Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 18. Februar 2004

Zu Fuß in die Jungsteinzeit

Ausgleichsfläche als Geschichtspfad

Sebastian Meurer

Der in Neurath unmittelbar an der Gemeindegrenze geplante Bau der BoA-Blöcke durch RWE Power wird neben manch anderem auch eine völlig neue Optik nach sich ziehen. Betroffen hiervon sind vor allem Sinsteden und Vanikum, die daher in besonderer Weise vom Ausgleichsflächenkonzept profitieren sollen, das im Rahmen des Ende Januar eingeleiteten Änderungsverfahren für den Flächennutzungsplan erörtert wird.

Projektplan
Von einer jungsteinzeitlichen Rodungsinsel bei Vanikum (nicht im Bild) zieht sich das "Band durch die Jahrtausende" am Ortsrand von Sinsteden entlang.
Foto: Thieleke

Wie schon dem Gemeinderat stellte Ralf Thielecke von der Städtebaulichen Arbeitsgemeinschaft Meckenheim das Projekt nun auch den in gemeinsamer Sitzung tagenden Ausschüssen für das Bauwesen sowie für Planung und Umwelt vor. Vor der Illusion, die etwa 170 Meter hohen BoA-Blöcke aus dem Gesichtsfeld verbannen zu können, warnte der Städteplaner eingangs unter Hinweis auf ein Zitat von Marcel Proust.

Für den französischen Schriftsteller bestand "die echte Entdeckungsreise ... nicht darin, eine neue Landschaft zu suchen, sondern mit anderen Augen zu sehen". Sinsteden vorgelagert, sollen dabei mit viel Grün eingefasste Landschaftsmodelle entstehen, welche die am Gillbach gut dokumentierte Geschichte von der jungsteinzeitlichen Besiedlung bis hin zur Neuzeit widerspiegeln. Als Ackerbaufläche waren die im Bereich Rommerskirchen besonders qualitätsvoll rheinischen Lössböden nämlich schon in der Prähistorie sehr begehrt.

Exemplarisch für die Besiedlung der Landschaft während der Jungsteinzeit soll eine typische kleine Rodungsinsel ebenso entstehen, wie das - angesichts der zuletzt sehr zahlreichen Funde - sicherlich weitaus bekanntere Modell eines römischen Gutshofs. In ihrer heutigen Form geht die Gründung der Dörfer auf das Mittelalter zurück. Widdeshoven etwa wurde 793 erstmals urkundlich erwähnt, und auch Sinsteden erlangte spätestens im Mittelalter seine Ortsfestigkeit. Nach den Vorstellungen der Planer sollen am Ortsrand "einige ausgewählte Landschaftsbestandteile des mittelalterlichen Dorfumfelds angelegt" werden.

Auf einer in südöstlicher Hanglage orientierten Fläche ist eine Wiese "mit Hochstämmen alter Obstsorten" geplant. Nordwestlich der Ortslage schließt sich eine Waldfläche an, die mit Bäumen und Baumgruppen bepflanzt wird. Westlich von Sinsteden soll eine kleinere Fläche mit Gehölzen bepflanzt "und durch eine dem Niederwaldbetrieb ähnliche Nutzungsweise gepflegt" werden.

Den Abschluss bilden soll ein der Neuzeit beziehungsweise der Industriellen Revolution gewidmetes Landschaftsmodell. Von der einstigen Nutzung einer Bahnstrecke westlich von Sinsteden zeugt heute nur noch ein in der Landschaft verbliebener Damm. Sichtbar gemacht werden soll dies durch einen anzulegenden Streifen Brachland , der durch Mahd im Abstand von einigen Jahren freigehalten wird.

Zwecks optischer Betonung der linearen Struktur sollen die Oberkante des Damms künftig neu gepflanzte Birken zieren. Komplettiert wird das Konzept durch einen Verbindungsweg, der gleichsam als Zeitachse fungieren und mit Bäumen bepflanzt wird, wobei jeder Baum 50 oder 100 Jahre auf der Zeitachse symbolisiert. Um die jeweiligen Epochen zu betonen, wird jeder ein "Charakterbaum" zugeordnet.

Für die bis 1.800 v. Chr. währende Jungsteinzeit sollen 47 Linden gepflanzt werden. Die folgende Bronzezeit bis 800 v. Chr. symbolisieren 20 Buchen, anschließend stehen 25 Eichen für die Eisenzeit bis 50 v. Chr. Die bis ins Jahr 250 angesetzte römische Besiedlung hingegen repräsentieren sechs Walnussbäume, während die Zeit der Völkerwanderung mit fünf Buchen vertreten wäre. Das immerhin 1.000 Jahre andauernde Mittelalter fände seinen Niederschlag in 20 Hainbuchen, für die frühe Neuzeit stünden sechs Roteichen und die Industrialisierung fände ihr Symbol im Import, nämlich in vier einst eingeführten Robinien.

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