Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 9. Dezember 2003

Feuer auf dem mittelalterlichen Hof

Archäologen wurden fündig

Bei Kapellen sind noch bis Ende der Woche Archäologen dabei, einen Hof aus dem Hochmittelalter freizulegen. Gefunden wurden bisher ein Ring, Keramikstücke und ein Keller.

Bürgermeister Hoer mit Beigeordneten und Archäologen
Bürgermeister Theo Hoer (l.) mit seinen Beigeordneten Michael Heesch (2.v.l.) und Werner Hofmann (3.v.l.) mit Mitarbeitern der Archäologen.
NGZ-Foto: M. Reuter

Es war die Zeit der Kreuzzüge und der Kaiser, die ständig im Reich unterwegs waren. Und vielleicht dürften die Bewohner des Hofes auch davon gehört haben, dass im nahen Neuss ein Mann aufgetaucht war, der sich als Kaiser Friedrich II. ausgab, entsprechend hofiert wurde, aber ein Betrüger war. Es war eine dunkle Zeit, geprägt von starken und schwachen Königen, von prächtigen Fürstenhöfen und dem kargen Leben der Bauern auf dem Lande.

Ein solcher Bauer siedelte auch am Rand der Ortslage des heutigen Kapellen an, dort, wo die Straße "Auf den hundert Morgen" in den Kreisverkehr nach Kapellen oder Vierwinden mündet. In diesem Bereich will die Stadt Grevenbroich ein Gewerbe- und Wohngebiet errichten. Und wie bei allen solchen Vorhaben sind erst einmal die Archäologen gefragt, um das zu sichten und zu sichern, was demnächst dem Bagger zum Opfer fällt.

Und so waren Experten des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege auf den hundert Morgen unterwegs, um dort das Auge mit Blick auf ungewöhnliche Dinge schweifen zu lassen. Und tatsächlich: Es gab Hinweise, die nur einem Experten auffallen konnten. So rückten die Archäologen an und legten ein ganzes Gehöft frei. Am Montag begab sich nun Bürgermeister Theo Hoer mit seinen Dezernenten Michael Heesch und Werner Hoffmann aufs Ausgrabungsgelände. Denn sie hatten in den vergangenen Tagen gehört, dass die Archäologen dort interessante Funde gemacht hatten.

Grabungsleiter Stefan Graskamp aber ist ganz vorsichtig. Nur beiläufig erwähnt er den Ring, dem ein längst vergessener Mensch beim Pfahlbau vom Finger geglitten war. "Es war ein Metallring mit einer Inschrift. Bisher haben wir die Buchstaben R und I erkennen können." Ansonsten ist eine Ecke des Containers, in dem sich die Archäologen in diesen Tagen aufwärmen und Büroarbeiten erledigen können, angefüllt mit Keramikscherben. Diese wurden bei den Grabungen entdeckt, die die Ausgräber zu einem Keller geführt haben.

Im Vorraum dazu stecken noch große Gefäße in der Erde. Sie wurden wohl für Vorräte verwendet, "wahrscheinlich für Sauerkraut", wie der Bürgermeister vermutet. Graskamp lässt sich darauf nicht ein. Gleichwohl verrät er, dass es den Verdacht auf ein Grubenhaus auf dem Gelände gebe. Wie das ausgesehen haben mag, zeigt Graskamp auf einer Zeichnung eines Fundortes in Hessen. Dort war ein solches Haus entdeckt worden mit einem Dach und einer Vertiefung, in der Vorräte lagerten.

Außen war ein Webstuhl angebracht, der sich in Kapellen allerdings nicht nachweisen lässt. Spuren, die etwas über dramatische Stunden des Hofes erzählen, haben die Archäologen im zwei Meter tiefen Keller gefunden. Dort gibt es entlang einer Linie, die einmal eine Kellertreppe gewesen sein könnte, schwarze Stellen im Boden. "Das deutet darauf hin, dass der Hof einmal gebrannt hat", sagt Graskamp, der sogar glaubt, dass dem Hof dieses Schicksal gleich zwei Mal wiederfahren ist.

Entdeckt wurden auch kreisrunde Schächte, etwa zwei Meter tief, aus denen Mergel geholt wurde, ein kalkhaltiger Lehm mit 20 bis 40 Prozent Tonanteil. Er wurde unter anderem für die Herstellung von Gefäßen benötigt. Außerdem gibt es auf dem Gelände noch mehrere kleine kreisförmige Löcher. "Sie dürften für Pfähle gemacht worden sein", vermutet Graskamp. Zurzeit sind die Archäologen dabei, diese Löcher so zuzuordnen, dass womöglich ein Rechteck dabei herauskommt.

Das wäre dann ein Hinweis darauf, dass der Hof auch eine Scheune hatte, gehalten von Pfählen. Die Fundstücke liegen nun im Rheinischen Amt für Denkmalpflege. Im Rahmen einer Wanderausstellung werden sie auch einmal in Grevenbroich zu sehen sein. "Ich bin gespannt auf die Dokumentation", sagt Michael Heesch. Denn nur so könnten die Fundstücke auch erklärt werden. Selbst behalten will die Stadt den Ring und die Scherben nicht.

"Sie würden ja nur in Kartons liegen", sagt Theo Hoer. Irgendwann gegen Ende des Hochmittelalters wurde der Hof dann aufgegeben. Warum das so war, wissen die Archäologen nicht. Ein Grund könnten kriegerische Auseinandersetzungen gewesen sein. Vielleicht haben sich die Bewohner dann nur ein paar Meter weiter in Kapellen angesiedelt, wo heute womöglich noch ein Nachfahr jener Bauern von den "Hundert Morgen" lebt, der gar nichts davon weiß.

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