Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 20. Juli 2005

Mahlen wie die Römer

Funde aus der 400-jährigen Garnisonsgeschichte

Helga Bittner

Mit dem Nachbau einer Getreidemühle hat as Clemens-Sels-Museum eine neue Attraktion bekommen, die man sogar anfassen darf.

"Anfassen erwünscht!" Ein Schild, wie es wohl Seltenheit hat in Museen. Kein Wunder also, dass ein Kind nach dem anderen begeistert fragt: "Darf ich auch mal?" Jeder darf. Auch Erwachsene, obwohl die neueste Errungenschaft im Clemens-Sels-Museum eigentlich eher mit Blick auf die zahlreichen jungen Besucher des Hauses initiiert wurde. Aber warum soll es nicht auch den Großen Spaß machen, schwere Mühlsteine in Bewegung zu setzen und zuzuschauen, wie das Mehl zwischen diesen herausrieselt? Für die Ausstellung der Römischen Abteilung mit Funden aus der 400-jährigen Garnisonsgeschichte von Neuss hat der Archäologe des Hauses, Dr. Carl Pause, eine Getreidemühle nachbauen lassen.

Aus dem gleichen Material, das einst schon den Römern diente - nämlich Basaltlava aus der Eifel -, nur hergestellt in der Werkstatt des Steinmetzes Wilfried Betz, dem Pause zwecks richtiger Anschauung sogar die historischen Steine angeschleppt hat. Von den Getreidemühlen hat man bei Ausgrabungen in Neuss etliche gefunden, einige trugen sogar Beschriftungen. Doch ein Original zur Benutzung frei zu geben, passt nach Meinung des Wissenschaftlers nicht zum Wesen der Sache: "Wir bringen den Kindern, überhaupt allen Besuchern, einen gewissen Respekt vor den historischen Funden nahe und können sie dann doch nicht nach Belieben damit hantieren lassen." Dass die nachgebaute Mühle, deren Kosten von 1000 Euro übrigens von einem Sponsor übernommen wurden, der ungenannt bleiben möchte, mit den historischen Vorbildern identisch ist, lässt sich indes leicht überprüfen. Denn natürlich ist auch ein Original in einer Vitrine ausgestellt.

Dessen Steine sind jedoch ungleich abgenutzter als beim Nachbau, auch fehlt die Achse, die beide Mühlsteine verband. Aber Pause ist sich sicher, dass da einst ein Metallstab steckte, der mit Blei in einer Vertiefung des Steins arretiert war - was bei der neuen Mühle denn auch umgesetzt wurde. Je acht Soldaten einer Stube teilten sich im Römerlager eine solche mola manuaria, mit der man rund drei Kilogramm Mehl in der Stunde herstellen konnte. Aus dem Schrot - grob zerkleinerte Getreidekörner - kochten die Soldaten Brei (puls), das Hauptnahrungsmittel der einfachen römischen Soldaten. Zusammen mit Öl, Speck, Gemüse, Kräutern oder Bohnen ergab er eine vollwertige Mahlzeit.

Da sich Mehl und Brot bei den hygienischen Verhältnissen der damaligen Zeit nur schlecht länger aufbewahren ließen, teilte man sogar auf Kriegszügen ungemahlenes Getreide an die Soldaten aus; oft schleppten die Männer dafür die schweren Mühlen mit - auf dem Rücken eines Maultieres. Zum Begreifen des soldatischen Lebens im wörtlichen wie übertragenen Sinne trägt auch ein Kettenhemd bei, das ebenfalls ganz neu in der Ausstellung hängt. Auch das ist natürlich ein Imitat, von Pause in einem Geschäft erstanden, aber vom Gewicht her kommt es den Originalen sehr nahe. Kettenhemden gehörten zur Standardausrüstung der römischen Soldaten, wurden aus über 30 000 Eisenringen zusammengenietet - und wogen mehr als acht Kilogramm. Dass sich das Hemd leicht ölig anfühlt, hat laut Pause seinen Sinn: "Sonst rostet Eisen nämlich."

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