Novaesium, alias Neuss

Caracalla-Thermen. Luftbild
© Digitale Bibliothek Band 18: Lexikon der Antike

Rom. Luftaufnahme der Caracalla-Thermen, 206-217 n. Chr.
 


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Grundriß der Caracalla-Thermen in Rom. 1 Caldarium, 2 Tepidarium, 3 Mittelsaal des Frigidariums, 4 Natatio, 5 Apodyterium, 6 Basilika
Thermen, (griech. thérme »Wärme«, dann auch »warme Quelle, Warmbad«; lat. thermae). Aus dem antiken Griechenland sind nur kleine Badeanlagen bekannt, meist einem Gymnasion oder einer Palästra angeschlossen (Bäder in Olympia aus dem 5./4. Jh. v.Chr., heizbar, mit Sitzwannen, offenem Becken und Schwitzbad). Seit dem 2./1. Jh. v.Chr. wandten die Griechen die Fußbodenheizung an, die eine Voraussetzung für die Entwicklung der römischen Thermen bildete.

Die Römer bauten bereits seit dem 3./2. Jh. v.Chr. Bäder (balnea) als Bestandteil privater Villen (z.B. in der Villa des Scipio Africanus bei Literno, Seneca, Epist. 86,4-11; Pompeji, Mysterienvilla), wobei zunächst natürliche Warmwasserquellen genutzt wurden, oder als öffentliche Einrichtungen (sog. Stabianertthermen in Pompeji, Mitte 2. Jh. v.Chr.). In der römischen Kaiserzeit bildeten öffentliche Thermenanlagen ein typisches Architekturensemble jeder römischen Siedlung sowohl in Italien als auch in den Provinzen; sie fehlten bei keiner größeren Villa (zur Villa des Hadrian in Tivoli gehörten 2 Thermen).

Die Grundbestandteile der Thermen waren von römischen Badegewohnheiten abhängig und unterlagen daher keinen wesentlichen Änderungen (zur architektonischen Anlage vgl. Vitruv, De architectura V 10; zu den Badegewohnheiten v.a. Galenus, De methodo medendi XI 10). Ihre Benutzung begann im Apodyterium (Auskleideraum), das in Form und Lage sehr unterschiedlich war und bei kleineren Anlagen fehlen konnte. Von dort ging man ins Tepidarium (Übergangsraum), das mäßig warm war und für das sich gleichfalls keine bestimmte Raumform herausgebildet hat. Das Caldarium (Warmbad) ragte meist als apsidialer Raum nach Süden (seit 2. Jh. n.Chr. nach Südwesten, Trajansthermen, Rom) aus dem Gesamtkomplex hervor, um die Sonnenwärme zu nutzen. Hier standen im allgemeinen 3 Wannen mit heißem Wasser; der Raum war mit Dampf erfüllt. Nach dem Schwitzen im Caldarium kühlte man sich im Frigidarium (Kaltbad) ab. Dieses war rechteckig, an den Schmalseiten befanden sich gemauerte Wannen mit kaltem Wasser. Der römische Arzt Galenus (2. Jh. n. Chr.) sah danach noch ein Schwitzbad im Laconium (Heißluftraum) vor und empfahl als Abschluß die Salbung des ganzen Körpers. Neben den genannten Räumen, die auch in anderer Reihenfolge benutzt werden konnten, gehörten zu römischen Thermen ein offenes Schwimmbecken (natatio), die Palaestra (als Stätte sportlicher Übungen), verschiedene Nebenräume mit Badewannen und Wasserbecken, Aborte (latrinae), die oft außerhalb lagen, und etliche Räume nicht eindeutiger Zweckbestimmung.

Die wichtigsten technischen Einrichtungen der Thermen waren die Heizungsanlagen und die Wasserversorgung. Wasser erhielten die Thermen entweder durch natürliche Wasserläufe oder durch Aquädukte. Es wurde in großen Reservoiren (castellum) gesammelt. Große Thermen hatten z.T. eigene Kläranlagen (z.B. die Caracallathermen in Rom). Erwärmt wurde das Wasser in 3 Stufen, denen je ein Kessel mit kaltem, vorgewärmtem und heißem Wasser entsprach, von wo aus es in die Wannen und Becken geleitet wurde. Ursprünglich erfolgte die Beheizung durch Feuerbecken in den Räumen (Becken aus dem Tepidarium der Forumsthermen in Pompeji). Seit 1. Jh. n.Chr. wandte man die Hypokaustenheizung an: Von einem zentralen Feuerungsraum (praefurnium) wurde heiße Luft unter dem Fußboden, der auf einem Gitter von 50-90 cm hohen Stützen (meist aus gut gebrannten Ziegeln) ruhte, durch die Räume hindurchgeleitet. In der Kaiserzeit wurden nach dem gleichen Prinzip Hohlräume in den Wänden geschaffen, so daß der Raum von allen Seiten indirekt erwärmt wurde. Daneben benutzte man zur direkten Beheizung durch Deckel verschließbare Tonröhren, die die Warmluft unmittelbar in den Raum abgaben (Plinius, Epist. II 17,23).

Typen: Nach Anzahl und Anordnung der Räume unterscheidet man 8 Typen von Thermen, von denen der einfachste der Reihentyp ist (Apodyterium - Frigidarium - Tepidarium - Caldarium und auf demselben Weg zurück; z.B. die Forumsthermen in Pompeji, 1. Jh. v.Chr.). Etwas erweitert war der sog. Ringtyp (z.B. die Süd-Thremen in Timgad, 2. Jh. n.Chr.). Diese einfachsten Grundtypen konnten verdoppelt bzw. verschiedenartig miteinander kombiniert werden, so daß symmetrische oder auch asymmetrische Baukomplexe entstanden. Die aufwendigsten Thermen sind der sog. Kleine und Große Kaisertyp. Die NO–SW verlaufende Hauptachse des Kleinen Kaisertyps bilden Frigidarium, Tepidarium, Caldarium (z.B. die sog. Kaiserthermen in Trier, 3./4. Jh. v.Chr.), denen beim Großen Kaisertyp noch die Natatio vorgelagert ist (Thermen der Kaiser Nero, Trajan, Caracalla, Diocletian in Rom). Alle übrigen Räume sind axialsymmetrisch angeordnet.

Entwicklung: Die frühesten römischen Thermen (Stabianerthermen in Pompeji, 2. Jh. v.Chr.) weisen mit asymmetrischer Anlage und relativ großer Palästra noch baugeschichtliche Verbindungen zu den griechisch-hellenistischen Gymnasien auf. Agrippa eröffnete 25 v.Chr. nahe dem Marsfeld die ersten öffentlichen Bäder in Rom, die in Zusammenhang standen mit einem Pantheon und einem Poseidontempel.
In den von Kaiser Nero 62 n. Chr. eingeweihten Thermen erscheint zum ersten Mal die Verschmelzung römischer Badesitten mit griechischen Traditionen der Leibesübungen auch in der baulichen Gestaltung. Die Nerothermen wurden in ihrer architektonischen Lösung Vorbild für alle späteren Kaiserthermen, deren größte die Diocletiansthermen mit einer Fläche von 13 ha und die Caracallathermen (s. Abb.; beide Anlagen 3. Jh. n.Chr.) mit 11 ha waren.
Auch in allen römischen Provinzen gehörten Thermen zum festen Bestandteil militärischer und ziviler Siedlungen. Sie orientierten sich an den großen Vorbildern in Rom, weisen aber je nach Größe, Wohlstand und ethnischer Zusammensetzung der Bevölkerung erhebliche Unterschiede auf.

Die öffentlichen römischen Thermen waren staatliche oder privat gestiftete Anlagen, die von einem voll verantwortlichen Pächter verwaltet wurden. Sie waren für alle Bewohner (auch Sklaven) gegen ein geringes Eintrittsgeld zugänglich. Damit trug der römische Staat den hygienischen Grundbedingungen für das Leben in dicht besiedelten Städten Rechnung. Häufig wurden den Benutzern der Thermen das Eintrittsgeld auf Grund der Stiftung eines reichen Privatmannes oder Beamten erlassen, die sich damit die Gunst des Volkes sichern wollten. Meist war die Benutzung für Männer und Frauen zeitlich oder räumlich (evtl. in Doppelanlagen; die Trajansthermen waren den Frauen vorbehalten) getrennt; es gab auch das gemischte Baden, was häufiges Einschreiten der Behörden veranlaßte. Besonders die Kaiserthermen entwickelten sich über die primäre Bestimmung hinaus zu Zentren des öffentlichen kulturellen und geselligen Lebens, indem sie neben den eigentlichen Baderäumen auch Versammlungsräume, Gaststätten, Bibliotheken, Sportanlagen, Läden, Parkanlagen, Kultstätten u.ä. umfaßten (gut nachweisbar an den Caracallathermen). Damit brachten die Thermen ihrem Stifter Popularität und dienten durch aufwendige und prunkvolle, auch plastische Ausschmückung der Repräsentation und Erhöhung seines Prestiges. Die Bedeutung der römischen Thermen für die Architektur liegt v.a. in der Schaffung großer, repräsentativer Baukomplexe und deren technischer Ausstattung. Als solche beeinflußten sie mittelbar und unmittelbar die Baukunst der italienischen Renaissance sowie des deutschen Klassizismus (»Römische Bäder« in Potsdam-Sanssouci).

Quelle: Lexikon der Kunst, Bd. 7 (München 1996) 289 f.

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