Sensationsfund aus römischer ZeitNeue archäologische Entdeckungen in Gnadental Rolf Hoppe Für Michael Kaiser, Archäologe und Mitarbeiter der städtischen Bodendenkmalpflege, ist es eine Sensation: Bei Ausgrabungen auf dem ehemaligen Eternit-Gelände ist das bislang älteste römische Grab in Neuss gefunden worden.
Kaiser: "Nach Aussage der vorgefunden Keramik wurde das Grab auf jeden Fall vor der Zeitenwende abgelegt.Daraus ergibt sich eine weitere Besonderheit: Das Grab lag innerhalb der Flächen der Truppenlager A und B. In römischen Siedlungen, auch in Militärsiedlungen, durfte aber nicht bestattet werden. Das lässt zwei mögliche Schlüsse zu: Entweder hat die aus Lager A um 10 n.Chr. abrückende Truppe noch einen Verstorbenen bestatten müssen oder in der kurzen Zwischenzeit nach Auflassung des Lagers A und der Neuanlage des Doppellegionslagers B um etwa 8 n.Chr. blieben noch einige Soldaten hier noch stationiert. Eine so zeitlich enge Datierung von Gräbern ist äußerst selten." Im Frühjahr hatten auf dem ehemaligen Eternit-Gelände an der Kölner Straße die Gründungsarbeiten für die Errichtung eines Obi-Baumarktes begonnen; "höchste Alarmstufe" für die städtische Bodendenkmalpflege. Denn der Ortsteil Gnadental ist auf geschichtsträchtigem Boden entstanden; um die Kölner Straße herum hatten die Römer um 16. v. Chr. damit begonnen, Militärlager einzurichten. Aus denen dann später zivile Siedlungen wurden. Bei älteren Grabungen zeigte sich, dass die archäologischen Funde in einem etwa 30 Meter breiten Geländestreifen parallel zur Kölner Straße am besten erhalten waren. Wie Archäologe Kaiser erklärt, hatten das Lager A (8. v.Chr.) für 3000 Soldaten und B (9. n.Chr.) mit Platz für zwei Legionen mit ihren Hilfstruppen hatten offenbar keine Innenbebauung, die Soldaten waren vermutlich in Zelten untergebracht. Daher sind aus dieser Zeit nur so genannte "blonde Befunde" erhalten, also mehr Verfärbungen des Bodens als echte Fundstücke. Bei den derzeitigen Grabungen auf einem Areal von fast 1000 Quadratmetern konnten aus Zeitgründen zwar nur stichprobenartig kleine Flächen untersucht werden, doch sind hier die Erhaltungsbedingungen besonders gut. Dadurch konnten erstmals Befunde aus dem Innenbereich des Lagers A/B freigelegt werden. Es handelt sich um vier oder fünf Gruben, zwei Kasten- beziehungsweise Fassgruben, einen Brunnen, ferner zwei oder drei Gräber. Die Lage dieser Stätten erkennt der Fachmann an der Verfärbung des Bodens. Mit Hacke und Schaufel haben die Arbeiter zunächst die oberste Erdschicht abgehoben, dann ging es an die Feinarbeit. Während Albert Uhli das Erdmaterial zum Sichten in eine Schubkarre füllt, sucht Harry Kress mit der Kelle nach Fundstücken, mit kritischen Blicken begleitet von Hans Hilbel. Währenddessen zeigt Archäologe Michael Kaiser einen etwa zwei mal einen Meter großen schwarzen Fleck, den er als Brandgrab bezeichnet. Kaiser: "Das sind Reste von Holzkohle, Knochen und Grabbeigaben." Ein anderes Grab ist bereits wieder verfüllt. Hier hat Kaiser besonders interessante Entdeckungen gemacht: Bei diesem bislang ältesten römischen Grab handelt es sich um eine Brandbestattung, bei der alle Grabbeigaben auf dem Scheiterhaufen mit verbrannt wurden: "Das reiche Beigabenmaterial lässt auf einen ehemals recht wohlhabenden Menschen schließen. Es dürfte sich um einen Soldaten, wohl einen Offizier gehandelt haben, der seine Habe von der römischen Militärlogistik beziehen konnte. Unter den Beigaben befanden sich nämlich auch zwei Teller aus arretinischer Terra sigillata, einer hochwertigen Keramik, die in Italien hergestellt wurde. Wegen des weiten Transportweges war dieses Geschirr in frührömischer Zeit in den nördlichen Provinzen sehr teuer." Doch in dem Grab wurde nicht nur hochwertig Keramik gefunden, sondern auch Münzen und Metallteile. Freigelegt wurden ebenfalls ein Brunnen; weitere frührömische Funde sind in der nicht aufgedeckten Fläche wahrscheinlich. Außerdem befindet sich möglicherweise ein Ziegel- oder Töpferofen aus der Mitte des 1. nachchristlichen Jahrhunderts dort. Kaiser: "Wir graben nicht weiter, da die Fläche als Parkplatz genutzt und daher aufgeschottert und asphaltiert wird; also keine Gründungsarbeiten für Hochbauten zu befürchten sind. Daher sind die Befunde nicht aktuell gefährdet und bleiben zukünftiger Forschung erhalten. Die Fläche wird allerdings als Bodendenkmal ausgewiesen." |
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