NGZ-Online, 22. August 2001

Militär-Stützpunkt bis ins fünfte Jahrhundert

Neueste Ausgrabungserkenntnisse

Chris Stoffels

Die Dormagener Stadtgeschichte muss zum Teil neu geschrieben werden: Wurde bisher angenommen, dass sich das Schicksal der römischen Kavalleriestation irgendwann in den ersten Jahrhunderten des vergangenen Jahrtausends verliert, so steht nach den neuesten Grabungen zwischen Rathaus und Castellstraße fest: Durnomagus war bis ins fünfte Jahrhundert Lager für mobile Heeresverbände, die im Rheintal operierten.

M. Vesper vor Ort
Michael Vesper vor Ort.

Für Dr. Michael Gechter vom Rheinischen Amt für Bodendenkmalpflege, seit 1987 Grabungsleiter in Dormagen, fügen sich Funde und Beobachtungen im Erdreich des Rathaus-Umfeldes zu einem festen Bild Dormagens in der ersten Hälfte des ersten Jahrtausends. Und diese Erkenntnisse lockten auch die Neugier des nordrhein-westfälischen Kulturministers Dr. Michael Vesper, der sich jetzt vor Ort bei den Archäologen am Rathaus informierte.

Gechter und sein Team graben unter anderem auf der "Via Praetoria", mit der "Porta Praetoria", gleichsam dem Rhein-Tor, auf dem Grundstück Pingel an der Kölner Straße. Die Erkenntnisse sind so exakt, dass die Zeit dieses ersten festen Kavallerielagers auf den Zeitraum zwischen 80 und 160 n..Chr. datiert werden kann. Doch dieses Lager wird 161/162 ein Raub der Flammen.

Ob der Brand auch eine Katastrophe für die Menschen war, weiß man heute nicht genau. Die etwa 500 Mann starke berittene Truppe war nicht in der Kaserne, sondern kämpfte an der Seite der Bonner Legion am Kaspischen Meer - die Ala noricorum, sollte nie wieder nach Dormagen zurückkehren. Sie war aus Bayern beziehungsweise Niederösterreich an den Rhein gekommen, wie drei am Rathaus gefundene Weihesteine belegen.

Doch die Geschichte des römischen Militärstützpunktes am Rhein geht weiter - allerdings nach einer gewissen Phase der Zivilisierung und unter geänderten Vorzeichen. "Zwischen 260 und 275 entstand eine neue Umwehrung gegen die Gefahr des Eindringens der Franken", berichtet Gechter. Diese spätantike Festung wird zum Teil aus dem recycelten Material alter Anlagen gebaut; Reste aus Blei, Bronze, Steinen lassen darauf schließen.

Etwa zwischen dem heutigen alten und dem neuen Rathaus entsteht ein Verwaltungsgebäude - ansonsten ist das Lager innerhalb der Festungsmauern planiert. Damit tragen die Heeresführer der im Laufe der Jahrhunderte geänderten Militärstrategie Rechnung. Nicht mehr die statische Einheit, die von einem festen Stützpunkt aus operierte wie das ursprüngliche Kavallerielager sind gefragt, sondern Operationsbasen für mobile Heere, die flexibel sind und zu den Krisenherden des damaligen Reiches beordert werden.

Heute würde man vermutlich von "mobilen Einsatzkräften" sprechen. Bis zu 1.000 Mann umfassten laut Gechter solche Einheiten, die in Dormagen für jeweils einen begrenzten Zeitraum stationiert waren und von dieser gut gelegenen Basis im Rheintal aus operierten. Der Archäologe spricht in diesem Zusammenhang etwas despektierlich von einem "bewachten Campingplatz".

Dieser Stützpunkt, so die jüngsten Erkenntnisse von Gechter und seinem Team, bestand dann bis ins fünfte Jahrhundert, als frühere Geschichtsschreiber Dormagen bereits im Dunkel der Geschichte wähnten. Im Schatten dieses Lagers entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte bis heute ein reges Zivilleben.

Und diese über Jahrhunderte fast ununterbrochene Dokumentation Dormagener Lebens ist auch eine Besonderheit der Durnomagus-Ausgrabungen, die auch Vesper in höchstem Maße interesssierte. Denn laut Gechter zählt Dormagen nach den neuesten Grabungen zu den am besten untersuchten militärischen Lageranlagen aus römischer Zeit. An Ausstellungsstücken und Tafeln am Ratskeller-Biergarten und anhand eines Modells im Rathaus kann ein Teil dieser römischen Geschichte in Dormagen nachvollzogen werden.

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