dpa, 5. Juni 2006
Alles geritzt: Neusser Museum zeigt Graffiti der alten Römer
Es sind Preisschilder für gekochte Spatzen, Hinweise aufs nächste Bordell und Besitzernamen auf wertvollen Tongefäßen: Ungewöhnliche Schriftzeugnisse der römischen Antike sind bis zum 30. Juli im Clemens-Sels-Museum der Stadt Neuss zu entdecken - Graffiti der alten Römer.
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Ein geritztes Zeugnis aus der römischen Antike, "Diana und Hirsch", im Clemens-Sels-Museum in Neuss |
Die rund 200 historischen Dokumente auf Metallplättchen, Tonscherben, Gefäßen, Waffen und Holztäfelchen stammen aus 40 Museen verschiedener europäischer Länder und geben einen Einblick in den Alltag der Römer vor zwei Jahrtausenden.
Anders als die Monumentalinschriften antiker Tempel oder Altäre sind die antiken Graffiti sichtbar aus dem Augenblick entstanden. Ein offenbar gut von der Legion besoldeter Quartus und sein Neusser Truppenkamerad Requius kratzen stolz ihre Namen in teures Keramikgeschirr. Die noch ungelenken Schriftzüge zeigen, dass unter den Cäsaren die Truppe die Schreib-Schule der Nation war.
Der Ex-Sklave Decimus Flavius dokumentiert auf einem Teller, dass er von seinem Herrn Ovid in die Freiheit entlassen worden ist, und Krakelbuchstaben auf einer dickleibigen Amphore weisen auf den Inhalt Sauerampfer hin.
Dachziegel aus den Werkstätten des Militärs trugen den Namen der Legion als Stempel, um ein böswilliges "Abzweigen" des Baumateriales zu vermeiden. Ein Stück Wandputz vermerkt den nächsten Markttag in der Römerstadt Aventicum, und ein klassisch gebildeter Töpfer ritzte vor dem Brand einen klasischen Vers des Vergil in den noch weichen Tonteller.
Viel profaneren Gelüsten huldigt eine flache Kuchenform mit eingeprägtem Werbetext einer römerzeitlichen Kneipe in Neuss: "Gehe in Novaesium zum Liber Pater und Silenus". Fast ohne Worte kommt das Werbeschild eines Freudenhauses aus, zu dem ein strammer Phallus die Richtung weist mit der knappen Inschrift "habui tremorem" - "ich bin wollüstig"! |