Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 20. Juli 2005

Wichtige Teile im Puzzle

In der Tiefe auf Geschichte gestoßen

Petra Schiffer

Bei den Bauarbeiten an der Castellstraße wurden ein römischer Brunnen , Keramikscherben mit Schrift und Teile der alten Lagerstraße gefunden, die durch das römische Kastell "Durnomagus" führte.

Römischer Brunnen
Archäologen haben die Arbeiten an der Castellstraße in Dormagen begleitet. Sie stießen auf die Reste eines römischen Brunnens, Keramikscherben, auf Teile der alten Lagerstraße durch das Kastell und den Graben der antiken Anlage.

Wer rund um das Dormagener Rathaus in die Tiefe geht, stößt auf Geschichte. Deshalb mussten auch die Arbeiten an der Castellstraße von Archäologen begleitet werden. Und das zu Recht, wie sich jetzt herausstellte: Nur knapp einen halben Meter unter der Erdoberfläche wurden in der Nähe des heutigen Parkhauses die Reste eines römischen Brunnens entdeckt. Es ist der zweite Brunnen, der in der Dormagener Innenstadt gefunden wurde. Im Hohlraum stießen die Archäologen auf Keramik-Scherben mit Schrift, die jetzt untersucht werden muss. Der Brunnen, der ganz offensichtlich in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts still gelegt und mit antikem Müll verschüttet worden ist, war wahrscheinlich zur Zeit des Kavallerielagers in Betrieb, das um 90 nach Christus errichtet worden ist. Das Kastell "Durnomagus" gehört zu den am besten erforschten Römerfestungen im Rheinland. Und gerade deshalb ist der Fund des Brunnens interessant, meint Dr. Ursula Franke vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege.

Durnomagus
Während der Römerzeit hatte das Auxiliarlager Durnomagus eine hohe strategische Bedeutung als Wachtposten an der Rheingrenze und an der Verbindungsstraße zwischen Köln und Neuss. Das Castell wurde nach Vorgängerbauten um 90 nach Christus als Kavallerielager gegründet, Mitte des zweiten Jahrhunderts erweitert, brannte 161 ab und wurde Anfang des vierten Jahrhunderts als Kleinkastell wieder aufgebaut.

 
"Der Brunnen selbst ist als Fund nicht so spektakulär, aber er ist ein wichtiges Teil im Puzzle und ergänzt unsere Erkenntnisse der römischen Gesamtanlage", sagt sie. Dieser Ansicht ist auch Ines Grohmann. Sie hat als Archäologin des beauftragten Unternehmens Goldschmidt aus Düren die Arbeiten vor Ort koordiniert. "Der Brunnen ist ein Mosaikstein, der hilft, das Kastell noch detaillierter zu rekonstruieren", erklärt sie. Zunächst müssten jetzt nähere Untersuchungen abgewartet werden, denn noch sei vieles unklar. So sei möglich, dass der Brunnen in zwei verschiedenen Zeitphasen in Betrieb war. "Vielleicht ist er vertieft oder nach der ersten Trockenlegung ausgebaut und dann noch einmal genutzt worden", so Grohmann. Auch eine Holzkonstruktion im Inneren des Brunnens lasse vermuten, dass die Anlage einen Vorgänger hatte. In der Regel reichten die römischen Brunnen mindestens 4,50 Meter in die Tiefe und wurden rund 20 Jahre genutzt, bis sie austrockneten. Fast noch spannender als der Brunnen selbst könnte der "Müll" sein, der als Füllmaterial gefunden wurde: Zahlreiche Scherben von Amphoren, Bechern und Kannen.

Grabung Castellstraße

"Es war nur eine Scherbe von kostbarem Geschirr dabei, das erhärtet die Vermutung, dass hier vor allem einfache Soldaten stationiert waren", so Grohmann. In zwei Scherben sind nach dem Brennen Worte eingeritzt worden. "Wir wissen noch nicht, ob es sich um Inhaltsangaben oder Namen handelt, aber solche Hinweise können natürlich immer interessante Hinweise enthalten." Ein weiteres Rätsel gibt den Forschern eine Kieseloberfläche aus Flussgeröll und Ziegelresten auf, die sie im Rahmen der Erdarbeiten an der Kreuzung Römerstraße/Castellstraße fanden. "Sie könnte zur Straße des Lagers gehört haben", vermutet Dr. Ursula Franke. Das vermutet auch Grohmann. "Wir wissen noch nicht, ob es sich um Reste der zentralen Straße durch das Lager handelt oder nur um einen Verbindungsweg zwischen zwei Kastellen", sagt die Archäologin. Beim Ausschachten einer Grube für die Kanalbauarbeiten könnte es außerdem sein, dass der Graben des ehemaligen Lagers gestreift worden ist. "Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig es ist, Bauarbeiten in historisch so seinsiblen Bereichen zu begleiten", meint Grohmann.

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