Aus den Löchern geholtAusstellung über "Archäologie im Rheinland 2001" Helga Bittner Frisch auf den Tisch, aber trotzdem steinalt - ein Widerspruch, der zumindest im Hinblick auf die Exponate in der am Dienstag eröffneten Foyer-Ausstellung im Clemens-Sels-Museum keiner ist. Denn die Teller, Werkzeuge, Fingerringe oder Münzen in den Vitrinen sind teilweise schon mehrere tausend Jahre alt, doch als Fundstücke noch recht jung.
Sie stammen aus Neuss, Jüchen oder Meerbusch; aus Monheim, Goch oder Viersen; Krefeld, Zülpich oder Moers und sind die neuesten, dem rheinischen Boden abgewonnenen Zeugnisse aus dem Leben unserer Vorfahren, die das Rheinland einst besiedelten. Zugleich sind sie der Nachweis dafür, dass die archäologische Forschungen des Landschaftsverbandes Rheinland eine nicht enden wollende Arbeit sind, denn wie stellte Dr. Harald Koschik, Leiter des Rheinischen Amts für Bodendenkmalpflege bei der Präsentation von "Archäologie im Rheinland 2001" fest: "Der Boden ist noch lange nicht erschöpft." Sobald irgendwo ein Loch in der Landschaft entdeckt wird, sind die Archäologen zur Stelle. Manchmal entpuppt sich ein Hohlraum im Boden als "Scheinfundstelle", weil er durch natürliche Bedingungen entstanden ist, manchmal erweist er sich auch als wahre Fundgrube von Zeugen uralter Lebensweise. Manchmal erkennen die Forscher auf Anhieb den Wert eines solchen Schatzes, manchmal aber hilft ihnen erst eine genaue Betrachtung auf die Sprünge. Wie zum Beispiel bei den kleinen Stückchen aus weißem Pfeifenton, die im Vorfeld des Braunkohletagebaus bei Altdorf zu Tage kamen, zusammengefügt eine Theatermaske darstellten und die Archäologen so auf die Spur einer römischen Villa mit eigenem Gräberfeld brachten, aus dem schließlich noch eine seltene Glasurne geborgen wurde. "Ganz kleine Teile sind das", erklärt Dr. Udo Geilenbrügge vom Bodendenkmalamt, "und die sind auch noch völlig verschmutzt." So hat es denn auch eine Weile gedauert, bis man feststellte, dass die Theatermaske nur Zierrat war, den Sinn ihres Besitzers für römische Lebensart an der Hauswand dokumentierte, sich aber nicht auf ein Gesicht anpassen ließ. Wenn Archäologen von Fundstellen und -stücken erzählen, kommt das Wort "Glück" häufig vor. Denn bevor sie mit Fleiß und Akribie an die Arbeit gehen können, braucht es oft die Gunst Fortunas: dass etwa auf einer Baustelle jemand aufpasst und eine Scherbe nicht achtlos zur Seite wirft, oder dass eine vermeintliche Bombe sich als kugelbauchförmiger Doppelhenkelkrug entpuppt - eine Grabbeigabe aus dem vierten Jahrhundert. Letzteres so geschehen bei Bauarbeiten in der Neusser Altstadt, wo weitere Ausgrabungen schließlich die Reste einer um 1800 existierenden Töpferei ans Tageslicht holten. Deren Produkte, zumeist wohl überschüssige oder misslungene, sind nun zum ersten Mal zu sehen. Noch nicht komplett ausgewertet, wie Dr. Carl Pause, Archäologe des Clemens-Sels-Museum zugibt, aber schon mal die Vorboten einer großen Schau, mit der 2004 die Ergebnisse der Ausgrabungen an der Michaelstraße dokumentiert werden sollen. Ausstellungen wie diese zeigen aufs Schönste den engen Zusammenhang zwischen archäologischen Funden und der Erforschung historischer Lebensumstände. Die Teekännchen aus der Neusser Töpferei zum Beispiel belegen, dass das Getränk um 1800 bereits im Bürgertum verbreitet, nicht mehr allein dem Adel vorbehalten war; eine zu ihrer Zeit als wertvolles Objekt geltende Scheibenkeule, die ganz untypisch und weit weg von ihrem eigentlichen Existenzraum in Goch-Pfalzdorf gefunden wurde, zeigt, dass sich die Menschen schon in der Steinzeit - und sei es als Krieger mit Beutestücken - auf Wanderung begeben haben. Ausstellungen wie diese halten die Neugier am menschlichen (Vor)Leben wach; sie sind Informationsträger (vor allem in Verbindung mit der Buchdokumentation "Archäologie im Rheinland 2001", mit der der LVR jetzt zum 15. Mal seine Arbeit in der Bodendenkmalpflege belegt); sie sind öffentlicher Beweis für die Effizienz amtlicher Arbeit, und sie bedienen zudem die menschliche Schaulust, aber sie verhelfen auch zu einer sinnlichen Wahrnehmung von Dingen, die von Händen gemacht, berührt, getragen wurden, die längst wieder zum Staub der Erde gehören. |
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