NGZ-Online, 13. November 2001

Zufallsfund der Archäologen am Hamtor

Gewölbe noch zu untersuchen

-nau

Die Vorstellungen vom Aussehen des äußeren Stadtmauerringes in der Nachbarschaft zum Hamtor ab dem späten 15. Jahrhundert müssen revidiert werden. Denn an der Ecke Hamtorwall/Drususallee stießen die Archäologen auf einen Turm, der auf keinem alten Stich zu finden ist. Jetzt wird überlegt, wie dieser Zufallsfund in die Umgestaltung des Platzes einbezogen werden kann.

Sabine Sauer
Stadtarchäologin Sabine Sauer

Die Belagerungskanonen des Herzogs von Burgund hatten das Hamtor und die angrenzende äußere Stadtmauer übel zugerichtet. "Wir müssen davon ausgehen, dass die südliche Seite sturmreif geschossen wurde", sagt Stadtarchäologin Sabine Sauer mit Blick auf den Mauerring am Wierstraetweg. Dort musste damals eine Bresche mit Feldbrandziegeln geflickt werden.

Dieser Ausbesserung folgte nach Abzug Karls des Kühnen und seiner Mannen eine systematische Verstärkung der Mauer. Dabei zeigten die Neusser, dass sie ihre Lehre aus den Kämpfen gezogen hatten. Sie bauten einen Turm, stark genug um als Feuerstellung einer großen Kanone zu dienen. Auf die gut erhaltenen Reste dieses Befestigungswerkes ist das Amt für Bodendenkmalpflege jetzt gestoßen.

"Bei allen großen Bauvorhaben in der Innenstadt schicken wir erst die Denkmalschützer ins Feld", erklärte Planungsdezernent Stefan Pfitzer gestern am Fundort gängige Praxis. Dass man im Bereich der Stadtmauer etwas finden würde, sei nicht überraschend. Doch dieser Fund wird Auswirkungen auf die Pläne zur Umgestaltung des Hamtorplatzes haben, versicherte der städtische Beigeordnete.

Ausgrabung am Hamtor

"Wir überlegen, wie man das Bodendenkmal sichtbar belassen kann", sagte er zu. Das heißt: Eine Treppe, als schnelle Verbindung zwischen der Bushaltestelle Hamtorwall und der Erftstraße vorgesehen, wird anders angelegt werden.Die Umgestaltung des Platzes wird im Frühjahr angegangen. Nach der Devise "kurz aber heftig" wird, wie Pfitzer betonte, das ganze Vorhaben in einem Jahr durchgezogen.

Trotz des zu erwartenden forschen Tempos will das Amt für Bodendenkmalpflege weiter einbezogen bleiben. Sabine Sauer hofft, auf Grundrisse des Hamtores zu stoßen, die bei der Platzneugestaltung nach Möglichkeit dargestellt werden sollen. Ob es dabei noch einmal einen Zufallsfund gibt?

Der jetzt offen daliegende Turm darf jedenfalls als Überraschung gewertet werden. Denn er ist auf keinem alten Stich zu sehen. "Die kartographische Überlieferung zeigt an dieser Stelle eine rechteckige, zur Feldseite vorspringende Bastion", erläutert Sauer ihr Wissen vor Beginn der Grabungen. Doch die Kartographen verschwiegen einen Teil.

Denn die Archäologen stießen auf einen aus solidem Feldbrandstein gemauerten, halbrunden Schalenturm, der die Bastion verstärkt und der - ganz untypisch - Richtung Stadt "ausbeult". Solche Konstruktionen kennt Sauer nur noch an zwei weiteren Stellen des historischen Mauerringes: Niederwallstraße und Neumarkt. "Offensichtlich", so schlussfolgert die Expertin, "machte das zunehmende Gewicht und Größe der Kanonen eine solche Nachrüstung erforderlich."

Diese Verstärkung am Hamtor geschah allerdings schon zu einer Zeit, als Stadtmauern im frühneuzeitlichen "Rüstungswettlauf" als überholt galten. Beleg dafür ist, so Sauer, dass der im 14. und 15. Jahrhundert auf starkem Fundament gegründete äußere Mauerring unvollendet blieb. Unweit des Hamtor und in Richtung Zolltor setzten die Stadtväter auf Wall und Graben. Die brachten Distanz zwischen Stadt und feindliche Kanoniere.

Auf die jetzt frei gelegte Oberkante des Turmes, der nur auf einem Katasterriss aus dem Jahre 1890 angedeutet war, rechnet Sauer noch einmal einen halben Meter Mauerwerk hinzu. In früheren Jahren stand man dort vier Meter über dem Vorfeld. Das heißt, das im Erdreich noch mehr verborgen liegt. So ist es. Unter der flachen Kuppel gibt es einen Hohlraum, leer und mindestens "zwei Besenstiele lang" tief, wie Sauer weiß. Was der wohl enthält? Den Schatz, auf den Stefan Pfitzer gestern für die Stadtkasse hoffte, sicher nicht. Das wäre keine Überraschung mehr, das wäre eine Sensation.

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