NGZ-Online, 11. Januar 2006
Das Programm des Hauses steht
Noch Exponate gesucht
Helga Bittner
Das Clemens-Sels-Museum stellt sein Jahresprogramm vor: Zwei große Ausstellungen werden von anderen Häusern nach Neuss geholt; drei kleinere mit Objekten aus eigenem Bestand und privaten Sammlungen bestritten.
Allen Irritationen über die Kündigung des gerade erst ins Amt gesetzten Direktors des Clemens-Sels-Museum, Dr. Peter Dering, zum Trotz - das Programm des Hauses steht. Und auch für das nächste Jahr wird schon geplant (muss auch geplant werden, wenn Qualität und Bedeutung stimmen sollen), obwohl nach derzeitigem Stand der Dinge die (zurzeit noch) kommissarische Leiterin des Museums, Dr. Gisela Götte, den Stab etwa Mitte 2007 an einen noch zu findenden Nachfolger übergeben wird. Doch neben den großen Eckdaten wird es auch Lücken geben, versichert Götte, mit deren Verfüllung sich der oder die Neue profilieren kann. So hatte auch Dering dieses Frühjahr die Chance, eine Ausstellung zu konzipieren, auch wenn die 2006-Planung überwiegend schon vor seiner Zeit beschlossen wurde.
Er hatte eine Schau mit Werken von Gotthard Graubner favorisiert, aber wegen der zeitlichen Unsicherheiten in der Absprache mit dem Künstler davon wieder Abstand genommen. Stattdessen kommt nun Max Klinger zum Zuge. Den graphischen Zyklen des Künstlers ist die erste neue Schau des Jahres gewidmet, die am 5. März eröffnet wird. "Zwischen Tag und Traum - Max Klinger" ist ihr Titel, und sie zeigt mit den Blättern "Amor und Psyche" und "Intermezzi" zum ersten Mal auch zwei im Bestand des Clemens-Sels-Museum befindliche Zyklen. Gekauft wurden sie noch zu Zeiten der ersten Museumschefin Dr. Irmgard Feldhaus. "Die Ausstellung wollte ich schon immer machen", schwärmt Gisela Götte, die deswegen auch betont, dass es sich bei der Schau nicht etwa um eine "Verlegenheitslösung" handelt.
Dass direkt auf die Chagall-Ausstellung wieder eine Graphik-Präsentation folgt, sieht Götte ganz pragmatisch: "Da sind unsere Besucher schon eingewöhnt." Insgesamt 100 Blatt wird die Klinger-Schau umfassen; die meisten gehören zu Zyklen, die über eine private Kölner Sammlung an das Clemens-Sels-Museum ausgeliehen werden.
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Römischer Bodenziegel mit der eingerizten Darstellung eines Lasttieres.
Foto: CSM |
"Alles geritzt" verspricht ab 28. Mai die zweite Ausstellung des Jahres, die vom Archäologen des Museums, Dr. Carl Pause, kuratiert wird und seinen Worten nach die "hochkarätigste Archäologie-Ausstellung der vergangenen 15 Jahre" ist. Sie zeigt "Schriftzeugnisse der römischen Informationsgesellschaft" und ist eine Übernahme vom Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg, dem Vindonissa-Museum in Brug (Schweiz) und der Archäologischen Staatssammlung München. Graffiti auf Hauswänden, in Ton geritzte Briefe, Verwünschungen auf "Fluchtäfelchen" gehören dazu; insgesamt werden 200 Objekte aus 50 internationalen Museen zusammen getragen und in Neuss mit regionalen Fundsachen angereichert. An der Konzeption der Schau am Obertor werden auch Neusser Lateinschüler beteiligt.
Dem Wort und der Schrift ist dann auch die Kulturnacht am 10. Juni gewidmet, und auch die darauf folgende Ausstellung beschäftigt sich mit Zeichen: "Chiffren der Erinnerung" (20. August) ist eine schwierige, "aber für spezifische Besucher eine hochinteressante" Schau, wie Götte sagt, und zeigt großformatige Arbeiten der in Neuss geborenen Künstlerin Ulrike Termeer.
Vor vier Jahren hat die heute in Kassel lebende Malerin dem Museum 22 Arbeiten geschenkt, die sich mit dem Werk des französischen Romanciers Marcel Proust befassen. Die Schenkung wird zum ersten Mal öffentlich präsentiert. Aus der stadtgeschichtlichen Abteilung des Hauses kommt die Ausstellung "200 Jahre evangelisches Leben in Neuss", die von Dr. Thomas Ludewig kuratiert wird und zurzeit vor allem noch ein Problem hat: Es gibt kaum Exponate. Ludewig sieht das allerdings ganz locker: Auch die Ausstellung über die Neusser Eisenbahngeschichte hatte anfangs dieses Manko, erzählt er, aber dann seien im Laufe der Zeit genug Objekte als private Leihgaben zusammen gekommen. Im Clemens-Sels-Museum befinden sich nur wenige Objekte evangelischer Provenienz: ein Klingelbeutel, Postkarten und Gesangbücher.
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Eugène Carrière’s Porträt des Kunstkritikers Charles Morice gehört zu den Bildern, die auch in der Bremer Kunsthalle gezeigt werden.
Foto: CSM |
Der kunstwissenschaftliche Höhepunkt des Ausstellungsjahres ist dann für Herbst/Winter vorgesehen: "Die Intimität der Gefühle - Eugène Carrière zum 100. Todestag" zeigt Gemälde, Druckgrafiken und Zeichnungen aus "einer in Deutschland einzigartigen Privatsammlung" und der Kunsthalle Bremen. Die Schau wird am 5. November von der Hansestadt übernommen und ist mit zwei Neusser Leihgaben bestückt: Carrière’s Porträt des Kunstkritikers Charles Morice und der fast wandgroßen Lithografie des französischen Symbolisten mit Stahlkochern. Eine Ausstellung, die nach Worten Göttes von internationaler Bedeutung sein wird, denn sie dürfte neben der Pariser Huldigung des Künstlers, den zu Lebzeiten auch der junge Picasso und Auguste Rodin verehrt haben, eine der größten sein. |