NGZ-Online, 16. Juli 2005
Neuer Chef des Clemens-Sels-Museum
Keine Feuerwehr mehr
Helga Bittner
Mit großer Neugierde und viel Respekt will sich der Kunsthistoriker, Archäologe und Volkskundler Dr. Peter Dering seiner Arbeit im Clemens-Sels-Museum widmen. Am 1. September tritt er die Nachfolge von Dr. Christiane Zangs an.
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Seine neue Wirkungsstätte sieht er als Teil der Stadt, und weil er sich ebenfalls als solches empfindet, wird Dr. Peter Dering, der neue Chef des Clemens-Sels-Museum, mit seiner Familie auch nach Neuss umziehen . NGZ-Foto: A. Woitschützke |
Ein wenig hat er schon das Gefühl, in ein gemachtes Bett zu fallen. Ein Museum zu übernehmen, dessen Zukunft nicht mehr erkämpft werden muss, weil die Erkenntnis, dass es mehr Platz braucht, längst in einen architektonischen Entwurf geflossen ist: "Das ist wie Weihnachten und Ostern zusammen", gesteht Dr. Peter Dering, der zum 1. September die Nachfolge von Dr. Christiane Zangs als Chef des Clemens-Sels-Museum antritt und seine Freude darüber ganz offen, aber auch ein bisschen nachdenklich rauslässt. Schließlich hat er schon einiges hinter sich. Nach sieben erfolgreichen Jahren am Bonner August-Macke-Haus folgte die erste Enttäuschung am Museum Liner im schweizerischen Appenzell, als er trotz viel beachteter Ausstellungen nach vier Jahren die Kündigung bekam. "Das Vertrauensverhältnis zwischen dem Präsidenten des Stiftungsrates und mir war vollkommen erschüttert", kann er heute mit ruhiger Stimme erzählen, und darunter habe auch seine zunächst sehr gute Beziehung zum Mäzen des Hauses gelitten.
Von dort ging’s dann nach Kleve zum Schloss Moyland, in das Dering als Nachfolger des Gründungsdirektors Joseph van der Grinten frischen Wind hineinbringen wollte und wo er letztlich doch an den fest gefahrenen Strukturen scheiterte. Dass ihm die Kuratoriumsmitglieder (unter anderem der neue NRW-Finanzminister Helmut Linssen) die Stange hielten, tröstet ihn zwar, aber: "Ich sah da keine Zukunft mehr für mich und bin nur froh, dass ich freiwillig gegangen bin." Beiden Stellen war im übrigen gemeinsam, dass er als eine Art Feuerwehr eingesprungen ist, denn an beiden Museen war der jeweils designierte Leiter abgesprungen ... "Aber ich hab’ das gerne gemacht", sagt er, "es war spannend und ungeheuer interessant". Bedeutet das vielleicht, dass ihm Neuss mit seinen gefestigten und klaren Verhältnissen bald langweilig werden könnte? "Nein", kommt es unmissverständlich zurück, "ich bin nicht gekommen, um wieder zu gehen".
Seine weiteren Worte klingen auch eher wie das Gegenteil: "Neuss hat genau das, was ich so schätze und brauche", sagt er, "es ist nicht zu klein, hat ein kulturelles Eigenleben und liegt in günstiger Entfernung zu anderen Großstädten." Und vor allem liegt es im "richtigen" Rheinland. Denn seit seiner Bonner Studentenzeit liebt der 52-Jährige die Region, fühlte sich in Kleve fast ein wenig abgedrängt und freut sich schon jetzt auf seinen Umzug nach Neuss. Nicht nur, weil das Rheinland "hier schon ein bisschen italienischer ist", sondern auch, weil er sich so situieren will, wie sich seiner Meinung auch das Museum präsentiert: als Teil der Stadt. "Meine primäre Aufgabe sehe ich nicht darin, Besuchermassen von außerhalb ins Haus zu locken", erklärt er, "sondern ich will vor allem für die Bürger der Stadt arbeiten".
Dass er nach drei Kostproben in neuen Museen nun in einem wirkt, das eine Tradition hat, erfüllt ihn mit Respekt und beeinflusst auch seine Haltung. Zudem treffe er auf ein sehr gut arbeitendes Museumsteam: "Ganz gewiss komme ich nicht in eine Situation, in der alles anders gemacht werden muss." Und überhaupt: Bevor er Pläne entwickeln könne, müsse er erst einmal das Haus genauer, vor allem das Depot, kennen lernen. "Ich fände es auch vermessen, jetzt schon mit konkreten Vorstellungen anzurücken." Dass der Symbolismus und auch die zweite große Sammlung des Hauses am Obertor, die Naive Malerei, in der Kunstszene nicht unbedingt Konjunktur haben, scheint Dering nicht im mindesten zu schrecken: "Der Vorteil des Clemens-Sels-Museum ist doch, etwas zu machen und zu zeigen, was andere eben nicht können."
Dass er da Nischen und Themen findet, ist wohl mehr als wahrscheinlich, schließlich hat er an seinen bisherigen Arbeitsplätzen so manche Ausstellung auf die Beine gestellt, die ganz neue Blickwinkel auf bekannte Kunst öffnete. Fest steht für Dering, dass neben der Stadtgeschichte auch die bisher gepflegte zeitgenössische Farbmalerei genauso Schwerpunkt bleibt wie die Arbeit mit den eigenen Sammlungen. Den Symbolismus zum Beispiel in einen Bezug zur zeitgenössischen Kunst zu stellen, kann er sich als Thema gut vorstellen. Zudem ist er sich einer Sache vollkommen sicher: Alle Sammlungen bergen Überraschungen. Und auf der Suche nach denselben wird er dann jene Eigenschaft an den Tag legen, die für ihn zu den wichtigsten gehört: Neugierde. "Wer nicht neugierig ist, der lebt nicht mehr." |