Vom Alltag unter der ErdeZum Tode von Rudolf Pörtner L. Schmidt-Mühlisch Rudolf Pörtner hat einmal in einem Gespräch mit der WELT gesagt: "Wenn Sie etwas Besonderes an mir finden wollen, müssen Sie sich das schon selber ausdenken." Und vielleicht war das der Schlüssel zum Geheimnis seines Erfolges: das Gewöhnliche, das Normale, das Unspektakuläre zum Thema historischer Bücher zu machen. Der archäologische Sachbuchautor Rudolf Pörtner, der am Donnerstag im Alter von fast 90 Jahren in Bonn gestorben ist, hat mit Büchern, die dem historischen Alltag in der Provinz gewidmet waren, immer wieder die Spitzen der Bestsellerlisten erobert. Und genau das hätte er nicht gekonnt, wäre er nicht auch als Mensch geradezu ein Besessener des Normalen gewesen. Sein Erstling "Mit dem Fahrstuhl in die Römerzeit" (1959) hat ihn, den gestandenen Journalisten, der auch mit vielen Beiträgen in der WELT seinem gelernten "Handwerk" die Ehre erwies, mit einem Schlag berühmt gemacht. Und das war in mehrerer Hinsicht eine Sensation. Das Buch, das inzwischen eine Gesamtauflage von mehr als 800.000 erreicht hat, beschäftigte sich schließlich nicht mit so sagenumwobenen Orten wie Troja, Karthago oder Alexandria, nein, es widmete sich dem römischen Alltag in Neuss, Xanten oder Trier. Seine Ausgräber hießen nicht Heinrich Schliemann oder Howard Carter, sondern Petrikovits oder Baader. Die Helden waren Bauern, die den Weinbau an den Rhein brachten, oder einfache Soldaten, die den römischen Limes in Mainz oder Neuss verteidigten. Zu einer Zeit, als Autoren wie Ceram ("Götter, Gräber und Gelehrte") das Publikum noch in eine exotische, abenteuerliche Welt historischer Sensationen entführten, ließ es sich der 1912 in Bad Oeynhausen geborene Westfale einfallen, symbolisch mit dem Fahrstuhl des Kölner Rathauses in die Römerzeit zu fahren. Sein "Trick": Unmittelbare Gegenwart, Forschungsgeschichte und archäologische Befunde so miteinander zu verknüpfen, dass seine Leser regelrecht auf eine Zeitreise gingen. Die Geschichte wurde bei ihm in einen lebendigen Kontext gestellt und bot dem Leser Gelegenheit, sich persönlich damit zu identifizieren. Und die eigene historische Stunde kam ihm zu Hilfe: Pörtner hat es geschafft, die Verunsicherung der Deutschen durch Weltkrieg und Drittes Reich mit einer neuen, unverdächtigen Identität zu beruhigen. Das Schicksal, selbst einmal Kolonie gewesen zu sein, weckte ganz besondere Assoziationen. Die Entdeckung der Region bot Ansätze eines Neu-Einstiegs in lange verachtete oder verdrängte historische Bindungen. Natürlich hat er, nachdem er das Reservoir der deutsch-römischen Archäologie ausgeschöpft hatte - seine Bücher "Bevor die Römer kamen", "Die Erben Roms" und "Das Römerreich der Deutschen" erreichten allesamt hohe sechsstellige Auflagen - sein schriftstellerisches Betätigungsfeld ausgeweitet auf weltläufigere Themen. "Die Wikinger-Saga" (sogar ins Japanische übersetzt) oder "Operation Heiliges Grab" (den Kreuzzügen gewidmet) lesen sich spannend wie Krimis und erklommen mühelos die Spitze der Bestsellerlisten. Seine zusammen mit Hans-Georg Niemeyer herausgegebene zehnbändige Enzyklopädie "Die großen Abenteuer der Archäologie" gilt heute als Standardwerk. Aber er fühlte sich auch dem Alltag der Zeitgeschichte verbunden, wollte gleichsam künftigen Autoren historischer Sachbücher die Arbeit erleichtern. Seine Sammelbände "Alltag in der Weimarer Republik" oder "Heimat in der Fremde" (Erinnerungen der Russland-Deutschen), die er als Herausgeber und Co-Autor betreute, fassten das zusammen, was in Geschichtsbüchern gemeinhin nicht vorkommt: das private Leben. Und das wurde bei ihm zu einem ganz besonderen Stoff. Rudolf Pörtner (1912-2001), Bestseller-Autor und Journalist. Siehe auch: |
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