Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 24. August 2007

Mit Netzwerk und Bronzeschwert

Sascha Wichmann

Um 730 vor Christus beschrieb Homer in seiner „Ilias“ den Niedergang einer stolzen Stadt namens Troja. Ein ganzes Königreich fiel nach jahrzehntelangem Kampf den Schwertern der siegreichen Griechen zum Opfer. Doch wann genau sich das Drama um Troja, die schöne Helena und den sagenumwobenen König Priamos ereignet haben könnte, ist selbst heute nicht sicher.

Archäologen datieren das Ende der Stadt in die Bronzezeit. Doch auch in Mitteleuropa - fernab der stolzen Mauern Trojas - existierten schon um 1900 vor Christus hochentwickelte Kulturen. Dies zeigt die Ausstellung „Bronzestreif am Horizont“ des Clemens-Sels-Museums in der Zeit vom 7. September bis zum 28. Oktober.

Die Verschmelzung von Kupfer und Zinn zu Bronze gilt in der Wissenschaft als entscheidender Schlüssel zu einer neuen Epoche der Menschheitsgeschichte. Der neue metallene Werkstoff diente nicht nur zur Herstellung zahlreicher Gefäße, sondern auch und vor allem der charakteristischen Dolche, Schwerter und Lanzenspitzen, die heute in Museen in ganz Europa zu finden sind.

„Auffällig ist dabei, dass sich gemeinsame Grundformen an den Waffen erkennen lassen, die von Griechenland bis nach Skandinavien immer wieder nachweisbar sind“, berichtet Dr. Carl Pause, Archäologe am Clemens-Sels-Museum. Er ist der Kurator der Ausstellung, die beweisen soll, dass schon in der Bronzezeit die wesentlichen Weichen für eine erfolgreiche Entwicklung der Kulturen entlang des Niederrheins gestellt wurden.

„Mit dem Anbruch der Bronzezeit tauchen erstmalig eindeutig aristokratische Gesellschaftsstrukturen in Europa auf. Der Träger eines bronzenen Schwerts präsentiert sich der Bevölkerung eindrucksvoll als Angehöriger einer bis dahin unbekannten Oberschicht“, erklärt Pause den Wandel der Gesellschaft in dieser Frühzeit.

Reibstein
Der Hut stand Pate bei der Bezeichnung dieses im Tagebau Garzweiler gefundenen Reibsteins aus Basaltlava: Der „Napoleon“.
Foto: Clemens-Sels-Museum

Wie überall in Europa machten nun auch die Kulturen entlang des Rheins gewaltige Sprünge in ihrer Entwicklung. Davon profitierten besonders der Handel und die Landwirtschaft, die als Grundlage allen Lebens zu verstehen sind.

Wie die Landschaft am Rhein und seinen Nebenflüssen vor mehr als 4000 Jahren einmal ausgesehen hat, zeigen Pollenanalysen und Bodenproben die im Rahmen archäologischer Untersuchungen vielerorts vorgenommen werden. „Die einheimische Bevölkerung baute Hafer, Emmer, Linsen und Bohnen an. Aus Leindotter gewann man Öl. Sogar die Pferdezucht scheint in der Bronzezeit schon bekannt gewesen zu sein“, berichtet der Archäologe.

Auch dem bis dahin noch weitgehend unberührten Urwald, der sich über große Flächen Mitteleuropas erstreckte, ging es nun an den Kragen.„Die Menschen begannen damit, den Wald zu roden und legten erstmalig in der Geschichte systematisch große Nutzflächen an“, erklärt Pause.

Wie die bronze- und eisenzeitlichen Bauern gelebt und gewohnt haben, konnten Archäologen anhand zweier Gehöfte rekonstruieren, die sie bei Pulheim gefunden haben. Ein Teil der Funde, die aus den vorgefundenen Wohn- und Speicherbauten stammen, zeigt das Clemens-Sels-Museum in der am 7.September eröffneten Ausstellung.

Besonders aufschlussreich für die Archäologen ist der Fund von „Briquetage“ aus Bedburg-Kaster. Diese zu einer Tonröhre zusammen gebundenen Halbzylinder wurden mit konzentrierter Salzlösung gefüllt, die dann durch Erhitzung und Verdunstung zum Auskristallisieren gebracht wurde.

Das so hergestellte Salz wurde dann von der Nordseeküste über Handelsrouten quer durch Mitteleuropa verhandelt. „Der Niederrhein war eingebunden in ein europaweites Netzwerk des Güteraustausches, der nun nachvollziehbar gemacht wird“.

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