NGZ-Online, 16. Oktober 2002

Römer sahen noch den ursprünglichen Zustand

Erftverbands-Vorstand berichtet über Geschichte der Erft

Friedhelm Ruf

"Römer zogen einst durch unser Land", heißt eine Zeile im Neusser Heimatlied. Sie besiedelten das Land hinter dem römischen Lager und bauten Höfe in der Umgebung. "Sie waren die letzten, die die Erft in ihrem ursprünglichen Zustand gesehen haben", sagte Erftverbands-Vorstand Jens-Christian Rothe in einem Vortrag zur Geschichte der Erft.

Erftdreieck
Das so genannte Erftdreieck bei Mühlrath vor mehr als 30 Jahren. Im Laufe seiner Geschichte hat der Fluss viele Veränderungen erfahren.
NGZ-Foto: Archiv

"Die Erft hat im Laufe der Jahre eine Vielzahl von Bezeichnungen gehabt", sagte Rothe jetzt vor Mitgliedern des Rotary Clubs Grevenbroich. Erstmals erwähnt worden sei der Fluss im Jahr 796 als "arnapa", andere Namen seien Arnefa, Arnapus, Arpa, Arfia, Arfe, Arff, Erff, Erfft und schließlich Erft. Wie der Name habe sich auch der Flusslauf während der Jahrhunderte immer wieder geändert.

Zur Zeit der Römer und Franken sei der natürliche Verlauf der Erft im Wesentlichen unangetastet geblieben. Im Mittelalter aber seien die ersten gravierenden Eingriffe in die Erft bekannt geworden. So habe die Mühle Gustorf die Erft 1386 zu einem "fauligen Grund" aufgestaut.

In jener Zeit sehe man die Bannmühlen wie Pilze aus dem Boden schießen, was ein einträgliches Geschäft für den jeweiligen Besitzer (Adel und Kirchen) gewesen sei. "Deshalb war auch die Erft mit Wassermühlen, Öl- und Kornmühlen, gespickt", sagte Rothe. Veränderungen habe die Erft auch durch die zahlreichen Motten, Burgen und Schlösser erfahren.

Für ihre Wasserburgen hätten die Besitzer Erftwasser komplett abgeleitet, was im übrigen auch den Mühlenbesitzern gestattet gewesen sei. "Und wir sehen überall Enten- und Fischteiche, Krebsgärten, Pferdeschwemmen und Viehtränken. Da dies alles nicht ohne Stauanlagen gegangen sei, habe sich der Erftverlauf zu einem mäanderartigen Gebilde mit üblen Folgen für die Bewohner des Erfttals wie regelmäßige Überschwemmungen oder Versumpfungen weiter Landstriche entwickelt."

Es gab weitere Belastungen wie Viehsterben, Sumpffieber, minderwertige landwirtschaftliche Erzeugnisse. Der große Eingriff, genannt Melioration der Erft, um den schlechten Zuständen ein Ende zu setzen, sei 1862 in Angriff genommen worden. Dabei sei der Fluss rigoros begradigt worden. Ebenso hätten alle Gräben und Zuläufe einen eigenen Zulauf und alle Mühlen einen eigenen Mühlengraben bekommen.

Ein neuer Erftfluss, Erftkanal, sei angelegt worden. "So verlor die Erft ein Viertel ihrer Länge, sie schrumpfte von zirka 133 Kilometer auf rund 104 Kilometer. Das war allerdings nicht die erste Verkürzung", wie Rothe schilderte. Im burgundischen Krieg schnitt Karl der Kühne bei der Belagerung von Neuss die Erft, die damals viel weiter nördlich in den Rhein floss, 1474 einfach ab und verlegte ihre Mündung nach Grimlinghausen, dorthin, wo die Erft auch heute den Rhein begrüßt.

Im 18. Jahrhundert gab es eine weitere Verkürzung, als der Besitzer der Gymnicher Mühle alle unterhalb seiner Mühle gelegenen Erftschlingen beseitigte, um Rückstaue zu verhindern. Immer wieder habe der Mensch versucht, die Erft seinen Bedürfnissen entsprechend zu nutzen. Kurz nach der Melioration habe eine Reihe von Industriezweigen die nun gebändigte Wasserkraft entdeckt. Zuckerfabriken, holzverarbeitende Betriebe, Gerbereien, Tuch- und Papierfrabriken siedelten sich an, ab 1890 sei dann der Braunkohlenbergbau hinzugekommen.

"Sie alle schufen erstmals anstelle der bisher üblichen Tagelöhnerarbeit feste Arbeitsplätze mit einer gesicherten Existenz, die für die Bevölkerung ersten Wohlstand und günstige Zukunftsaussichten brachten, die vorher nur in geringem Maße von Mühlenbetrieben und Landwirtschaft gewährt werden konnten", sagte der Erftverbands-Chef. Für das Wasser der Erft habe diese Industrialisierung eine andauernde und immer stärker werdende Verschmutzung bedeutet, die zum Ende des Ersten Weltkriegs ungeahnte Ausnahme angenommen hätte, da alle kriegswichtigen Betriebe - und das hätten alle von sich behaupten können - keinerlei Reinigungsvorschriften für ihr Abwasser unterworfen waren.

Die Reinigung von kommunalen Abwässern war zwar geregelt, doch es fehlte an den Finanzen, um das umzusetzen. So sei die Erft ein trübes, mit Fäkalien angereichertes, verpilztes und schaumführendes Gewässer gewesen, was einige Bürger damals so umschrieben: "Der Erft entstiegen Ausdünste, die einen Aufenthalt in der Nähe des Flusses unmöglich machen."

Bis 1936 habe man mit Hilfe der Wasserpolizei, der technischen Weiterentwicklung und der menschlichen Einsicht eine weitgehende Klärung der Abwässer der Industrie erreichen können, die Klärung der kommunalen Abwässer aber lag weiter im argen. In dieser Zeit habe sich der Fluss auch zu einem begehrten Angelgewässer entwickelt. Im und nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Fischbesatz verschwunden.

Nach dem Krieg habe es Diskussionen um organisatorische Veränderungen gegeben, aus denen 1958 der Erftverband hervorgegangen sei. Es gab viele wasserwirtschaftliche Probleme zu lösen, wobei besonders die Grundwasserabsenkung durch die Tagebaue und die Einleitung von Sümpfungswasser dominierten, so dass die Erft zurzeit noch permanentes Hochwasser führt. Doch das wird nicht so bleiben.

Dass diese Funde von Stadt-Archäologin Sabine Sauer und ihrem Team aus dem 13. Jahrhundert stammen, ist ihnen nicht unbedingt anzusehen. Wer künftig auf dem umgestalteten Hamtorplatz verweilt, wird dies sicher glauben. Denn die Planungs- und Kulturpolitiker haben sich entschlossen, die historischen Funde nicht einfach wieder zuzuschütten oder vor den Augen der Öffentlichkeit zu verhüllen. Sie sollen in die bisher vorgesehene Gestaltung des Areals so integriert werden, dass sie dauerhaft sichtbar ein Zeugnis der historischen Lage des Hamtorplatzes sind. Sabine Sauer war überrascht, dass direkt unter der Asphaltschicht "ungewöhnlich gut erhaltene Fundamente von Stadtmauer und Hamtor zu Tage kamen". Sie erlaubten detaillierte Erkenntnisse über den mittelalterlichen Aus- und Umbau der Neusser Stadtmauer.

Sichtbar sind nun die Fundamente des Hamtors, einem ehemals zweigeschossigen Haustor mit einem großen Rundbogenportal. Sauer: "Die neuesten archäologischen Untersuchungen haben gezeigt, dass das rund 16,5 Meter lange und neun Meter breite Tor in zwei Torkammern unterteilt war. Es bestand ebenso wie der große Wehrgangbogen aus Basalten und Tuffen." Das Hamtor hatte im hohen Mittelalter eine wichtige Bedeutung. Ein Teil des Fernhandels nach Nordwesten, nach Flandern und Brabant lief über dieses Tor in die heutige Büttger Straße, einer alten, schon seit römischer Zeit bestehenden Wegeverbindung. Wie die Funde nach Ansicht der Verwaltung sichtbar und in die Umgestaltung des Hamtorplatzes integriert werden sollen, erklärte Planungsdezernent Stefan Pfitzer den Mitgliedern beider Ausschüsse am Mittwoch vor Ort: Stadtauswärts gesehen sollen die historischen Steine ins Pflaster integriert werden und den Verlauf der Torkonstruktion anzeigen.

Auf der linken Seite sollen die Überreste bis auf 90 Zentimeter aufgemauert werden. Dass dafür historische Steine aus benachbarten Grabungen verwendet werden, versteht sich für die Leiterin der Bodendenkmalpflege Sabine Sauer von selbst. "Wenn die Steine nicht reichen, werden wir Eifel-Tuff-Steine aus der Nähe von Mayen hinzunehmen." Das Ganze wird mit Erläuterungstafeln populärwissenschaftlich ins rechte Licht gerückt. Dafür sollen auch die Neusser Heimatfreunde ins Boot geholt werden, um die Darstellung im historischen Gesamtkontext abzurunden. Meinte CDU-Ratsherr Carsten Greiwe und erntete keinen Widerspruch.

Für Ingo Stolz (SPD) wird der neu gestaltete Hamtorplatz "zur Erhöhung der Urbanität beitragen". Ob Kultur oder Planung, die Politiker waren sich einig: So machen wir's. Voraussichtlicher Start soll im kommenden Frühjahr nach Beendigung der Grabungen sein. Wer sich selbst vor Ort ein Bild machen möchte, hat dazu am Sonntag zwischen 14 und 16 Uhr anlässlich des Tages des offenen Denkmals die Gelegenheit. Danach werden die wertvollen Funde verhüllt.

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