Ausgrabungen: mittelalterliche Fliesen und KrügeVerbrannten Münzschatz entdeckt Carina Wernig Wenn irgendwo in Neuss ein Bauantrag gestellt wird, packt die Bodendenkmalpflege das Jagdfieber. In Absprache mit dem Bauherrn suchen die Mitarbeiter um Stadt-Archäologin Sabine Sauer in den Erdschichten nach Zeugnissen menschlichen Lebens in früheren Jahrhunderten. Vor allem in der Innenstadt und in Gnadental werden sie Dank der Römer und nachfolgender Bewohner oft fündig. So erging es ihnen auch bei Ausgrabungen am Freithof.
Bei den Arbeiten auf einem Grundstück der Pfarre St. Quirin, das gleich hinter dem Quirinus-Münster am Freithof 9 b liegt, förderten sie von April bis September 2000 eine große Zahl an Krügen, Scherben, Fliesen zu Tage. In einem alten Brunnen entdeckten sie sogar einen ungewöhnlich großen, mittelalterlichen Münzschatz. Jedoch wurde die Freude dadurch ein wenig getrübt, dass die 250 Kupfermünzen verbrannt sind, so dass Herkunft und Alter noch nicht bestimmt werden konnten. Allerdings spreche viel dafür, dass die Münzen 1496 beim Großbrand nach einem Blitzeinschlag in den Westturm von St. Quirin wertlos wurden und im "Müll" landeten. Die Überbleibsel alter Kultur vom Freithof füllen allein 70 Kisten. Fein säuberlich beschriftet, sind die archäologischen Kostbarkeiten in Plastiktüten gepackt und gut verwahrt. Eine große Übersichtskarte des ausgebuddelten Geländes zeigt die einzelnen Schwerpunkte: "Stelle 13" und "Stelle 6" bezeichnen zwei Brunnen, während die "14" und "3" für eine große und kleine Mauer eines alten Gebäudes stehen, das sich ganz weit weg von "Stelle 9", der Fäkalienfassgrube, befindet. Im Maßstab 1 zu 20 sind auf einzelnen Karten dann die Erdschichten und die Positionen verzeichnet, in denen die Scherben gefunden wurden. Mit viel Spürsinn geht Sabine Sauer daran, die Fundstücke in den geschichtlichen Rahmen einzuordnen, um ein weiteres Puzzlestück für das Bild des (mittel-)alten Neuss zu ergattern. Die Funde vom Freithof sind an sich nicht ungewöhnlich, wohl aber ihre Anzahl, Dichte und Qualität. "Wir haben auf engem Raum sehr viele, gut erhaltene Keramiken gefunden", erläutert Stadt-Archäologin Sabine Sauer, "sogar Zier-Gegenstände wie eine Herd-Fliese mit Adler aus dem 15. Jahrhundert". Das spreche für den guten Standard, der im Quirinus-Stift geherrscht habe. Durch die beiden Brunnen, eine Abfallrinne zum Rhein hin und die Grube gab es eine große Anzahl dort hineingefülltes Material zu sichten. Während ein Stadtplan aus dem Jahr 1802 an der Stelle der Ausgrabungen ein brach liegendes Gelände zeigt, entdeckte Sabine Sauer auf der Karte von Kaspar Hermkes aus dem Jahr 1789 dort ein Haus, das nach ihren Berechnungen wohl höchstens 100 Jahre dort gestanden haben kann. In römischer Zeit war dort im Gegensatz zum Münsterplatz kein Gräberfeld, sondern eine Siedlung, das zeigen Grobkeramik und Münzen aus dem 2. Jahrhundert. "Im 12. und 13. Jahrhundert wurde das Gelände wohl als Bauhütte für St. Quirin genutzt", vermutet die Archäologin. Dort wurden Fundamente für kleine Hütten gefunden, außerdem viele Frühsteinzeugkrüge und Bierbecher der Handwerker. Im 15. Jahrhundert wurde nicht gebaut, das Gelände lag brach. Zu Beginn des 17. Jahrhunderts wurde aus den Brandruinen nach dem Stadtbrand von 1586 geborgenes Material zu einem Haus zusammengefügt, das jedoch keine 100 Jahre standhielt. Rätsel gibt noch ein Griff aus einer Kaurimuschel aus dem 15. Jahrhundert auf, da diese Muschelart eigentlich im Indischen Ozean beheimatet ist. Auf die genaue Datierung durch eine Bonner Expertin warten auch die meisten Exemplare des Münzschatzes noch, ebenso wie einige Kisten mit Knochen aus der römischen Zeit bis ins 18. Jahrhundert. Mit ihnen wird sich bald ein Zoologe befassen, um mit Hilfe der anderen Funde zu bestimmen, zu welcher Zeit die Neusser besonders Rind oder Geflügel gegessen haben - wohl bekam's. |
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