WDR, Forschung, 29. August 2002

Von Kellern und Klostermauern

Am Busbahnhof Neuss legen Archäologen das Mittelalter frei

Grabung Busbahnhof; Rechte: WDR
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"Man kann hier in Neuss keinen Spatenstich machen, ohne irgendetwas aus der Vergangenheit zu Tage zu fördern." Sabine Sauer ist Stadtarchäologin der Stadt Neuss, und wenn sie sich über das Geländer der Ausgrabungsstelle lehnt und die einzelnen Mauerreste erklärt, merkt man ihr die Begeisterung für ihren Beruf an. "Dieser Fund ist sehr, sehr wichtig, denn er belegt, dass Neuss zu Beginn des 10. Jahrhunderts offensichtlich ein wichtiger Handelsplatz war."

Spuren einer langen Geschichte

Bis März 2002 war dieser Platz zunächst mal Busbahnhof. Nun soll hier eine Tiefgarage entstehen, und damit nichts wichtiges aus der Neusser Vergangenheit versehentlich weggebaggert wird, tragen die Archäologen jetzt Schicht für Schicht das Erdreich ab. Ganz vorsichtig arbeiten sie sich durch die Jahrhunderte: am einen Ende der Baustelle ein Bunker aus dem zweiten Weltkrieg, am anderen ein Keller aus dem dritten oder vierten Jahrhundert.

Römische Ziegel und mittelalterliche Lager

"Das ist echtes Recycling", lacht die Archäologin, "häufig haben die Leute im Mittelalter ältere Fundamente genutzt, um ihre Häuser obendrauf zu bauen." Über schmale Holzplanken führt der Weg durch die Ausgrabungsstätte. Nur ein paar Schritte weiter stehen die Überreste von zwei Wohn- und Lagerhäusern aus dem 13. Jahrhundert. Und auch hier finden sich Spuren dieser Mehrfachverwertung: Eine Kochnische ist mit Ziegeln ausgelegt. Die aber müssen schon von den Römern gemacht worden sein, denn die Kunst des Ziegelmachens war im mittelalterlichen Neuss längst in Vergessenheit geraten.

Der Klostergarten unter den Stadtbussen

Auf der anderen Seite des Platzes haben die Archäologen Teile einer Klosteranlage ausgegraben. 1654 hatte sich hier der Orden der Sepulchrinerinnen angesiedelt. In ihrem Klostergarten fand das Team von Sabine Sauer unter anderem einen Backofen und wenige Meter weiter eine kunstvoll gearbeitete Hostienform. "Ausgegraben haben wir bislang nur den Gartenbereich", erklärt Sabine Sauer und weist mit dem Arm auf das angrenzende Stück Straße. "Klostergebäude und Kirche liegen weiter dahinten, wo jetzt noch die Busse fahren."

Buddeln in Brunnen und Latrinen

Doch sobald die umgeleitet sind, so hofft sie, wird sich die zwölf Mann starke Truppe auch nebenan ans Werk machen können. Bis 2004 wollen sie weitergraben, Stück für Stück die mittelalterliche Vergangenheit von Neuss freilegen. Dabei spekulieren die Archäologen auf besonders interessante Funde in den alten Brunnen und Latrinen des Klosters. Denn was hier hineinfiel oder entsorgt wurde, ist in der Regel gut konserviert. Dass sie dabei womöglich mehrere Meter tief graben müssen, stört Sabine Sauer überhaupt nicht: "Wir sind jetzt schon bei einer Tiefe von 2,50 Metern. Aber die Tiefgarage, die hier geplant ist, soll elf Meter tief werden, wir können also noch ein bisschen graben. Und das werden wir auch tun - bis zum bitteren Ende."

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