) Reich seinen Umfang behielt, verlor die westliche Hälfte immer mehr Territorien und war für das letzte Drittel des 5. Jahrhunderts im Wesentlichen auf Italien beschränkt. Die Dynastie des Theodosius ging dort mit der Ermordung Valentinians III. 455 zu Ende, die Plünderung Roms durch die Wandalen wurde zum Symbol eines Abschlusses.
Die weströmischen Kaiser nach 455 wie Avitus und Majorian (456-461) sowie spätere kurzlebige Herrscher verdienten den Titel kaum; die Leitung des Westreiches lag in den Händen der Heermeister und patricii germanischer Herkunft wie Ricimer und Gundobad. 467 versuchte Byzanz mit der Erhebung des oströmischen Heermeisters (und Schwiegersohns Kaiser Markians) Anthemius zum westlichen Kaiser noch einmal eine Koordination der Interessen. Der Herrschaftsantritt war verbunden mit einer groß angelegten Aktion gegen das Wandalenreich. Dieses suchte in einem dauernden Seekrieg die ost- und weströmischen Küsten heim, wobei verbündete afrikanische Stämme einen großen Teil seiner Truppen ausmachten. Ähnlich wie bereits 460 unter Majorian scheiterte auch jetzt (468) das Flottenunternehmen gegen die Eindringlinge; Auseinandersetzungen zwischen Anthemius und Ricimer führten zum Bürgerkrieg, der 472 mit dem Tod beider endete.
Die Herrschaft des (mit Hunerich verschwägerten) Olybrius als weströmischer Kaiser dauerte kaum mehr als ein halbes Jahr. 476 schließlich setzte der germanische Söldnerführer Odoaker, der Herkunft nach ein Skire, den letzten dieser Kaiser, Romulus Augustulus, ab und errichtete eine Militärherrschaft in Italien. Es gelang ihm, gegen Abtretung der Kontrolle über Sizilien zu einem Einvernehmen mit Geiserich zu gelangen, der kurz danach starb; 474 war es zwischen diesem und Byzanz zum Frieden gekommen.
Veränderungen in Gallien
In Gallien hatte sich inzwischen die Lage entscheidend zuungunsten Roms gändert. Dort dehnte sich seit 476 das westgotische Reich bis zu den Ligurischen Alpen und zur Loire aus, mit Arles und Marseille in gotischer Hand. Eurich konnte auch Spanien bis auf das swebische Gebiet vollständig besetzen und überdies sein Reich innerlich festigen, wobei er sich nicht zuletzt römischer Ratgeber bediente. Im Norden vermochte bald danach Chlodwig (482-511), Sohn des Childerich, als fränkischer Teilkönig durch Beseitigung anderer Amtskollegen eine Einheit zu schaffen und sich nach Süden auszudehnen. Die letzte römische Enklave in Gallien, das Reich des Syagrius, der im Namen Roms, aber faktisch selbstständig regierte (rex Romanorum), wurde 486/487 schnell überrannt, Syagrius nach der Flucht von den Westgoten an Chlodwig ausgeliefert und hingerichtet. Ein Sieg über die Alamannen wohl 496 bei Zülpich und 507 über Alarich II., den Sohn Eurichs, brachte Chlodwig fast bis an die Pyrenäen. Seine Taufe zum katholischen Christen bald nach 496 hatte politische Folgen und eröffnete ihm eine Verbindung zu Ostrom, das ihm 508 das Ehrenkonsulat verlieh. Ein enges Verhältnis zu den ebenfalls katholischen Burgundern bedeutete eine weitere Stärkung.
Zwar starb Chlodwig bereits 511, doch setzten seine Söhne nach der Reichsteilung trotz vielfacher Rivalitäten untereinander konsequent seine Politik fort. Sie unterwarfen 534 das Burgunderreich; Heiratsverbindungen und Erbstreitigkeiten führten nach zwei Kriegen 529 und 531 zur Angliederung auch des Thüringerreiches, und ein Vertrag mit den Ostgoten 536 brachte die Franken in den Besitz des Gebietes zwischen Alpen und Donau. Das war längst keine Landnahme und auch kein Suchen nach Plätzen mehr, um zu überleben, wie dies die früheren Zeiten der Völkerwanderung kennzeichnete, sondern territoriale Expansion, verbunden bereits mit systematischer Aufgliederung des Gewonnenen in untergeordnete Verwaltungsbezirke und Herzogtümer. Mit dem Imperium Romanum hat dies nichts mehr zu tun, auch wenn man das Verhältnis zu diesem nach wie vor als wichtig ansah. Das Frankenreich als Ganzes, nunmehr vom Atlantik bis nach Mitteldeutschland, an den Böhmerwald und an die pannonische Grenze reichend, war freilich durch Zusammenstöße mit Awaren und Slawen an seiner Ostgrenze noch einmal mit den Ausläufern der Völkerwanderung konfrontiert. Seine weitere Geschichte in dieser Zeit indes gehört dem Mittelalter an.
Odoaker und Theoderich
Odoaker deutete seine Herrschaft in Italien als ein Provisorium. Wie alle germanischen Heerführer hielt er von der Übernahme einer Kaiserrolle nichts und übersandte die kaiserlichen Insignien nach Byzanz. Unter welchem Titel er regierte, ist unklar, seine Anhänger hatten ihn noch vor der Bestätigung durch den Kaiser zum König (rex) erhoben und damit die Voraussetzung einer Legalisierung des Aktes geschaffen. Es wäre möglich, dass er sich nach Anfragen in Byzanz die römischen Amtstitel eines magister militum und eines patricius selbst zulegte. Ganz offenkundig aber verstand sich Odoaker als der Platzhalter des Kaisers, sorgte für die angemessene Entlohnung seiner Truppen, eines Konglomerats aus verschiedenen Stämmen, und deren Ansiedlung. Die politischen Institutionen des Westreiches blieben bestehen, mit Römern besetzt. Die von Odoaker ernannten Konsuln wurden im Osten anerkannt. Auch sein Verhältnis zu Senat, Papst und Kirche war gut, ein Steuernachlass 476 wird ihm beim Volk Sympathie eingetragen haben. Auf eine eigene Münzprägung verzichtete er. Seine Beziehungen zu den anderen germanischen Staaten waren leidlich.
Zum Bruch mit Byzanz indes kam es, als Odoaker dynastische Streitigkeiten im Rugierreich zum Vorwand nahm, dieses zu zerstören, wobei König und Königin getötet wurden. Die romanisierte Bevölkerung Noricums und des östlichen Rätien nahe der Donau ließ Odoaker evakuieren (487) . Dort hatte wohl nach Abzug der Goten der heilige Severin, offensichtlich ein Emissär aus Byzanz (†482), durch sein Wirken das Selbstbewusstsein der Bevölkerung gestärkt, Verteidigungsmöglichkeiten geschaffen und durch das Ausweiten seiner Tätigkeit bis tief nach Binnennoricum hinein die Infrastruktur ausgebaut, karitative Institutionen ins Leben gerufen und Klöster gegründet. Seine Autorität wurde von den rugischen Königen anerkannt, und auch auf die zwischen Alpen und Donau operierenden Alamannen übte er einen mäßigenden Einfluss aus. Odoaker hatte ihn beim Übertritt in den römischen Dienst aufgesucht.
Byzanz war zu einem militärischen Gegenschlag nicht in der Lage. Doch bereits Ende der Sechzigerjahre hatten die Ostgoten, durch Kämpfe mit den germanischen Nachbarn und den Abzug einer Gruppe nach Italien (wohl 467) dezimiert, Pannonien aufgegeben, um in Thrakien, Makedonien und selbst in Thessalien neue Wohnsitze zu suchen. Unter Führung ihres Königs Theoderich (ab 471), ehemals Geisel in Konstantinopel, hatten sie Auseinandersetzungen mit den anderen gotischen Gruppen im kaiserlichen Dienst zu bestehen. Theoderich, bei ständigem Wechsel seiner Stellung für oder gegen den Kaiser, wurde nacheinander zum patricius (476), magister militum (483) und Konsul (484) erhoben, doch es blieb nicht zu übersehen, dass Konflikte nicht zur Ruhe kamen und die Anwesenheit seines Volkes als Belastung empfunden wurde.
So ergriff Kaiser Zenon gern die Gelegenheit, Theoderich den Zug nach Italien nahe zu legen, wo er Odoaker ablösen und in einem nunmehr von vornherein geklärten, verbesserten Verhältnis zu Ostrom dessen Herrschaft übernehmen sollte. Der Plan wurde während des Rugierkrieges gefasst, in Bewegung setzte sich die Masse des Volkes 488, zweifellos wieder aus einer Vielfalt von Teilnehmern nicht ausschließlich germanischer Herkunft bestehend. Einen Teil machten, mit begrenzter Eigenständigkeit, geflohene Rugier aus. Über die Stärke gibt es nur Vermutungen, über eine Gesamtzahl von höchstens 100.000 bis 150.000 Menschen wird man nicht hinausgehen können, was eine Streitkraft von 30.000 bis 40.000 Kriegern ausmacht. Der Zug wurde auf seinem Weg durch die Gepiden belästigt, mit denen die Ostgoten seit 454 offenkundig nie mehr zu einem guten Verhältnis gelangt waren und die wohl bereits um diese Zeit das Gebiet um Sirmium (heute Sremska Mitrovica in Serbien) beanspruchten.
Die Eroberung Italiens selbst dauerte von 489 bis 493. Die Kämpfe waren wechselhaft, es scheint indes, dass Theoderich, wohl mit byzantinischer Hilfe, den Senat für sich gewann. Senatsgesandtschaften nach Ostrom in den Jahren 490, 493 und 497 unterstützten seine Absichten. Der in Ravenna belagerte Odoaker hatte seinen Sohn Thela zum Caesar erhoben, was die Usurpierung einer kaiserlichen Würde für ihn selbst bedeutete. Nach Abschluss eines Vertrages, wonach Odoaker und Theoderich gemeinsam von Ravenna aus die Samtherrschaft über Italien ausüben sollten, zog Letzterer in Ravenna ein und ermordete Odoaker (493) . Als Grund für die Tat galt die Blutrache für das mit dem Ostgoten verwandte rugische Königshaus. Dass Theoderich, wie überliefert, auch alle Anhänger Odoakers, das heißt das ganze Heer, töten ließ, ist indes undenkbar.
Die Stellung Theoderichs und seiner Goten
Noch im Jahr 493, unmittelbar nach Beendigung der Kämpfe, rief das Heer Theoderich zum König aus. Die endgültige Bestätigung durch den Kaiser blieb freilich aus, was sich aus dem Herrscherwechsel in Byzanz 491 und wohl auch aus dem Misstrauen des neuen Kaisers, Anastasios (491-517), erklärt. Erst 497 erhielt Theoderich die Abzeichen seines Ranges, den Purpurmantel und wohl auch das Diadem. Klar waren auch jetzt weder seine Stellung noch die weiteren Zukunftserwartungen. Einerseits, als rex, war er König eines germanischen Volkes, anderseits gehörte er bereits zur höchsten Führungsschicht des Imperiums. Seine Insignien waren die eines Herrschers, ranggleich fast dem Kaiser, doch übte er die Funktionen von dessen Stellvertreter aus, erließ nur Edikte, nicht Gesetze, wenngleich für Goten wie Italiener gleichermaßen. Dass selbst aus offiziellen Schreiben keine klare Umschreibung von Subalternität oder Abhängigkeit zu gewinnen ist, besagt nichts. Germanische Könige im römischen Dienst hatte es zwar schon häufig gegeben, doch: Eine Stellung, wie Theoderich sie innehatte, war neu. Aus römischer Sicht war sie indes als Kompromiss die beste aller Lösungen des Problems der Völkerwanderung und der Zerstörung des Imperiums durch neue, in ihrem Wesen barbarische Reiche. Sie setzte jedoch Harmonie zwischen Ravenna und Konstantinopel und ein Andauern der Interessengemeinschaft voraus.
Bildeten die Zuwanderer demnach eine permanente Sicherung des Landes mit militärischer Organisation und jährlichen Zuwendungen des Königs, so blieb für die ursprünglichen Einwohner die regionale wie zentrale Verwaltung unangetastet, wenngleich durch den König kontrolliert. Gleiches galt für den Senat. Direkte Verbindungen zwischen solchen Institutionen und Byzanz wurden vermieden, waren auf dem Wege über persönliche Beziehungen aber sicherlich möglich, gleiches wird für die kirchlichen gegolten haben. Die Frage des Hochverrats stellte sich von hier aus nur in Krisenzeiten. Wichtiger war, dass Theoderich sofort begann, durch dynastische Beziehungen die germanischen Reiche im Westen an sich selbst und damit wieder an das Imperium zu binden. Die Verheiratung von Töchtern an den Westgoten Alarich II. und den Burgunder Sigismund bald nach der Herrschaftsübernahme, der Schwester Amalafrida an den Wandalen Thrasamund (um 500) und der Nichte Amalaberga an den Thüringerkönig Herminafried (um 510, dazu kam die Adoption des Herulerkönigs Rodulf) folgte der eigenen Heirat mit Autofleda, einer Schwester Chlodwigs (bereits 493). Verträge in Zusammenhang damit sind nicht bekannt, doch konnten die familiären Bindungen einen wirkungsvollen Ersatz für ein rechtlich fundiertes Bündnis gelten. Diese Erwartung freilich trog.
Chlodwigs Expansion nach Süden zwang Thoderich 508 zu militärischem Eingreifen, um die Verbindung nach Spanien zu sichern, wo er überdies auch den Bestand des Reiches zu gewährleisten hatte, und unter Hilderich (523-530), dem Sohn Hunerichs und der Eudocia, kam es zum gewaltsamen Abbruch der Beziehungen zu den Wandalen. Gescheitert ist diese Politik danach auch in den andern Reichen. Zunächst hatte Theoderich jedoch Erfolg: Er stabilisierte die Stellung des Gotenreiches in Italien schnell und hatte, obwohl Arianer, ein gutes Verhältnis zur Kirche. Sein Eingreifen in eine langanhaltende Krise um die Papstwahl des Symmachus (496-514) wurde allgemein anerkannt. Sein Verhältnis zu Byzanz erscheint als korrekt, das ostgotische Eingreifen gegen die Gepiden, die das zum Interessengebiet gehörende Sirmium eroberten, führte 504 zwar zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem Kaiser, die bis 510 anhielten und Rückschläge für Theoderichs Germanenpolitik brachten, doch ein Konflikt auf Dauer war dies nicht.
Die Ansiedlung des Volkes machte kaum Schwierigkeiten. Angesichts seiner Verteidigungsaufgabe konzentrierte man es in Gegenden nahe der wirklich gefährdeten Stellen, unweit der gallischen Grenze und um Ravenna. Südlich Roms gab es offensichtlich keine gotischen Ansiedlungen. Garnisonen waren allerdings überall, auch außerhalb Italiens möglich. Land stand wohl zur Verfügung, eine Entschädigung ehemaliger Besitzer war zweifellos möglich, das Steueraufkommen der italischen Präfektur (einschließlich des nördlichen Illyricum) stand Theoderich zur Verfügung. Im Übrigen blieb in der Ämterbesetzung die Trennung zwischen Goten und Römern aufrechterhalten; darüber hinaus lässt ein Heiratsverbot vermuten, dass man auf eine Integration bewusst verzichtete. Neben den römischen Ämtern stand eine gotische Ämterhierarchie mit Kompetenzen für den militärischen wie den zivilen Bereich, auch die Zusammenarbeit bei Streitigkeiten zwischen beiden Bevölkerungsgruppen war geregelt.
Das Ende des Ostgotenreichs
Die neue Dynastie in Byzanz (ab 517) scheint freilich von anderen Erwägungen ausgegangen zu sein. Hatte sich das Ostgotenreich als außerstande erwiesen, die westliche Imperiumshälfte zu ordnen oder gar dem Imperium wieder anzugliedern, so zeichnete sich nun als neues Ziel die gewaltsame Wiedergewinnung der verlorenen Gebiete ab. Glaubensfragen kamen dazu, die das Schicksal der arianischen Kirche betrafen. Neuen Spannungen zwischen Ravenna und stadtrömischem Adel fielen zwei der bedeutendsten Vertreter der römischen Senatsaristokratie, Boethius und Symmachus, zum Opfer, die der Konspiration mit Ostrom bezichtigt und hingerichtet wurden.
Doch nach dem Tod Theoderichs, 526, wurde erstmals auch eine nationalgotische Opposition sichtbar, die um der Erhaltung gotischer Selbständigkeit willen zur Konfrontation mit Byzanz bereit war. Dies umso mehr, als die Nachfolgefrage ungeklärt war. Theoderichs Tochter Amalasuntha, Vormund für den minderjährigen Athalarich, geeriet in immer größere Schwierigkeiten und beabsichtigte zeitweise die Flucht zum Kaiser. Doch führte - ein Akt von persönlicher Rache - nach dem Tod des Sohnes 534 die Mitregentschaft ihres Vetters Theodahad zur Verhaftung und Tötung der Königin durch Goten und als weiterer Folge davon zum Eingreifen des Kaisers, der nunmehr (seit 527) Justinian hieß. Byzanz war es bereits 534 ohne große Mühe gelungen, das Wandalenreich wieder zu unterwerfen. Die Kapitulation des letzten Königs, Gelimer, hatte zur Neueinrichtung einer Präfektur geführt, der physisch geschwächte wandalische Bevölkerungsteil verschwand schnell oder löste sich in der byzantinischen bzw. einheimischen Bevölkerung auf.
Nach ergebnislosen Verhandlungen kam es 535 in Italien zur Besetzung Siziliens und Neapels durch byzantinische Truppen, doch auch zur Ermordung Theodahads und nunmehr eines energischen Widerstandes von seiten der Goten unter Witigis. Hatte Justinian offensichtlich mit einer mühelosen Einnahme Italiens gerechnet, so zogen sich die Kämpfe auf der ganzen Halbinsel wider Erwarten über zwei Jahrzehnte hin. Die Stärke der byzantinischen Armee unter Belisar erlaubte keine umfassenden Aktionen, doch kam es zur Besetzung Roms und einer mehr als einjährigen Belagerung durch die Goten. Vor der gotischen Kapitulation 540 hatte Witigis 536 den Franken für ein Hilfsversprechen die Gebiete nördlich der Alpen abgetreten (536), ein fränkischer Angrifff 538 nach Italien freilich richtete sich gegen beide Seiten.
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Justinian, Mosaik in S. Vitale in Ravenna, 548
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In diese Zeit fielen auch die Angliederung Burgunds und des Thüringerreiches an das Fränkische Reich, und 541 stießen zwei der Nachfogler Chlodwigs bis tief nach Spanien vor. Byzanz war zu Gegenmaßnahmen nicht in der Lage. Doch nach 540 entstand in den offensichtlich von der Kapitulation ausgenommenen gotischen Ansiedlungen nördlich des Po ein neues Widerstandszentrum. Unter Totila als neu gewähltem König zogen die Goten über den Po nach Süden Die Invasion überrollte die schwachen Garnisonen und fand angesichts der rigoros von Byzanz eingetriebenen Steuern auch bei Italienern Zustimmung. Der Krieg, der sich über dreizehn Jahre hinzog, wurde zwangsläufig mit geringen Kräften geführt und bestand in handstreichartigen Überfällen und Überraschungserfolgen. Die byzantinischen Truppen mit Barbaren verschiedener Herkunft, erwiesen sich als unzuverlässig, die Feldherren als außerstande zu wirklichen Aktionen. Es kam zur vorübergehenden Einnahme Süditaliens, ja selbst Siziliens (550), Sardiniens und Korsikas (551) durch die Goten; Rom wechselt mehrfach den Besitzer. Auch dem aus dem Osten zurückgekehrten Belisar war kein Erfolg beschieden.
Die allgemeine Verhärtung des Krieges führte zur Verwüstung und Entvölkerung des Landes wie der Städte, auch Roms. Totila scheint, um Anhänger zu gewinnen, eine umfassende Sklavenbefreiung und die Förderung der unteren Schichten versucht zu haben. Die Geiselhaft und Tötung einer großen Zahl römischer Senatoren gehört in diesen Zusammenhang. Bündnisangebote an Byzanz indes fanden kein Gehör, Hilfsverträge mit den Franken (546) brachten die endgültige fränkische Besetzung Oberitaliens bis Venetien, ohne dass die Goten wirksame Hilfe erhielten. Auch an der Donau drangen die Franken - nach Überwältigung von Thüringern und Herulern - bis an die byzantinischen Interessengrenzen vor und umschrieben dem Kaiser deutlich ihren Machtanspruch.
Doch um die gleiche Zeit (552) versuchte Justinian auch die Rückeroberung Spaniens. Sein Eingreifen dort in Thronstreitigkeiten führte zur Besetzung des südöstlichen Teils der Halbinsel um Cartagena und Malaga unter Führung des hochbetagten Liberius, nach Theoderichs Tod im Dienst des Kaisers mehrfach bewährt. Die byzantinische Enklave dort hielt sich mehrere Jahrzehnte, an der Nordspitze Afrikas blieb gegenüber Gibraltar eine byzantinische Station bis zur arabischen Eroberung 711 bestehen. Trotz großer Beanspruchung an vielen Fronten vermochte Byzanz ab 550 noch einmal eine Armee aus Langobarden, Herulern, Gepiden, dazu Persern und selbst Hunnen zu mobilisieren und auf dem Landweg durch Dalmatien und Venetien, an den Franken vorbei, nach Italien zu bringen. Geführt wurde sie von Narses, einem armenischen Eunuchen und kaiserlichen Hofbeamten. Den Goten zahlenmäßig überlegen, zwang sie Totila bei Tadinae (zwischen Ancona und Rom) im Sommer 552 zur Entscheidungsschlacht. Totila fiel, die Goten wichen unter Teja, einem Verwandten Totilas, nach Süden aus, wurden aber am Mons Lactarius, südlich des Vesuvmassivs, zusammengedrängt. Im Kampf Mann gegen Mann fiel auch Teja, der letzte ostgotische König (553). Doch nahm Narses die Unterwerfung des gotischen Restes an, der in seine Heimat nach Oberitalien zurückkehrte.
Derweil stießen riesige fränkische bzw. alemannische Heerhaufen, unklar ob in königlichem Auftrag oder als Banden, bis nach Süditalien vor und konnten, dezimiert durch Seuchen, erst nach zwei Jahren vernichtet werden. Der gotische Kommandant von Cumae, wo der Staatsschatz lagerte, erhielt im byzantinischen Dienst sofort ein entsprechendes Kommando. An den Plünderzügen nahmen teilweise auch bereits zurückgekehrte Goten teil. Bei einem späteren Aufstand nochmals vermindert (562), verschwand der gotische Bevölkerungsteil aus der Geschichte. Bereits 540 war, wie auch der Großteil der Wandalen, die Masse der Wehrfähigen an die persische Front geschickt worden und damit für Italien verloren. Die Familien, soweit sie nicht in den Osten folgten, gingen in der italischen Bevölkerung auf; für Afrika wird die Verheiratung von Wandalinnen besonders mit byzantinischen Soldaten eigens hervorgehoben.
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