Die Welt, 26. August 2004
Archäologen finden römische Raststätte
Lage wie am Frankfurter Autobahnkreuz, Heizung wie in modernem Energiesparhaus
Ulli Kulke
Ob sie in der strengen ADAC-Bewertung gut abgeschnitten hätte, ist noch nicht ausgemacht. Unklar bislang auch, ob ihre Küche sich eines Lucull-Sterns rühmen konnte. Gute Noten gaben die Archäologen der römischen Raststätte trotzdem schon mal, auf die sie gerade in Neuss gestoßen waren: 400 Quadratmeter, feinste Tuff-Quader aus der Eifel, stabile Schieferplatten, reizvolle Hanglage über dem Rhein. Und die Heizanlage sei "eines Energiesparhauses modernster Ausführung" würdig, sagt Stadtarchäologin Sabine Sauer. Als Grund vermutet sie die Holzarmut im 3. Jahrhundert - knappe Energie war eben schon immer Mutter der Innovation.
Ganz offenbar gehörte die Raststätte zur römischen Fernstraße entlang des Rheins, auf der Streitwagen wie Reisekarren von der Nordsee bis nach Brindisi rumpeln konnten, die aber in diesem Abschnitt ganz besonders verkehrsreich pulsierte. Ein ranghohes Armeekommando war in der strategisch wichtigen Gegend stationiert, die römische Rheinflotte mit rund 1000 Schiffen lag ganz in der Nähe im heutigen Köln. Auf jedem Hügel Kasernen und Lager, voller Kohorten und Legionen - eine militärische Präsenz und Umtriebigkeit also wie heute am Frankfurter Autobahnkreuz. Kein Wunder, dass hier der erste Kapitalist am Niederrhein, Marcus Valerius, mit seiner Ziegelfabrik reich und mächtig wurde, und unschwer anzunehmen, dass Marcus mit dem einen oder anderen Centurio jenes feine Etablissement frequentierte.
Der Bedarf an Rasthäusern war groß. 60 bis 80 Kilometer schafften Reisende auf den ermüdend schnurgeraden, staubigen Kiesstraßen. 60 Meter breit, waren sie rechts und links baumfrei gehalten, um der allgegenwärtigen Gefahr von Raubüberfällen vorzubeugen - oder auch von militärischen Attacken der so angriffslustigen Franken.
Doch apropos Sicherheit: Wie viele Punkte konnten damals die Raststätten selbst machen? Es wird von römischen Reisenden berichtet, die ein Gasthaus betraten und danach nie wieder gesehen wurden. Und Galen, der Leibarzt Marc Aurels, einer, der es wissen musste, meinte gar, das in den Wegehäusern servierte Schweinefleisch stammte nicht immer von Schweinen, sondern hier und da auch von Reisenden. Ob damals die Knappheit auch an Koteletts die Innovationsfreude beflügelte? Wir können gespannt sein auf die weiteren Forschungen in der Unterwelt von Neuss. |