NGZ-Online, 12. November 2005
Gräberfeld entdeckt
Geistige Zahlenkolonnen statt leuchtender Augen
Petra Schiffer
Archäologen sind am Nettesheimer Weg auf Gräber aus fränkischer Zeit gestoßen. Der Fund könnte sich zu einer historischen Sensation entwickeln.
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Knochen, Münzen, Goldschmuck und Glasperlenketten haben Archäologen in den Gräbern aus fränkischer Zeit entdeckt. Außerdem sind sie auf Überreste eines Wohngebäudes gestoßen - eine absolute Rarität in dieser Zeitepoche.
NGZ-Foto: M. Reuter |
Die Archäologen sind hellauf begeistert, die Rommerskirchener Politiker müssen heftig schlucken: Bei den Voruntersuchungen zur Erschließung des Bebauungsplans Eckumer Kirchpfad II am Nettesheimer Weg sind Mitarbeiter einer Grabungsfirma auf ein Gräberfeld aus fränkischer Zeit gestoßen. „Wir hatten mit Funden aus römischer Zeit gerechnet, denn in der Nähe war bereits eine Villa rustica entdeckt worden, aber eine Siedlung in der Zeit des frühen Mittelalters war an dieser Stelle bislang vollkommen unbekannt“, sagt Professor Jürgen Kunow, Direktor des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege. Und während die Historiker mit leuchtenden Augen die Bedeutung von Pferdeknochen, Goldbroschen, Glasperlenketten und Wurfäxten interpretieren, ziehen vor dem geistigen Auge der Politiker Zahlenkolonnen vorbei.
Denn die Gräber kosten die Gemeinde, die so gerade den Haushaltsausgleich für 2005 hinbekommen hatte, mehr als eine Million Euro - ohne die professionelle Aufbereitung der Fundstücke. Und die Höhe der Ausgaben kann bislang nur geschätzt werden. Denn die Archäologen können noch nicht sagen, wie groß das Rommerskirchener Gräberfeld ist. Rund 70 Gräber sind bislang freigelegt - und das ist höchstens ein Drittel, meint Kunow, der mit bis zu 300 Gräbern rechnet. "Richtung Norden haben wir bislang nur Stichproben gemacht und konnten das Gräberfeld noch nicht begrenzen", sagt er. Ein Glücksfall für die Forscher ist die Tatsache, dass die Gräber noch nicht überbaut sind - im Rheinland eine Seltenheit. Die einzige "Störung": Aus einigen Gruben wurde offenbar im 19. Jahrhundert Lehm entnommen, ohne dass die Existenz der Gräber bekannt geworden wäre.
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Eine weitere Entdeckung lässt das Herz der Archäologen schneller schlagen: Die Mitarbeiter der beauftragten Grabungsfirma sind auf Überreste einer Pfostenreihe gestoßen, die offenbar zu einem zweischiffigen Wohngebäude gehören - eine echte Rarität. "Bislang sind zwar einige Grabfelder entdeckt worden, es gibt aber so gut wie keine Reste von Siedlungen aus der fränkischen Zeit", erklärt Kunow. "Wenn wir bei den Grabungen auf weitere Wohnhäuser stoßen, wäre das eine Sensation." Aus den Funden schließen die Forscher bislang, dass offenbar vermögende Rommerskirchener im sechsten und siebten Jahrhundert neben einfachen Landwirten beerdigt wurden. Selbst ranghohe Adelige fanden dort ihre letzte Ruhestätte - und nahmen ihr Pferd als Statussymbol mit ins Grab. "Offiziell waren die Franken christianisiert", betont Kunow.
Inoffiziell fühlten sie sich jedoch offenbar mit Pferd und Waffen im Tod etwas sicherer. Den vornehmen Damen wurde Schmuck mitgegeben, wobei die Glasperlen im Mittelalter keinen geringeren Wert als Gold gehabt haben dürften. "Ob es in Rommerskirchen ein Dorf gab oder zwei Gehöfte einen zentralen Bestattungsort gewählt haben, können wir vielleicht in einigen Monaten sagen", meint der Denkmalpfleger. Die Fundstücke bleiben zunächst im Eigentum der Gemeinde, die noch darüber nachdenkt, ob sie sie ausstellen oder an das Rheinische Landesmuseum in Bonn verkaufen will. Grabräuber dürften in Rommerskirchen übrigens keine Chance haben. Das Gelände ist rund um die Uhr von einem Sicherheitsdienst bewacht.
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