NGZ-Online, 25. August 2004
Rasthaus mit Rheinblick
Neue Funde am Omnibusbahnhof
Christoph Kleinau
Auf der Ausgrabungsfläche am Omnibusbahnhof wurden Fundamente eines steinernen Gebäudes aus dem dritten Jahrhundert gefunden. Basar oder Rasthaus? - Diese Frage beantworten die Archäologen zugunsten der Herberge.
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Arslan Abdurahman und seine Kollegen haben bei Ausbrabungen auf dem Omnibusbahnhof auch Keramikbruchstücke gefunden, die mehr als 40 Kisten füllen. In einer Kastengrube , einem Abfallkübel aus dem zweiten Jahrhundert, legt er gerade weitere Scherben frei. Bedeutendster Fund allerdings waren die Fundamente einer römischen Villa.
NGZ-Foto: Woi |
Etwas abseits von der Fernstraße Xanten-Köln und oberhalb vom Hafen, besser: Landungssteg, lag im dritten Jahrhundert an der Abbruchkante zum Rhein ein fast schon feudal zu nennendes Rasthaus. Das "Vierwinden" der Spätantike. Für diese These spricht viel, auch wenn der letzte Beweis noch nicht erbracht wurde.
Den hofft Sabine Sauer, die Archäologin der Stadt, vielleicht noch im Untergrund des Omnibusbahnhofes zu finden, wo seit nunmehr zwei Jahren und noch bis zum nächsten Frühjahr gegraben wird. Bis in die Zeit der römischen Siedlung im ersten nachchristlichen Jahrhundert haben sich die Archäologen durchgegraben und dabei eine These aufgeben müssen: Dieser vicus, dieser Siedlungsplatz, verödete im dritten Jahrhundert nicht völlig.
Denn in den Schutt von zwei Fachwerkbauten aus dem zweiten Jahrhundert klotzten die Römer ein Gebäude, das mindestens bis ins vierte Jahrhundert in Benutzung war, wie Münzfunde belegen. Auf die Fundamente dieses außergewöhnlich großen Gebäudes waren die Archäologen schon im Vorjahr gestoßen. Anfang April gruben sie tiefer und stellten fest, dass dieses Gebäude im Gegensatz zu den Vorgängerbauten ein stabiles Fundament aus Andernacher Schiefer aufwies und aus Tuffsteinen aus dem Brohltal solide gemauert war.
Aus den Materialien und aus der Größe des Gebäudes, das auf einer Fläche von 10 mal 20 Metern freigelegt wurde und sich vermutlich noch einmal in gleicher Größenordnung unter dem Asphalt in Richtung Münze erstreckt, schloss Sauer: Ein Privatmann kann nicht der Bauherr gewesen sein. Ein öffentliches Gebäude? Auch das scheidet für Sauer aus, denn der vicus, ein Lagerdorf, war ohne eigene Rechtsposition, brauchte kein "Rathaus" oder ähnliches. Vergleiche mit dem bei Euskirchen freigelegten vicus Belgica brachten sie darauf, die Bedeutung des Hauses auf zwei Nutzungsformen zu beschränken: Basar oder Rasthaus.
Sauer entschied sich für die Herberge, denn das solide Gebäude war zu heizen. Sauer: "Solch ein Aufwand wurde für Verkaufsräume nicht betrieben." Erst recht nicht im Raum Neuss, der schon damals eine waldarme Region war, wie Sauer betont. Ein Umstand, dem die Bauherren Rechnung trugen, denn sie bauten ein "Niedrigenergiehaus": Statt aufwändiger und Energie verschlingender flächiger "Fußbodenheizung" gab es nur Heizkanäle - einer ist nachgewiesen -, die die heiße Luft von den außerhalb des Gebäudes gefundenen Befeuerungsräumen ins Haus trug,en wo sie über Hohlziegel der Wände nach oben geleitet wurde.
Luxuriös - mit Heizung und Badehaus - ausgestattet, wurde das große Gebäude trotzdem schon in der Spätantike aufgegeben. Gewaltsam zerstört wurde es nicht. Im frühen Mittelalter wurde es als Steinbruch benutzt, wie Scherbenfunde aus dem neunten Jahrhundert in Ausbruchsgruben belegen. Wo ein Teil der Steine geblieben sind, glaubt Sauer auch zu wissen: In den Fundamenten der in karolingischer Zeit gebauten ältesten Vorgängerkirche des heutigen Quirinus-Münster. Schon 1964, als das Münster einen Heizkanal bekam, war anhand von Kalkmörtelresten festgestellt worden: Alles recycled.
Das Rätsel der verfüllten Keller gelöst
Warum waren die hoch- und spätmittelalterlichen Keller, die die Archäologen an der Rheinseite des Grabungsfeldes am Omnibusbahnhof ausschachten konnten, mit Bauschutt verfüllt? Auf diese Frage hat Sabine Sauer inzwischen eine Antwort gefunden: Sie waren Bauerwartungsland! 1622 nämlich beschloss Abt Laurentius Bever die Übersiedlung der Abtei Kamp von Lintfort nach Neuss, wo die Zisterzienser schon seit dem 12. Jahrhundert eine Kurie mit Kapelle, den Kamper Hof, betrieben.
Um Platz für einen Neubau zu schaffen, so Sauer, kauften der Orden jedes frei werdende Haus auf dem heutigen Omnibusbahnhof auf, riss es ab und füllte mit dem Schutt die Keller. Letztlich scheiterte der Umzug an zu hohen Forderungen der Grundbesitzer. Die Zisterzieser sagten Danke und verkauften die Parzellen an die Sepulchrinerinnen. |