WZ-Newsline, 25. August 2004
Römer-Herberge mit Rheinblick
Andrea Schmitz
Auf dem Omnibusbahnhof ist ein Gebäude gefunden worden, das wahrscheinlich als römische Raststätte gedient hat. Heizung und Badeanlagen sorgten für Komfort.
Neuss. Durch die Grabungen auf dem Gelände des Omnibusbahnhofs ist ein weiteres Kapitel der Neusser Stadtgeschichte aufgeschlagen worden. Wahrscheinlich gab es auf dem Areal ein bis ins vierte Jahrhundert nach Christus genutztes römisches Rasthaus. Reisende, die auf der Römerstraße von Xanten nach Köln unterwegs waren, oder auch Schiffer, die auf dem Rhein Waren transportierten, dürften hier in der Nähe der Hauptstraße der römischen Zivilsiedlung (vicus) ihr müdes Haupt zur Ruhe gebettet haben. Die antike Herberge hatte damals Rheinblick, war mit Heizung und Badeanlagen ausgestattet und bot somit einigen Komfort.
"Bislang waren wir davon ausgegangen, dass im dritten Jahrhundert hier nicht mehr viel passiert ist", erläuterte gestern Stadtarchäologin Sabine Sauer. Umso überraschter sei man gewesen, als im vergangenen Jahr in den einplanierten Resten von Fachwerkbauten aus dem 1. und 2. Jahrhundert massive Fundamente eines außergewöhnlich großen Gebäudes auftauchten. Zunächst wurden hier Schieferplatten verkippt, darauf dann das eigentliche Fundament aus eingemörtelten Schieferstücken errichtet und schließlich Mauerwerk aus Tuffsteinen aufgebaut. In der Breite maß das Gebäude zehn Meter, in der Länge sind bisher knapp 20 Meter festgestellt. Doch vermutlich hatte das Haus eine Ausdehnung von 40 Metern in der Länge.
Das Tuffmaterial stammt mit Sicherheit aus der Gegend um Mayen in der Eifel, eventuell auch der Schiefer. Das Material muss dann über Andernach an den Niederrhein verschifft worden sein. Einen solchen Aufwand konnte sich kein Privatmann leisten. "Magistrats- und Verwaltungsgebäude dürften in der schlichten römischen Siedlung aber gefehlt haben", erklärte Sabine Sauer. Aus Vergleichen mit der bei Euskirchen ausgegrabenen vicus Belgica schließt die Stadtarchäologin daher, dass es sich bei dem Fund um ein römisches Rasthaus handelt. Dafür spricht auch die Tatsache, dass das Gebäude beheizt war. Es wurden kleinere Anbauten gefunden, die als Befeuerungsräume einer Heizungsanlage dienten. Auch ein Heizkanal wurde freigelegt, ebenso fanden sich Hohlziegel, durch die die heiße Luft durch die Wände geleitet wurde. Eine großflächige Fußbodenheizung, wie sonst bei den Römern üblich, dürfte im 3. Jahrhundert zu aufwändig gewesen sein: Die Wälder im Umland von Novaesium waren bereits abgeholzt und der Landwirtschaft gewichen. So baute man ein "Energiesparhaus", das mit weniger Holz beheizt werden konnte.
Auch der schon bei früheren Grabungen nachgewiesene Stichweg von der Oberstraße bis vor das jetzt entdeckte Gebäude lässt eine Interpretation als Raststätte plausibel erscheinen. "Vielleicht lassen sich bei den stichprobenartig geplanten Untersuchungen im Bereich der Platanen im Herbst noch einige Anhaltspunkte gewinnen", sagte Sauer. Im frühen Mittelalter hat der römische Bau als "Steinbruch" gedient. Unter anderem wurde das Material für die erste Kirche unter dem heutigen Münster verwendet. |