Krieg und Frieden der Neusser WeltEuroga-Ausstellung im Clemens-Sels-Museum Helga Bittner Denket, daß der Friede nährt Denket, daß der Krieg verzehrt Denket, daß man nichts kriegt Ob man schon auch lange siegt. (Paul Fleming, Neue-Jahrs-Ode, 1633) Das Wort des Arztes und Dichters, - einer der bedeutendsten Lyriker des 17. Jahrhunderts - steht wie ein Motto über der Mammutausstellung, mit der sich das Clemens-Sels-Museum in den Reigen der kulturellen Veranstaltungen im Rahmen der Euroga einbindet. "Krieg verzehrt - Friede ernährt" der Titel der Schau wurde zwar noch ohne Zutun der Neusser gefunden, denn erst seit eineinhalb Jahren gehört das Clemens-Sels-Museum zu dem Kreis von elf Museen, der sich zur Mitgestaltung der Euroga vor vier Jahren gegründet hat. Aber das Team um Museumschefin Dr. Christiane Zangs hat in seinem eigenen Bestand genug gefunden, um das Thema mit seinen wesentlichen Eckpunkten darzustellen. Wenn Zangs indes bei der Beschreibung des Neusser Projekts von einem "Harakari-Unternehmen" spricht, scheint das nicht ganz verkehrt zu sein. Denn was am Obertor trotz der Kürze der Vorbereitungszeit auf die Beine gestellt wurde, ist wohl nur mit einer gehörigen Portion eines "Kopfüber-Muts" zu erklären. Herausgekommen ist dabei eine Schau, die nicht allein mit ihrer Fülle, sondern auch in ihrer sprechenden Gestaltung beeindruckt. Wie in Neuss nicht anders zu erwarten, beginnt alles bei den Römern. Der Archäologe Dr. Carl Pause zeichnet für den ersten Teil der Ausstellung verantwortlich, deren zweiter zu den Mahnmalen von Kriegs- und Friedenszeiten und deren dritter zur Malerei mit diesem Thema führt. Dem Problem, im Gegensatz etwa zu den bildlichen Krieg- und Frieden-Motiven eines Lovis Corinth, einer Käthe Kollwitz oder eines Hans Burgkmair mit archäologischen Fundstücken eher etwas dröges Anschauungsmaterial zu haben, begegnet Pause mit einem sinnlichen Erlebnis. Nils Kämmerling hat ihm als Entreé ein Video zusammengestellt, in dem etliche Szenen aus Römerfilmen zusammengeschnitten sind. Aufnahmen, die das gängige Römerbild im Kopf der Menschen von "Sex and Crime", wie Pause sagt, füttern, aber mit der Realität wenig zu tun haben. Das zeigt dann dann nur wenige Schritte weiter die lebensgroße Nachbildung eines Legionärs, der inmitten eines Raums steht, der dank Folien an den Fenstern in ein rotes Licht getaucht ist. Schrifttafeln und Exponate der römischen Militaria zeichnen den Weg der kriegerischen Auseinandersetzungen nach - bis zur Varusschlacht, zu der von Neuss aus zwei Legionen gezogen waren. Das Skelett aus einem Grab aus dem Bataver-Aufstand dokumentiert die andere Seite, die der Opfer, die damals wahllos in einem Haufen verscharrt wurden. Wie der Schritt in eine andere Welt ist der Eintritt in den nächsten Raum, die "Pax Romana" zieht den Besucher in einen von Säulen getragenen Saal, der nach dem diffusen Rot nun in seiner Helligkeit blendet. Hier geht es um die kulturellen wie lebenstechnischen Errungenschaften aus der Römerzeit: Traufrinnen, Teile von Mosaikböden, bunt bemalte Grabmale (die Römer liebten die Farben), Spielsteine, Kinderrassel und -fläschchen - was eben in Friedenszeiten möglich und nötig war. Diese Gegenüberstellung von Krieg und Frieden zieht sich durch die gesamte Schau, die dabei ganz selten auf Leihgaben zurückgreift. Auch die "Mahnmale", von Dr. Thomas Ludewig konzipiert, stellt etwa den Brustharnisch und das vor Blumen überquellende Friedens-Füllhorn in einer kleinen Installation gegenüber; ein wenig kitschig vielleicht, aber dennoch auch den später im dritten Teil zu sehenden Gemälden entsprechend. 18 Stationen symbolisieren bei den Mahnmalen 18 kriegerische Auseinandersetzungen, dokumentieren mit einzelnen Objekten - von der Rathaustruhe für den Silberschatz bis zu einer "Mein Kampf"-Ausgabe - die Phasen, in denen Neuss unter Besetzern und Not gelitten hat. Wie gebündelt sind die Auswirkungen von Krieg und Frieden dann in der Bildenden Kunst zu erleben. Dr. Christine Zangs hat dafür durch alle Zeiten sprechende Beispiele gefunden, die auf blutroten Stellwänden gezeigt werden. Der größte Reiz dieser Ausstellung - neben der Entdeckung von vielen bislang nie gezeigten Exponaten des Hauses - liegt vor allem darin, die Verknüpfungen ihrer drei Teile zu entdecken; ihre größte Gefahr ist indes die Fülle, ihre kaum zu bewältigende Menge an Informationen und direkter Anschauung. Dem lässt sich nur begegnen, wenn man sie mehrfach und dosiert besucht. Am Obertor, 23. Mai bis 18. August |
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