NGZ-Online, 2. Oktober 2004
Fundstücke kehren heim
Rote Plastikkisten bargen die kostbare Fracht
Simon Hopf
Bei den archäologischen Grabungen in Alt-Garzweiler wurden vor Jahren zahlreiche Entdeckungen gemacht. Einige der damals geborgenen Objekte sind nun im Archivraum des Pfarrheims zu bewundern: vom Knochenkamm bis zur Pingsdorfer Amphore.
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Dr. Michael Schmauder (r.) leitete die archäologischen Grabungen in Alt-Garzweiler. Einige der Fundstücke überbrachte er jetzt gemeinsam mit Restauratorin Anne Breyer dem Archiv im Pfarrheim. Nicht zuletzt hatte Peter Giesen (l.) die „Heimkehr“ möglich gemacht. |
Bevor die Bagger kamen, hatte noch einmal die Archäologie das Sagen und förderte von 1999 bis 2000 zahllose Relikte zutage, aus denen die Fachwelt Erhellendes über die Ursprünge des Dorfes Garzweiler ablesen kann. Einige der Fundstücke sind nun in den Ort zurückgekehrt - in den neuen, wohlgemerkt, denn das alte Dorf ist schon lange vom Tagebau geschluckt worden.
Dr. Michael Schmauder überbrachte als Mitarbeiter des Rheinischen Landesmuseums Bonn gemeinsam mit der Restauratorin Anne Breyer einige der Objekte, die die Erde wieder freigegeben hatte. In Vitrinen im Archiv des Pfarrheimes können die Relikte nun erstmals beim Pfarrfest am Sonntag vom interessierten Publikum bewundert werden. Danach bleiben sie als Dauerleihgabe in Garzweiler.
Dr. Michael Schmauder leitete die Grabungen rund um die alte Kirche St. Pankratius. „Im Ortskern“, wie der Archäologe betont. "Wir konnten am Standort der Kirche einen befestigten Hof aus dem Hochmittelalter nachweisen", berichtet der 39-Jährige. Von Anfang an gehörte ein Gotteshaus - wohl eine so genannte Eigenkirche - zu dem Komplex, der längst untergegangen ist.
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Ein Kugeltopf, der an der alten Kirche zutage gefördert wurde.
NGZ-Fotos (2): M. Reuter |
Um einen "relativ hohen Holzbau" gruppierten sich einige Grubenhäuser - eine, so Schmauder, recht dichte Besiedlung direkt am Köhmbach, der noch im 20. Jahrhundert für gewaltige Überschwemmungen im Dorf sorgte. Um das Hofareal verlief ein Wall samt Graben. Vom 10. bis ins 13. oder 14. Jahrhundert lässt sich die Anlage nachweisen, auf der vermutlich ein Angehöriger des niederen Adels gesessen haben könnte.
Das Gesamtensemble, von dem nur die Kirche überdauerte, habe man in dieser Form „bisher noch nicht vorgefunden“, erzählt Schmauder, der in Bonn, Berlin und München Vor- und Frühgeschichte studiert hat. Die Ausbeute bei den archäologischen
Garzweiler
Der Name des Ortes findet sich erstmals als "Gartzwilre" in einer Urkunde des Kölner Stifts St. Maria ad Gradus vom 24. März 1283. Die "Alte Kirche", die das Patrozinium eines frühchristlichen Märtyrers besitzt, wird im Jahr 1302 bezeugt. Es gilt aber als gesichert, dass bereits in romanischer Zeit eine Kirche gegründet wurde. |
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Untersuchungen sei, was das Hochmittelalter betrifft, „richtig ergiebig“ gewesen. Von dem kistenweise geborgenen Scherbenmaterial sind Fragmente einer Pingsdorfer Amphore und Kugeltöpfe künftig im Archiv zu bewundern.
Auch Reste der neben einer Glockengussstelle, die viel Aufsehen erregte, gefundenen frühneuzeitlichen Gussform werden präsentiert. Die Forschungen betrieb seinerzeit die Außenstelle des Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege in Titz. Die Funde schlummern indes in den Depots des Rheinischen Landesmuseums. Auch in Alt-Otzenrath wird demnächst "gebuddelt". Ein Ort, den man nach Worten Schmauders "ziemlich genau untersuchen muss".
Was in Garzweiler wieder ans Licht gefördert wurde, beschränkt sich jedoch nicht nur auf irdene Gegenstände. Ein Blick in eine der Vitrinen regt die Phantasie an: Auf welche Tür mag der große Schlüssel wohl gepasst haben? Wer hat sich mit dem kleinen, aus Knochen gefertigten Kamm das Haar gekämmt? Wem fielen wohl die Münzen einst aus dem Beutel? Etwas schaurig ist hingegen das, was in einem anderen Glaskasten gezeigt wird: Mit den Lebenden zogen auch die Toten in das neue Dorf um.
In den Gräbern fanden sich unzählige Kreuze und Rosenkränze, viele davon aus dem 19. Jahrhundert. Dass diese Ausgrabungsstücke nicht in den Kellern verstauben, sondern vor Ort der Öffentlichkeit gezeigt werden, entspreche der Politik des Landesmuseums, erzählt Schmauder im Gespräch mit der Neuß-Grevenbroicher Zeitung.
Nicht zuletzt hatte Peter Giesen durch seine Kontakte unter anderem zu Landrat Patt als Vorsitzendem des Kulturausschusses der Landschaftsversammlung die "Heimkehr" der Funde ermöglicht. Peter Giesen, Dieter de Girolami und Günter Holdt nahmen die Objekte voller Erwartungen jetzt entgegen. Rote Plastikkisten bargen die kostbare Fracht. Für Dieter de Girolami ist eines klar: "Garzweiler bleibt interessant - ob weg, oder nicht weg." |