Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 3. Juni 2005

Bier gesünder als Wasser

"Geschirr und Essgewohnheiten im Wandel der Zeiten"

barni

"Geschirr und Essgewohnheiten im Wandel der Zeiten", lautete jetzt der höchst informative und interessante Vortrag der Neusser Stadtarchäologin Sabine Sauer im Rahmen der Reihe "Dienstags im Tuppenhof". Sie verriet unter anderem, warum Bier im Mittelalter als Grundnahrungsmittel so begehrt war, dass Keramikgefäße als Statussymbole galten und wie sehr sich die Ess- und Trinkgewohnheiten durch die Römer veränderten.

Rund 6000 vor Christus kannten die Menschen weder Ackerbau noch Viehzucht, behauene und beschlagene Flintsteine dienten als Allround-Küchengeräte, Fleisch wurde gedörrt, Haselnüsse platzten, wenn man sie ins Feuer warf - ein Nussknacker war also entbehrlich. In der Jungsteinzeit wurde erstmals Getreide, das aus dem Vorderen Orient kam, angebaut, außerdem begann die Viehzucht.

Die Menschen lernten, Keramikgefäße herzustellen und Steine zu schleifen. Und sie wurden sesshaft. Sabine Sauer zeigte jede Menge Dias - auf einem war ein imposantes Steinbeil zu sehen, ein aus Holzheim stammender Fund. In der Mittleren Jungsteinzeit kommt die Gerste hinzu, es wird aber auch wieder mehr gejagt.

Hafer und Hirse

"Die Bronzezeit", so die Referentin, "ist am Niederrhein nicht gerade archäologisch gut belegt". Immerhin: Sie bringt den Menschen die Bohne, aber auch Hafer und Hirse. Und was hat die Eisenzeit zu bieten gehabt? Eine spezielle Getreideart, der Dinkel, taucht erstmals auf, der "Urvater" der schwäbischen Spätzle.

Dann kamen die Römer und vieles änderte sich schlagartig: "Die Landschaft wurde umgekrempelt", so Sabine Sauer, es erfolgten Innovationen im Ackerbau, erste Erntemaschinen wurden konstruiert. Wein und Öl, aber auch Exotisches wie Pfau, Perlhuhn oder Fasan wird importiert. Typisch für diese Zeit sind die speziellen Aufbewahrungsgefäße, die Amphoren. Wenn es die Römer mit der Völlerei übertrieben hatten, steckten sie sich eine Reiherfeder in den Hals, um einen Brechreiz auszulösen.

"Deshalb spricht man noch heute von ,Reihern’", gab die Archäologin zu verstehen. Es gab während der Römerzeit nicht nur Glasgefäße, sondern auch kostbare Keramik, vornehmlich aus Arrezzo. Wein wurde in der Regel verdünnt genossen, Essig mit Wasser war als Erfrischungsgetränk beliebt. Während sich die Zivilbevölkerung hauptsächlich von Weißbrot ernährte, stärkten sich die Soldaten mit Gerstebrei. Im fünften Jahrhundert wandern die Franken von Osten ein und haben Roggen im Gepäck.

Siegburger Krüge

Bis zum 10. Jahrhundert werden die Obstsorten, die die Römer eingeführt hatten, wieder rar. Das 9. Jahrhundert war kein Zuckerschlecken: Normannenströme zerstörten Siedlungen aus karolingischer Zeit, Flächen fielen brach. Ab dem 10. Jahrhundert erlebte Töpferware eine Hochkonjunktur: Badorfer und Pingsdorfer Ware waren im 10. bis 12. Jahrhundert Exportschlager. Ab etwa 1300 kamen die einfacheren, Siegburger Krüge auf.

Gute Zeiten - schlechte Zeiten: Das 14. Jahrhundert mit seiner kleinen Eiszeit brachte den widerstandsfähigen Buchweizen, im 15. Jahrundert erlebte die Glasur nach 500 Jahren ihre Renaissance: "Das war die Teflon-Pfanne des Mittelalters", gab Sabine Sauer zu verstehen. Und Bier galt als gesünder als das Wasser, das damals verfügbar war. Das 17. Jahrhundert bescherte den Menschen farbenfrohe Keramik, um 1730 findet der individuelle Teller Verbreitung.

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