NGZ-Online, 23. Oktober 2008
Ein Bad für Zehntausend
Römer prägten den "Historischen Abend" der Heimatfreunde
Sascha Wichmann
Sein tragisches Ende und der Verlust von gleich drei ihm unterstellten Legionen machten den römischen Statthalter Varus weltberühmt. 2009 jährt sich sein unrühmliches Ende auf dem Schlachtfeld des Teutoburger Waldes zum 2000. Mal. Dienstagabend standen Varus und seine Zeitgenossen nun im Mittelpunkt des Historischen Abends, den die Vereinigung der Neusser Heimatfreunde aufgrund des enormen Publikumandranges erneut in das Sparkassenforum verlagert hatten.
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Heimatfreunde-Vorsitzender Ernst Freistühler (3.v.l.) hatte mit Martin Stitz, Sabine Sauer, Dr. Carl Pause, Dr. Helmut Gilliam und Heinz Birkenheuer (v.l.) Fachleute zum Historischen Abend eingeladen, die im S-Forum der Sparkasse an die Zeit der Römer erinnerten. |
In vier Vorträgen beleuchteten Archäologen und Historiker die Anfänge der Qurinusstadt. Dr. Helmut Gilliam vollbrachte eine Meisterleistung: In nur dreißig Minuten referierte der Geschichtsexperte über rund 150 Jahre römischer Herrschaft am Niederrhein - und veranschaulichte zugleich das stets von Unruhen, germanischen Überfällen und römischen Strafexpeditionen gekennzeichnete Leben entlang des "nassen Limes". Doch trotz vielfacher Katastrophen seien die essentielle Strukturierung der Gesellschaft, ihre Rechtsformen und zahlreiche technische Errungenschaften ein bis heute geltendes, römisches Vermächtnis.
So stand denn auch die Technik im Vordergrund des Vortrags zur bereits im 18. Jahrhundert verlorenen römischen Steinbrücke über die Erft, den Dr. Carl Pause (Clemens-Sels-Museum) in Zusammenarbeit mit Vermessungsingenieur Martin Stitz ausgearbeitet hatte.
Heinz Birkenheuer wiederum richtete in seinem ausführlichen Vortrag den Fokus auf die Thermenanlage des Neusser Legionslagers: "Die Anlage, die wir leider nur aus den Grabungsdokumentationen des Ausgräbers Konstantin Coenen kennen, war etwa drei mal so groß wie das Quirinus-Münster", erklärte Birkenheuer den etwa 350 anwesenden Gästen. Überraschend ist diese Größe für den Ehrenamtler jedoch nicht, denn "immerhin lebten in dem befestigten Castrum Novaesium fast 10.000 Menschen", so der Referent, der den Schwerpunkt auf die technisch hochkomplexe Wasserversorgung der gewaltigen Anlage gelegt hatte. "Viel Komfort gab es nicht. Dafür aber eine ganze Reihe technischer Einbauten, für die das römische Imperium noch heute gelobt wird", fasste Birkenheuer seine Überlegungen zum "Bad der Zehntausend" abschließend zusammen.
Ein Bad gab es auch in der Herberge, die sich vor etwa 2000 Jahren auf dem Areal des Omnibusbahnhofes erhob: "Die Station diente sowohl Reisenden zu Lande als auch zu Wasser als Anlaufpunkt und könnte in unmittelbarer Nähe zu einem Hafen gelegen haben", so die Vermutungen von Stadtarchäologin Sabine Sauer, die wiederholt zu Gast bei den Neusser Heimatfreunden war und mit einem Augenzwinkern anmerkte, dass vom einstigen römischen Hafen vielleicht etwas zu finden sei, "wenn vor der Cretschmarhalle das neue Kopfgebäude gebaut wird."
Für die im kommenden Jahr anstehende und heftig diskutierte Gestaltung des ehemaligen Omnibusbahnhofes fand Heimatfreunde-Vorsitzender Ernst Freistühler am Abschluss des unterhaltsamen Abends klare Worte: "Die Erhaltung einer solch bedeutenden historischen Bausubstanz ist für uns in Neuss eine einmalige Chance." |