NGZ-Online, 21. Dezember 2005
Särge sind archäologische Schatzkisten
Ein sehr wohlhabendes Paar nebeneinander beerdigt worden
Petra Schiffer
Das Rommerskirchener Gemeindegebiet entwickelt sich zu einer Schatzkiste für Archäologen.
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Bei den Vorarbeiten der Trasse zum Bau der Umgehungsstraße B 59 n entdeckten Archäologen zwei Särge aus dem Jahr 250 nach Christus - einen Eichenholzsarg mit Bleiverkleidung und einen Steinsarkophag. Beide sind für ihre Forschungen sehr wertvoll.
Foto: H.G. Hartke |
Nachdem bereits vor einigen Monaten am Nettesheimer Weg ein fränkisches Gräberfeld entdeckt worden war, machten die Mitarbeiter des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege jetzt bei den Voruntersuchungen für den Bau der Umgehungsstraße B 59 n im Boden zwei neue spektakuläre Funde: Sie fanden zwei Särge, in denen ein sehr wohlhabendes Paar nebeneinander beerdigt worden ist. Die Experten können das Alter recht genau bestimmen: Sie glauben, dass beide Särge aus der Mitte des dritten Jahrhunderts stammen. "Ich habe während meiner gesamten Berufszeit noch nie so aufwendige Bestattungen aus dieser Zeit gesehen", sagt Archäologe Dr. Michael Gechter. Dabei ist er sicher, dass es sich nicht um Adelige handelte, die sich ein standesgemäßes Grab gegönnt haben.
"In dieser Region gab es zu diesem Zeitpunkt keinen Adel", erklärt er. "Das war ganz offensichtlich eine Bauernfamilie, die richtig viel Geld hatte - und das auch im Tod demonstrieren wollte." Der Herr des Hauses hat als seine letzte Ruhestätte nicht nur einen Sarg aus Eichenholz gewählt, das mindestens aus der Eifel oder dem Bergischen Land importiert werden musste, weil es in Rommerskirchen und Umgebung keine Eichenwälder gab. Er hat diesen Sarg auch mit einer fünf Zentimeter dicken Bleischicht verkleiden lassen - vermutlich, um den Sarg länger zu erhalten, was ihm ganz offensichtlich gelungen ist. "Zwei große Platten mussten zusammen gelötet werden", berichtet Gechter. Im Inneren des Sarkophags fanden die Archäologen einen Becher und einen Napf aus Keramik sowie eine Glasflasche. Der Steinsarg der Bauersfrau direkt nebenan schien auf den ersten Blick weniger spektakulär - das änderte sich jedoch, als die Forscher den Deckel öffneten.
Aus Gräsern und Blättern haben die Bestatter eine gepolsterte Unterlage gebildet, auf der die Asche der Verstorbenen gebettet worden ist. In diese Asche wurden Weintrauben gelegt. "Wir können mit modernen Verfahren sehr genau nachweisen, dass es sich nicht um Rosinen gehandelt hat, sondern um frische Trauben", sagt Gechter. Weil es um 250 nach Christus keinen Weinanbau am Niederrhein gab, müssen diese Trauben ebenfalls eingeführt worden sein - die nächst gelegene Weinbauregion zu dieser Zeit war das Moseltal. Die Denkmalpfleger gewinnen aus dieser Grabbeigabe nicht nur die Erkenntnis, dass die Verstorbene reich war und entweder gern Wein trank oder gern Weintrauben aß. "Sie muss im Herbst gestorben und beerdigt worden sein, als die Trauben reif waren", so Gechter.
Neben der Asche fanden die Mitarbeiter der Grabungsfirma die restlichen Knochen, die nicht mit verbrannt waren - eingeschlagen in ein Tuch mit Gold-Brokat. Reste von Kohle klebten nicht an den Knochen. Der Rückschluss: „Nachdem der Leichnam verbrannt worden ist, müssen die restlichen Knochen gewaschen worden sein“, erläutert der Archäologe. Und dafür hat sich offenbar jemand richtig Zeit genommen. Denn die Knochen sind nicht gesprungen. Gechter: "Wenn sie heiß sofort mit kaltem Wasser in Berührung gekommen wären, hätten sie Spalten." Das bedeutet: Bei der Bestattung warteten die Hinterbliebenen in Ruhe, bis die Knochen abgekühlt waren, dann erst wurden sie abgewaschen. "Eine aufwendige und im Rheinland sehr seltene Bestattungsform", so Gechter.
"Das ist für uns schon eine kleine Sensation." Dass es sich bei der Toten um eine Frau handelt, haben die Forscher übrigens den restlichen Beilagen entnommen: Neben einem Gefäß aus entfärbtem Glas und rotem Feingeschirr fanden sie Schminkutensilien, eine Nagelfeile, einen Spiegel und ein Fläschen Parfum. Neben der Frau lag ein Bündel mit weiteren Knochen. "Wir wissen noch nicht, ob sie zu einem Tier oder einem Kind gehören", sagt der Denkmalpfleger. Unklar sind auch noch Einzelheiten über den Todeszeitpunkt oder mögliche Krankheiten der Verstorbenen. Für den außergewöhnlichen Reichtum der beiden Toten gibt es hingegen bereits eine Theorie. So werde für die Rommerskirchener Gegend bereits sehr früh eine erste Pestwelle vermutet, sagt Gechter: "Höfe, die diese Krankheit überlebt haben, konnten anschließend das große Geld machen - und zeitlich passen diese Funde sehr gut in dieses Muster." |