Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 17. November 2005

Modell muss Museum verlassen

"Wir haben einfach keinen Platz."

Helga Bittner

Das Clemens-Sels-Museum hat den Leihvertrag für das Diorama vom Koenenlager gekündigt , weil es den Raum, in dem es steht, für Veranstaltungen und Aktionen nutzen will. Ein Ersatzstandort wurde nicht gefunden.

Diorama
Etwa zehn Jahre hat Hans-Joachim Graul an dem Modell vom Koenenlager gearbeitet , das er dann als Leihgabe dem Clemens-Sels-Museum überließ. Seit Juni 1998 war es dort ausgestellt.
Foto: Graul

Ganz frei von Bitterkeit ist seine Stimme nicht: "Im schlimmsten Fall werde ich die Figuren ablösen und den Rest auf den Müll werfen." Sieben Jahre stand das von Dr. Hans-Joachim Graul gebaute Modell des römischen Lagers Novaesium im Clemens-Sels-Museum. "Das Neusser Zimmer" nannte Dr. Irmgard Feldhaus einst den kleinen Saal links neben dem Foyer, der ursprünglich mal als Seminarraum konzipiert war und dann zur fast alleinigen Heimstatt für das Diorama wurde.

Zum 30. November hat das Haus am Obertor den Leihvertrag mit Graul gekündigt, weil es den Raum künftig wieder in seiner Ursprungsbedeutung nutzen will. "Wenn der Gartensaal besetzt ist", beschreibt Dr. Carl Pause, als Archäologe des Hauses für die Römische Abteilung zuständig, "müssen wir die Kinder nach unseren Führungen im Foyer malen lassen".

Für Aktionen dieser Art und andere Veranstaltungen soll künftig der Raum neben dem Foyer genutzt werden - was aber nur funktioniert, wenn das 3,50 mal 2,50 Meter große Modell ausgelagert wird. So hat das Museum noch unter seiner Leiterin Dr. Christiane Zangs den Leihvertrag gekündigt, sich allerdings nach den Worten der heutigen Kulturdezernentin und auch Pauses sehr stark um einen Ersatzstandort bemüht.

Das Diorama
Das von Hans-Joachim Graul gebaute Modell zeigt eine Szenenfolge im römischen "Novaesium zwischen Erftmün-
dung und Meertal im Zeitalter des Limes und der Pax Romana - 100 bis 350 n. Chr.". Es ist von allen Seiten zu beschauen und zeigt das Leben im Hilfstruppenkastell, in dem daneben angesiedelten Dorf und in einem benachbarten Gutshof. Laut Graul ist das Neusser Diorama einzigartig in Deutschland.

 
Allein: Es wurde keiner gefunden. Bislang. "Wir haben alle möglichen Einrichtungen angesprochen", erläutert Pause, "vom Rathaus angefangen bis hin zu Schulen". Das Interesse an dem Modell sei zwar überall groß gewesen, aber nirgendwo gebe es einen Raum, der ihm allein hätte gewidmet werden können. "Man kann das Diorama nicht einfach zur Seite schieben, wenn man den Platz für Versammlungen braucht", beschreibt er das Problem, "selbst wir haben überlegt, ob wir eine Art Lift für das Modell einbauen, um es von Fall zu Fall zur Decke hochziehen zu können."

Doch der Kostenrahmen hat den Gedanken daran schnell wieder zunichte gemacht. Das Modell im Depot einzulagern, um es später einmal - nach der Fertigstellung des geplanten Erweiterungsbaus - wieder im Museum zu zeigen, ist indes auch nicht möglich: "Wir haben einfach keinen Platz." Auf Zwischenlösungen mag sich auch Graul nicht einlassen. "Ich bin jetzt 85 Jahre alt", sagt er, "und will meine Arbeit auf Dauer gut untergebracht wissen."

Fast zehn Jahre hat der Ingenieur an dem Modell gearbeitet; jetzt holt er es erst einmal zu sich nach Hause. In ein „Winterquartier“, wie er sagt, denn er ist guter Hoffnung, außerhalb der Stadt doch noch einen Abnehmer zu finden. "Wenn die Stadt es einfach vor die Tür setzt", sagt er und glaubt zudem, dass der Sinneswandel, der "die anfängliche Wertschätzung in Frage stellt", schon vor längerem eingesetzt habe.

"Büromöbel, Altpapierpakete, überzählige Prospekte" seien in dem Modell-Raum abgelegt worden, klagt er, und hätten den "stummen Zeugen der Geschichte" in eine "wachsende Bedrängnis" gebracht. Dass das Diorama ein "schön gemachtes" Modell des Koenenlagers darstellt und bei vielen Besuchern auch beliebt ist, will auch Pause keineswegs in Abrede stellen, aber: "Einiges ist doch von den Forschungen überholt", sagt er, und es entspreche nicht mehr den Erfordernissen heutiger Museumspädagogik.

Um die Lebens- und Wohnverhältnisse im Römerlager anschaulich zu vermitteln, greifen die Mitarbeiter des Hauses ohnehin vor allem auf die CD-Rom zurück, die einen virtuellen Rundgang durch das Lager erlaubt. "Da kann eine Schulklasse noch so laut sein", hat Pause festgestellt, "sobald die CD läuft, ist alles mucksmäuschenstill."

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