Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 27. September 2005

Suche nach der Stadtmauer

Kleine und große Erfolge

Klaus D. Schumilas

Die Grabungen auf dem ehemaligen Busbahnhof sind abgeschlossen. Die Grabungsmannschaft ist zur Stadtmauer umgezogen. Sie könnte sichtbar und damit zum Kernstück der Umgestaltung des Areals gemacht werden.

Grabung Omnibusbahnhof
Das Grabungsteam der städtischen Archäologen (im Bild Günter Poullie) ist jetzt an die Stadtmauer umgezogen. Sie soll an einzelnen Stellen freigelegt und untersucht werden. Ergebnisse werden für Ende des Jahres erwartet.
NGZ-Foto: H. Jazyk

Ihr Name: Sabine Sauer. Ihr Auftrag: Die Stadtmauer suchen. Es könnte durchaus den Stoff für einen Krimi liefern, was die Stadt-Archäologin zurzeit rund um den Omnibusbahnhof so treibt. Es ist die akribische Suche in der Vergangenheit der Stadt, die Geschichte von Versuch und Irrtum und von kleinen und großen Erfolgen, wenn sie mit ihren Mitarbeitern metertief in historischen Boden vordringt.

Nach den jahrelangen Ausgrabungen mitten auf dem Omnibusbahnhof ist Sabine Sauer mit ihrem Team umgezogen. Die Grabungsmannschaft ist seit wenigen Tagen auf die andere Seite der Brückstraße gewechselt, dorthin, wo die Stadtmauer liegt. „Das glauben wir, denn eine noch lebende Person hat sie nicht gesehen“, sagt Sauer mit einem Lachen in der Stimme. Nach dem inzwischen erfolgten Abriss der Jugendeinrichtung „Café Greyhound“ wird auf diesem Areal in vier Suchabschnitten bis zum Jahresende der Mauerverlauf gesucht und geprüft.

Sollte die Stadtmauer gut erhalten sein, soll nach Absprache mit dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege eine breite Freilegung vorgeschlagen werden. Auf Erkenntnisse und Bewertungen warten sowohl Rathausspitze als auch die Politik. Damit erhält der „Krimi“ eine politische Dimension: Denn es geht um mehr als eine archäologische Spurensuche. Dahinter steht die Frage: Wie soll das Areal des Busbahnhofs gestaltet werden? Wohnbebauung? Wahrscheinlich.

Doch in welcher Form, in welcher Dimension? Wie werden die historischen Funde an dieser Stelle berücksichtigt? Gefunden wurden unter anderem im nördlichen Grabungsfeld die Fundamente eines römischen Großgebäudes, 12 mal 22 Meter groß, das als Rasthaus interpretiert wird. Weiter südlich wurde eine mittelalterliche Abgrabung beobachtet. Offensichtlich wurde dort im 10. Jahrhundert ein römischer Pfeiler und der obere Kranz eines Turfbrunnens ausgebrochen.

Busbahnhof-Gestaltung
Monatelang wurde um die Umgestaltung des Busbahnhofs gerungen, Modelle diskutiert und verworfen. Im Juli 2003 legte dann die CDU-Mehrheitsfraktion die umstrittenen Pläne der Neusser Architekten Ingenhoven & Ingenhoven auf Eis, deren Vorstellungen in der Bevölkerung nicht durchsetzbar waren. Eine Wohnbebauung sei grundsätzlich erwünscht. Damals wurde vom Stadtrat beschlossen, die Stadtmauer herauszuarbeiten, den Platz zu begrünen, Außengastronomie zuzulassen und einen Teilbereich zum Parken freizugeben. Inzwischen wurden dort 62 Parkplätze angelegt.

 
Im unteren Bereich war der römische Brunnen auf einer Höhe von rund drei Metern noch intakt. Die Brunnenfassung ist laut Sabine Sauer in Neuss „bislang einzigartig“. Die Aufarbeitung der Grabung - das Inventarisieren und Datieren des Fundmaterials, das Aufbereiten der Feldzeichnungen und der Fotodokumentation, das Erstellen von Übersichts- und Phasenplänen, das Abfassen des Grabungsberichts - wird noch etwa ein Jahr dauern.

Bis dahin wird längst feststehen, ob die alte Stadtmauer als Standkante (vom Wendersplatz aus gesehen) sichtbar gemacht werden kann. „Wir müssen die Linienführung finden, den Klosterriegel von Neuss“, so Sauer. Erste stichprobenartige Grabungen haben bereits die Klosterlatrine der Alexianer samt Fäkalien freigelegt, die in verschiedenen Bodenschichten entdeckt wurden.

Bei ersten Grabungen stießen die Mitarbeiter an der Stadtmauer in geringer Tiefe auf reichlich Schuttanfüllung. Wie es um die Größe und Substanz der Stadtmauer letztlich bestellt ist, das werden die Archäologen in wenigen Wochen wissen. Sabine Sauer wird dann zusammen mit dem Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege Vorschläge für den Erhalt und eine mögliche Präsentation der Funde vorlegen.

Die Verwaltung beabsichtigt dann, zur Umgestaltung dieses Areals einen Bebauungsplan vorzulegen. Forderungen der Neusser CDU, die an Bedingungen geknüpft sind: Ausgrabungen sichtbar machen, Standtkante, Stadtmauer und Kehlturm sichtbar machen und betonen, eine variierende Baustruktur und eine Planung, die dort Parkplätze berücksichtigt.

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