NGZ-Online, 26. Juli 2005
Abfälle aus der Eisenzeit
700 bis 475 vor Christus gab es eine Siedlung
Carsten Sommerfeld
Schon in der Eisenzeit lebten Menschen bei St. Peter , bauten Hirse, Dinkel und Gerste an. Jost Auler, Archäologe und Historiker, verweist auf Grabungsfunde - Keramikscherben und Speisereste. Damit sei belegt, dass in der frühen Eisenzeit im Raum Dormagen Gehöfte gestanden haben.
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Jost Auler befasst sich intensiv mit dem Leben der Menschen in Stein- und Eisenzeit. |
Schweine laufen quiekend um die niedrigen Häuser herum, für das Essen wird Hirsebrei zubereitet, Rauch steigt aus dem offenen Giebel. So könnte es vor 2 700 Jahren in der Eisenzeit bei St. Peter ausgesehen haben - da wo heute das Aldi-Logistikzentrum steht. Jost Auler, Archäologe und Historiker, macht jetzt auf eine Grabung aufmerksam, deren Ergebnisse beim Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege liegen.
Für Auler, der die Funde nun in der Zeitschrift "Der Niederrhein" erläutert, wurde ein weiteres Puzzle-Teil bei der Erforschung Dormagener Heimatgeschichte gefunden: "Vermutet hatten wir, dass auf dem fruchtbaren Boden damals Menschen siedelten. Mit diesen Funden haben wir Gewissheit." Schließlich handelt es sich laut Auler um die erste Ausgrabung von Resten einer früheisenzeitlichen Hofanlage im Umkreis. Teile der Häuser kamen nicht zutage - aber das, was die Ahnen aus der so genannten Hallstattzeit nicht mehr gebrauchen konnten: Jede Menge Scherben und Küchenabfälle geben Aufschluss über das Leben am Rhein zu der Zeit, als die Römer noch weit entfernt waren.
Bei einer Prospektion - Ackerbegehung - vor dem Bau des Logistikzentrums gab es Anzeichen für prähistorische Besiedlung, eine Grabung wurde angesetzt. "Es ist relativ selten, dass man auf eine so große verfüllte Lehmentnahmegrube aus der Hallstattzeit stößt", erklärt Hans Glasmacher, der die Grabung der Dürener Firma Goldschmidt geleitet hatte. "Wir haben viele Gefäßreste gefunden, beispielsweise Teile eines Fußschälchen. Niemand weiß, wofür solche Gefäße mit Fuß früher benutzt wurden." Immerhin 854 Keramik-Funde von Schalen, Schüsseln, Bechern und anderem fanden die Archäologen laut Auler.
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Von Hauspfosten und -wänden gibt es bei St. Peter keine Spuren, aber vielleicht hat die Hofanlage aus der Zeit von 700 bis 500 vor Christus so ausgesehen wie dieses rekonstruierte Gehöft in Ratingen. NGZ-Repro: H. Jazyk |
"Anhand der Verzierungen ließen sich die Scherben in die Zeit zwischen 700 bis 475 vor Christus datieren", erzählt er gegenüber der NGZ. Die Bauten aus Holz und Lehm blieben nicht erhalten. "Ein Problem war , dass wir auch keine Pfostenlöcher gefunden haben", so Hans Glasmacher. Die Vermutung: Die Hofanlage stand auf einer der früheren Sanddüne, fiel laut Auler wohl der Erosion zum Opfer. "Wir wissen aber, wie solche Höfe damals aussahen: Sie umfassten in der Regel ein von einer Familie bewohntes Wohngebäude sowie mehrere Neben- und Speichergebäude."
Die Häuser entstanden ähnlich der Fachwerkbauweise, die Räume zwischen den Pfosten wurden mit Flechtwerk und Lehm gefüllt. Die bei der Materialgewinnung entstehenden Lehmgruben dienten anschließend oft als "Hof-Deponie", wurden verfüllt. Die Besichtigung der Eisenzeit-Architektur ist auch heute möglich: Bei Titz wurde ein Eisenzeit-Gehöft restauriert, ebenso im Erholungspark Volkardey in Ratingen - Auler ist archäologischer Berater für die Anlage.
"Da das Haus aus Naturmaterialen gebaut wurde, herrscht darin auch bei Hitze ein angenehmes Raumklima. Ich habe dort schon mal übernachtet." Schaf, Ziege, Rind und Schwein hielt der Eisenzeit-Landwirt, der zudem Ackerbau betrieb. Die Archäologen stießen bei St. Peter auf einen Teil des Speisezettels der Hallstattzeit in Form von verkohlten, konservierten Pflanzenresten.
Spelzenteile von fünf Getreidesorten wurden gefunden, darunter Hirse, etwa für Brei, Grütze und Fladen verwandt, Dinkel und Emmer, das auch zum Bierbrauen genutzt wurde. "Es ist gesichert, dass schon damals die Menschen viel Bier gebraut haben", weiß Jost Auler. |