NGZ-Online, 10. Juli 2001

Neuss hat ein gutes Gedächtnis

Das Stadtarchiv beherbergt von alten Dokumenten

SeLa

So wie ein Mensch durch seine Erinnerungen geprägt ist, ja durch sie vielleicht erst seine Identität erhält, ist auch die Geschichte einer Stadt für diese identitätsstiftend. Und was so alles in einer Stadt geschah, erfahren die Bürger meist durch Bücher, Museen, Erzählungen oder - durch ein Stadtarchiv, wie es auch in Neuss eines gibt.

Stadtarchiv
Professor Rolf Nagel ist seit 1990 Leiter des Stadtarchivs an der Oberstraße. Hier lagern unter anderem die Ratsprotokolle bis 1530.
NGZ-Foto: A. Woitschützke

Gern werden Stadtarchive als "Gedächtnis der Stadt" bezeichnet. Zu recht, mag der Besucher des Neusser Archives denken: Fast alles, was sich im Laufe der Jahrhunderte im Neusser Rat und der Verwaltung so getan hat, ist in Urkunden und Akten, die in den Räumen des Archivs an der Oberstraße untergebracht sind, festgehalten. Bis zurück zum Jahr 1530 sind die Ratsprotokolle vorhanden, wobei es, wie etwa während des Dreißigjährigen Krieges, nur kleine Lücken gibt. Im Rheinland geht allein das Kölner Stadtarchiv weiter bis ins Mittelalter zurück. Doch sind es nicht nur amtliche Dokumente, die im Archiv lagern, ebenso sind Schriftstücke, die von Bürgern dem Archiv zugewandt wurden, zu finden. Auch der Bestand des Klarissenklosters, in dem dessen Rechtsgeschäfte festgehalten sind, ist an der Oberstraße untergebracht.

Dass dem so ist, ist eher ungewöhnlich, wie Professor Rolf Nagel, Leiter des Stadtarchivs, erläutert: "Im 19. Jahrhundert wurde unter preußischer Herrschaft der Archivbestand aller Klöster eingezogen. Das hätte eigentlich auch beim Klarissenkloster so sein sollen, doch aus irgendwelchen Gründen wurde der Bestand verschont. So konnte das Stadtarchiv ihn später erwerben." Ein Dokument, das im Archiv lagert, hängt eng mit der Geschichte des Hauses an der Oberstraße zusammen. Nagel: "Dieses Haus aus dem Jahr 1780 war früher die Poststation. Hier kamen die Postkutschen aus Köln an, die von Neuss nach Krefeld weiterfuhren. In unserem Bestand haben wir eine Urkunde aus napoleonischer Zeit, in der jemand vom französischen Innenminister zum Posthalter von Neuss ernannt wird."

Ein offizielles Stadtarchiv gibt es in der Quirinusstadt erst seit 1961. Denn bevor das Landesarchivgesetz von 1990 regelte, unter welchen Voraussetzungen in einer Stadt ein Archiv geführt werden muss, war das Archivwesen eine freiwillige Aufgabe der Städte. Untergebracht war die Sammlung zunächst an der Hammer Landstraße, erst später erfolgte der Umzug an die Oberstraße. Über viele Jahre wurde das Stadtarchiv von Joseph Lange geleitet, dem Neusser Schützenkönig von 1959 / 60, Journalisten und Autor stadt- und schützengeschichtlicher Bücher. Rolf Nagel leitet das Haus seit 1990. Der gebürtige Mönchengladbacher hat Geschichte, Romanistik und Archivwissenschaften studiert. In Marburg legte er die erste und zweite Staatsprüfung für das Archivwesen ab.

Nagel ist Professor für westeuropäische Geschichte an der Gerhard-Mercator-Universität Duisburg. Bevor er nach Neuss kam, arbeitete er im Staatsarchiv in Düsseldorf. Der große Wunsch des Archivleiters: "Die Bedeutung des Archivs sollte von mehr Menschen erkannt werden. Es wäre auch gut, wenn manche Stellen der Verwaltung erkennen, wie wichtig es ist, dass sie ältere Unterlagen an uns abgeben." Denn dem eingangs schon erwähnten Satz stimmt er voll und ganz zu: "Das Archiv ist das Gedächtnis der Stadt".

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