Denken wie ein Legions-ArchitektHeinz Birkenheuer (63) und das "Castrum Novaesium" Wiljo Piel Vor 17 Jahren hat der Wevelinghovener Grafiker Heinz Birkenheuer (63) Feuer gefangen. Seitdem beschäftigt er sich intensiv mit dem "Castrum Novaesium". Eigene Recherchen und neueste archäologische Erkenntnisse zu diesem 40 Fußballfelder großen römischen Garnisonslager, das vor 2000 Jahren an der Neusser Erftmündung stand, fasste er in einem bisher einzigartigen Modell zusammen. Das Schaubild im Maßstab 1:200 ist zurzeit im Stadtparkmuseum zu sehen.
Es war im Jahr 1884, als Dr. Constantin Koenen an der Kölner Straße in Neuss auf römische Fundamente stieß. Anfangs waren es nur ein paar alte Steine, die sich unter einem Acker verbargen - in den Folgejahren wurde daraus aber eine archäologische Sensation: Der Neusser Wissenschaftler entdeckte als erster und bisher einziger ein komplettes Legionslager - 450 Meter breit, 600 Meter lang. Heinz Birkenheuer aus Wevelinghoven ist fasziniert von dieser Ausgrabung: Vor 17 Jahren noch Laie, der eher zufällig auf die Geschichte der Grenzfestung stieß, hat er sich mittlerweile zu einem Castrum-Spezialisten entwickelt, der aus dem Stegreif packende Vorträge über das Leben der alten Legionäre halten kann. Schon zu Beginn seiner Leidenschaft stand fest: Irgendwann wird das Lager maßstabsgerecht nachgebaut. "Vor gut zwölf Jahren habe ich mit der Rekonstruktion der Lagergebäude begonnen", erinnert sich Birkenheuer. Fachleute des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege unterstützten den Künstler bei seiner Arbeit, die heute zu 90 Prozent abgeschlossen ist und die die bisherigen Ergebnisse der archäologischen Forschung dokumentiert. Wichtige Unterstützung lieferten die Original-Grabungspläne von Constantin Koenen, die Heinz Birkenheuer mit Hilfe seines Computers auf einen einheitlichen Maßstab brachte und zu einem Grundriss des Lagers zusammenfügte. Wertvolle Hinweise fand er zudem in Veröffentlichungen von Michael Gechter, Gustav Müller, Heinrich Nissen und Harald von Petrikovits, die durch zusätzliche Grabungen weitere Einzelheiten des Neusser Legionslagers erfassten. Aber mit "trockener Literatur" alleine lässt sich kein lebendiges Bild malen: "Man muss sich auch schon etwas in die Haut eines römischen Legionsarchitekten versetzen, damit man den militärischen Nutzen eines solchen Lagers erkennen kann", berichtet der gebürtige Neusser. Nicht umsonst hat er während seiner Rekonstruktions-Arbeit an der Universität zwei Semester Architektur als Gasthörer belegt. Die Ausmaße des 270.000 Quadratmeter großen Lagers werden auf seinem Schaubild erstmals sichtbar. "Hier gab es Unterkünfte für rund 9.000 Menschen mit 2.500 Pferden und Maultieren", berichtet der Künstler und zeigt auf das drei Meter breite und vier Meter lange Schaubild, auf dem er in akribischer Kleinarbeit einen großen Teil der Gebäude rekonstruiert hat. Im Zentrum des von einer zwei Kilometer langen Mauer umgebenen Lagers ist die einst 7.600 Quadratmeter große Principia zu sehen, der militärische und religiöse Mittelpunkt des Castrums mit Forum, Querbasilika und Fahnenheiligtum. Gleich daneben: Der Legatenpalast, Wohnsitz und Repräsentationsbereich des Legatus Legionis, des Lagerchefs. Ringförmig um dieses Zentrum waren rund 4.500 römische Fußtruppen in 60 Kasernen untergebracht. Gut zu erkennen: Die Porta Praetoria, die das "repräsentativste" von vier Lagertoren war: "Nur römische Amtspersonen, Gesandte aus den linksrheinischen Provinzen und Handelsleute durften es betreten", berichtet Heinz Birkenheuer. Weiter hinten ist das wohl erste Krankenhaus im heutigen Kreis Neuss dargestellt: 4.500 Quadratmeter groß mit 70 Krankenstuben für 330 Menschen - das Pferdehospital lag gleich daneben. Weitaus enger ging es in den Kasernen zu: Jeweils acht Legionäre kampierten in einer gemeinsamen Stube von rund 20 Quadratmetern. Unter den funktionalen zum Teil nüchternen Legionsgebäuden fällt besonders die skurile Bauweise der 6.100 Quadratmeter großen Therme auf. Sie war drei Mal so groß wie das Neusser Münster und verfügte über einen Wasserturm, Boden- und Wandheizung, Toiletten und ein Freigelände zum Promenieren - einmal in der Woche musste hier jeder der 9.000 Lagerinsassen durch. Hygiene wurde im Castrum groß geschrieben. Da das Modell zu groß für eine Dauer-Ausstellung ist, soll auf Grund der von Heinz Birkenheuer gesammelten Daten eine dreidimensionale Computer-Animation hergestellt werden. So können Römer-Freunde schon bald virtuell durch das Lager ziehen und alle Gebäude erkunden. Ein Stück Heimatgeschichte wird damit noch lebendiger. Zu einer ausführlicheren Präsentation der Rekonstruktionen siehe: |
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