NGZ-Online, 6. Dezember 2001

Mit nachgebautem Quirinus-Schrein

Ausstellungs-Vorbereitung läuft auf Hochtouren

HDH

Neuss im Jahre 1474: Der Stoff ist filmreif, und wenn Hollywood um ihn wüsste, wäre er längst ein Kassenschlager geworden. Denn eine gewaltige Militärmacht walzt zu dieser Zeit auf die Tore der Stadt zu und droht sie in Schutt und Asche zu versenken. Es ist das Heer des übermächtigen Burgunderherzogs Karl des Kühnen, der sich im politischen Ränkespiel auf die Seite des Erzbischofs Ruprecht von der Pfalz geschlagen hat.

Diorama der Belagerung von Neuss 1474/75

Die Tage des rheinischen Städtchens scheinen gezählt zu sein, da für die 4000 Neusser Bürger kaum die Aussicht besteht, sich der Streitmacht zigtausend feindlicher Soldaten zu widersetzen. Doch mit einem unerwarteten Ausfall bringen die Verteidiger das Heer zum Stillstand und gewinnen wenigstens noch eine Galgenfrist. Was folgt, ist die einjährige Belagerung, die von jeher - zwar nicht Hollywood - zumindest aber die Neusser Historiker und Archäologen interessiert hat, und die auch jetzt wieder ein Thema der neugestalteten Mittelalterausstellung im Clemens-Sels Museums ist.

Passend zum Thema der Ausstellung haben sich die Macher, Carl Pause und Thomas Ludewig, eigens das Schmuckstück des Museums als Ort des Geschehens ausgesucht, das im 13. Jahrhundert erbaute Obertor. Wer also ab dem 13. Dezember den geschichtlichen Abstieg in die Welt des Mittelalters wagen möchte, muss erst einmal einen topologischen Aufstieg bewältigen, um den Gipfel des Turmes mit seinen zahlreichen Ausstellungsstücken zu erreichen. Doch die Mühe soll belohnt werden, denn oben angekommen, warten rund tausend Jahre Geschichte und damit Exponate von der Merowinger Zeit bis hin zum Neusser Stadtbrand im Jahre 1586 auf den historisch motivierten Bergsteiger.

Entgegen der alten Exposition beschränkt sich die neugestaltete Ausstellung diesmal auf einen kleineren Zeitraum, und vermag dadurch "intensiver auf die gewählten Themen einzugehen", wie Carl Pause erklärt. Neben der besagten burgundischen Belagerung, die durch Dioramen von Werner Bender sowie Waffen und Kanonenkugeln dargestellt ist, liegen die Schwerpunkte auf der Darstellung des Lebens der Neusser im Mittelalter und dem Patron der Stadt, dem heilige Sankt Quirinus. Ein eigener Raum beschäftigt sich nur mit der Biografie des einstigen römischen Soldaten, der aus Liebe zu seinem Glauben den Märtyrertod starb.

Schmuckstück ist da der Nachbau des Schreins aus dem 16. Jahrhundert, in dem die Gebeine des Heiligen aufbewahrt wurden. "Mut zur Lücke" war bei der Akzentuierung auf die drei Themenfelder das Motto der beiden Forscher, und wie Thomas Ludewig anmerkt, "die einzige Möglichkeit, um nicht allein dem Laien, sondern ebenso dem fachkundigem Besucher gerecht zu werden. Wir mussten auf ein paar sehr interessanten Themen, die wir Anfangs mit integrieren wollten, verzichten, um detailliert und tiefgründig die drei gewählten beleuchten zu können." Und noch eine Neuerung wird den Besuchern präsentiert: "Wir haben diesmal eng mit der städtischen Bodendenkmalpflege zusammengearbeitet und können dadurch mit alten Fundstücken aufwarten, die bisher noch nicht gezeigt wurden."

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