NGZ-Online, 14. Oktober 2004
Geheimnisvoller Münzfund
Constantin Koenen machte auf Sammlung aufmerksam
Carl Pause
In einem guten Haushalt geht nichts verloren, es findet sich alles wieder. Dass diese Weisheit auch für Museen gilt, lehrt eine umfangreiche Münzsammlung, die kürzlich im Clemens-Sels-Museum entdeckt wurde. Fast 100 Jahre lang hatte im Depot des Museums eine mysteriöse Kiste mit 2000 römischen Münzen geschlummert. Ein Schatzfund?
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Etliche Münzen müssen noch aufwendig restauriert werden.
Foto: CSM |
Die Herkunft der Münzen war im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in Vergessenheit geraten. Einige sehr seltene gallische Prägungen unter ihnen lieferten dann den entscheidenden Hinweis zur Auflösung des Antiken-Krimis. Ein Kölner Numismatiker konnte die Kiste mit den antiken Prägungen vor kurzem als die Münzsammlung des Neusser Kaufmanns Heinrich Sels identifizieren.
Die weit über antiken 3000 Münzen, darunter viele frühe und seltene Prägungen aus römischer Zeit, haben eine aufregende Geschichte hinter sich. 1889 stieß man beim Tonabbau auf dem Grundstück der Selsīschen Ringofen-Ziegelei an der Kölner Straße auf eine Unmenge römischer Altertümer: Keramikschüsseln, Öllampen, Trinkgläser, Kästchenbeschläge, Schlüssel, sogar Handmühlen aus Eifeler Basaltlava, vor allem aber sehr viele Münzen kamen in dem "El Dorado" am heutigen Autobahnzubringer ans Tageslicht.
Was jedoch heute das Herz eines jeden Antikenbegeisterten höher schlagen lässt, fand damals kaum Beachtung - zumindest anfänglich. Denn römische Scherben waren schließlich in Neuss nichts Besonderes. Erst nachdem Fachleute den Ziegeleibesitzer Sels mehrfach auf den einzigartigen historischen Wert der archäologischen Überreste aufmerksam gemacht hatten, begann dieser, die antiken Funde systematisch zu sammeln.
Heinrich Sels
Der Kaufmann Heinrich Sels (Neuss 1863-1915) war ein Neffe von Dr. Clemens Sels, dem Stifter des gleichnamigen Neusser Museums.
Seit 1889 betrieb er an der Kölner Straße in Neuss die erste moderne Ringofen-Ziegelei der Stadt, deren Betrieb erst 1964 eingestellt wurde.
Die leer stehenden Gebäude und Anlagen, die viele Neusser noch als aufregenden Abenteuerspielplatz in Erinnerung haben, wurden wenig später abgetragen. |
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Innerhalb weniger Jahre entstand so eine umfangreiche archäologische Sammlung, die bald das Selsīsche Haus zum Überquellen brachte. Der Ruf der Sammlung drang bald weit über Neuss hinaus. Auch Constantin Koenen, der Urvater der rheinischen Archäologie, erkannte die außerordentliche Bedeutung der Funde. Als er vor genau 100 Jahren seinen Bericht über die Ausgrabungen im Neusser Legionslager veröffentlichte und damit Forschungsgeschichte schrieb, war ein Kapitel in dem Buch dem "Münzfund auf den Selsīschen Ziegeleien bei Neuss" gewidmet.
Gewissermaßen von prominenter Seite auf die Sammlung aufmerksam gemacht, trat die Stadt Neuss nun in Verhandlungen mit Heinrich Sels, um das einzigartige geschichtliche Erbe anzukaufen und so für die Nachwelt zu sichern. 1907 wurde seine archäologische Sammlung - und mit ihnen auch die Münzen - von der Stadt erworben und wenig später dem 1911 gegründeten Clemens-Sels-Museum übergeben, wo sie seitdem den Grundstock der Römischen Abteilung bildet. Münzen sind klein und lassen sich schlecht mit einer Inventarnummer versehen.
Während die römischen Teller und Krüge in den Vitrinen des Museums ausgestellt wurden, verblieb die umfangreiche Münzsammlung im Depot und geriet in Folge verschiedener Umzüge des Depots allmählich in Vergessenheit - bis sie jetzt im Keller des Clemens-Sels-Museums zum zweiten Mal ausgegraben wurde. Als die Stadt Neuss 1984 ihre 2000-Jahr-Feier beging, hatte sie nach Ansicht des Kölner Historikers Johannes Heinrichs das wahre Jubiläum bereits um Jahre verpasst.
Denn nach seiner Meinung entstand Neuss nicht erst mit der Gründung des ersten römischen Militärlagers 16 v. Chr., sondern schon früher - und er begründet dies mit den Münzen aus der Selsīschen Sammlung. Unter den Geldstücken befinden sich nämlich auch Prägungen der Ubier (ein germanischer Volksstamm), die schon im ersten Jahrhundert v.Chr. am Niederrhein lebte. Die Münzen der Ubier sind aber nicht die einzigen spannenden Stücke in der Selsīschen Sammlung.
Bereits 1904 konnten unter den Münzen der Familie Sels fast 700 nicht-römische Münzen identifiziert werden, darunter viele Prägungen gallischer oder germanischer Stämme und sogar drei griechische Münzen aus Thessaloniki. Einen großen Teil der Münzen konnte man damals allerdings nicht genau bestimmen, denn sie waren korrodiert und mit Lehm verkrustet, ihr Münzbild nicht richtig erkennbar. Auch 100 Jahren nach ihrer Auffindung harren die Bodenfunde von der Kölner Straße noch ihrer Restaurierung. Diese ist allerdings sehr aufwendig und bei 2000 Münzen ein gewaltiges Unterfangen.
Das Clemens-Sels-Museum bittet daher dringend um die Übernahme von Patenschaften für die Münzen.
Info: Dr. Carl Pause ist der Archäologe des Clemens-Sels-Museum. Die Münzen sind noch bis zum 17. Oktober 2004 in der Ausstellung "Schlummernde Schätze" zu sehen. |