Neuss-Grevenbroicher Zeitung, 23. Februar 2009
High-Tech-Waffe der Antike
Nach antiken Bauplänen rekonstruiert der Korschenbroicher Schreiner ein 2000 Jahre altes römisches Pfeilgeschütz. Mitte März will er die Schleuder ausprobieren.
Sascha Wichmann
In ihrer Verzweiflung stürmten die Gallier aus ihrer belagerten Stadt Avaricum, doch Mann auf Mann wurde von den erbarmungslos heran fliegenden Pfeilen getroffen. Die Römern unter der Führung eines gewissen Gaius Julius Caesar hatten die Pfeile auf die Gallier abgeschossen.
Das Geschütz, von dem uns der römische Feldherr, Augenzeuge und Verfasser des „Gallischen Krieges“ berichtet, gilt vielen modernen Wissenschaftlern als High-Tech-Waffe des Altertums – in manchen Publikationen wird der Skorpion sogar als „Maschinengewehr der Antike“ bezeichnet. Makaber – doch nicht zuletzt Erfindungen wie dieser verdankte Rom seinen raschen Aufstieg zur Weltmacht. In Zusammenarbeit mit dem Korschenbroicher Holzspezialisten und Experten für historisches Baumaterial, Günter Thoren, entwarf Alexander Schneider von der Römerkohorte Niederrhein jetzt die Baupläne für eine originalgetreue Rekonstruktion des antiken Torsionsgeschützes, dem römischen scorpio.
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Der Korschenbroicher Spezialist Günter Thoren hat gemeinsam mit Alexander Schneider die Basis für das historische Kriegsgerät bereits fertiggestellt. Wenn das Gerät montiert ist, soll es in Korschenbroich ausprobiert werden. |
In einigen Wochen wollen die Geschichtsbegeisterten das Ergebnis ihrer Arbeit auf seine Funktionalität testen – einen geeigneten Platz suchen sie noch. „Wir wissen nicht genau, wie weit wir mit dem Geschütz schießen können. Das wird auch für uns eine Überraschung“, sagt Alexander Schneider, erster Verantwortlicher der „Interessengemeinschaft Legio XV Primigenia“. Deren Mitglieder interessieren sich vor allem für die regionale und geschichtliche Entwicklung und den Einfluss der römischen Armee im 1. Jahrhundert nach Christus auf das Rheinland. Durch praktische Projekte versuchen sie auf experimentellem Weg archäologische Funde mit literarischen Überlieferungen in Deckung zu bringen. „Dabei legen wir größten Wert auf eine möglichst originalgetreue Rekonstruktion“, sagt Schneider, der in Günter Thoren den geeigneten Partner bei der Umsetzung des Geschütznachbaus fand: „Herr Thoren war sofort Feuer und Flamme. Wir brachten ihm zunächst ein kleineres Modell in seine Schreinerei in Korschenbroich und führten ihm damit das Prinzip des Pfeilgeschützes vor.“
Für Günter Thoren, der gerade erst ein ganzes Torhaus Balken für Balken in Korschenbroich demontierte, um es schließlich im Krefelder Zoo wieder aufzubauen (die NGZ berichtete), war der Skorpion eine willkommene Herausforderung: „Meine Mitarbeiter haben volle zwei Wochen an der Holzkonstruktion gearbeitet. Jetzt fehlen nur noch die Metallbeschläge“, berichtet Günter Thoren über die fast abgeschlossenen Arbeiten an der antiken Kanone. „Die nachgebildeten Metallbeschläge orientieren sich an einem Fund von Ampurias in Spanien. Bei der Holzkonstruktion haben wir nicht mit Schrauben gearbeitet, sondern die Einzelteile mit Eichendübeln verzapft oder geleimt“, kommentiert Alexander Schneider die Authentizität der Bestandteile. Sobald die Montage des Geschützes abgeschlossen ist, wollen die Experimentalarchäologen ihr Werk in Korschenbroich testen. |