Novaesium, alias Neuss

NGZ-Online, 13. Mai 2003

Stadtgeschichte wird wieder sichtbar

Fundamente alter Stadtmauern rekonstruiert

Noch sperren Bauzäune das Areal ab, knabbern Baggerzähne am Beton und müssen die Fußgänger Slalom laufen, doch das wird bald vorüber sein: Nahezu abgeschlossen sind die Rekonstruktionsarbeiten im Umfeld des historischen Hamtores in der Neusser Innenstadt; im August soll feierliche Eröffnung eines Areals sein, das Stadtgeschichte wieder sichtbar machen wird.

Hamtorplatz
Ein Fachunternehmen ist dabei, die aus verschiedenen Jahrhunderten stammenden Fundamente des Hamtores nach ihrer Freilegung zu rekonstruieren. Entstehen wird ein begehbares Stück Stadtgeschichte, das im August freigegeben wird.
NGZ-Foto: H. Jazyk

Planungsdezernent Stefan Pfitzer ist voll des Lobes: "Dieses Vorhaben ist ein wunderbares Beispiel gelungener Rekonstruktion archäologischer Funde. In ungewöhnlich nachvollziehbarer Deutlichkeit kommt ein Stück altes Neuss wieder zum Vorschein. Als wertvoller Beitrag der Stadtgestaltung wird das Hamtor mitsamt Umgebung in neuer Pracht erstrahlen." Um die bisher sichtbaren Arbeiten zu erklären, griff Stadtarchäologin Sabine Sauer gestern bei der Vorstellung auf die jüngere und ältere Geschichte zurück.

Sie erinnerte daran, dass im Sommer vergangenen Jahres auf dem Hamtorplatz Fundamente des 1844 niedergelegten Hamtores archäologisch untersucht worden seien und man dabei drei unterschiedliche Bauphasen analysieren konnte: Aus der Zeit um 1200 stammen die Fundamente des ersten Tores. Das zweischalige Gussmauerwerk aus Tuffschalen mit einer Kieselgussfüllung bildete einen 3,5 Meter breiten und rund sieben Meter langen Tordurchlass. In der Mitte des 13. Jahrhunderts wurde dieser schmale Einlass zu einem stattlichen, knapp 20 Meter langen Tor ausgebaut.

Bearbeitung des MauerwerksDas Mauerwerk bestand aus wechselnden Lagen von Basalten und Tuffen. Der Ausbau des Tores, so erklärte die Stadtarchäologin, erfolgte im Rahmen eines Bauprogramms von Konrad von Hochstaden, dem Kölner Erzbischof und Stadtherren von Neuss, der die Stadt in der Mitte des 13. Jahrhunderts neu befestigen ließ. Das Baumaterial dazu wurde in den erzbischöflichen Steinbrüchen gewonnen, die Tuffe stammten aus dem Brohltal, die Basalte aus Linz. Da die Stadtmauer, von der am Hamtorplatz noch zwei Bögen stehen, nur mangelhaft fundamentiert war, musste der Stadtmauerring im 14. Jahrhundert nachgerüstet werden.

Parallel zum alten Ring entstand ein neuer, der über drei Meter tief ins Erdreich geht. Die Mauer wurde aus wechselnden Lagen von Basalten und Feldbrandziegeln hergestellt. Die tiefe Fundamentierung war wichtig geworden, so Sabine Sauer, weil lombardische Truppen es zu dieser Zeit meisterhaft verstanden, nur an der Oberfläche beginnende Wehrmauern einfach zu unterhöhlen, um dann entweder über das eingestürzte Mauerwerk oder unterirdisch in die Städte zu gelangen.

Eine archäologische Baustelle ist das Areal seit Herbst vergangenen Jahres. Die Fundamente des Hamtores und des äußeren Mauerrings wurden im Boden konserviert und im oberirdischen Bereich rekonstruiert. Dabei blieben die Abbruchkanten erhalten und zeigen so exakt die Querschnitte der alten Bauwerks-Gründungen. Für die Maurerarbeiten konnte die Firma Karl Ditandy aus Oberfell an der Mosel gewonnen werden. Sie verfügt über reichhaltige Erfahrung im Bereich Burgensanierung und Denkmalpflege. Bei der Nachbildung beziehungsweise Aufarbeitung kamen die dem Originalmauerwerk entsprechenden Materialien zum Einsatz.

Zum Abschluss der Arbeiten werden die quasi als Schalung dienenden Tuffsteine sandgestrahlt, damit sie schneller "Patina" ansetzen können. Zuletzt wird der gesamte Raum zwischen den rekonstruierten Mauerresten mit Grauwacke-Altstadtpflaster belegt. "Das wird dann so attraktiv, dass Ausgrabungen und Neugestaltung möglicherweise ein Vorbild für das künftige Gesicht des Busbahnhofes sein könnten", so Planungsdezernent Pfitzer.

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