NGZ-Online, 6. September 2000

Haus nach Funden aus Tagebau Garzweiler rekonstruiert

Leben und Kultur der Eisenzeit begegnen

busch

Kreis Neuss. Ein ungewohnt naher Einblick in das Leben und Wohnen der Menschen zur Eisenzeit ist am Samstag beim "Tag der Archäologie" in der Außenstelle Titz des Rheinischen Amtes für Bodendenkmalpflege möglich. Ein Wissenschaftlerteam hat in detailierter Arbeit ein Wohnhaus nach Funden aus dem 5. Jahrhundert vor Christus nachgebaut.

Dr. Udo Geilenbrügge, Leiter der Außenstelle Titz, wies bei der Pressekonferenz auf die Einzigartigkeit dieser Rekonstruktion hin: "Nach Grabungsbefunden aus dem Braunkohletagebau Garzweiler haben wir eine rheinlandweit einzigartige Rekonstruktion eines Wohnhauses aus dieser Zeit geschaffen." Im Dezember wurde mit der Errichtung des acht Meter breiten und fünf Meter langen Wohnhauses begonnen. Zunächst wurde Eichenstämme im Hambacher Forst gefällt, zugeschnitten und zur Baustelle transportiert.

Dabei wurde weitgehend auf moderne technische Hilfsmittel verzichtet. Doch das Wohnhaus aus der Eisenzeit, das im Unterschied zu Gebäuden aus der Steinzeit die Ställe und Werkstätten nicht unter einem Dach vereint, ist nicht nur als Publikumsmagnet für den "Tag der Archäologie" errichtet wurden. Dr. Udo Geilenbrügge: "Wir haben die einzelnen Baubschnitte dokumentiert und unter Verzicht auf moderne Hilfsmittel ausgeführt. Wir haben auch unterschiedliche Materialien verwendet, um zu sehen, welche haltbar sind."

Die Wände des Hauses wurden mit Lehm verputzt, das Dach mit Stroh gedeckt und die tragenden Eichenhölzer wurden zur Ausrottung von Schädlingen angesengt. Über die Bewohner kann der Archäologe bislang nur Vermutungen anstellen: "Nach den bisherigen Funden, zum Beispiel von Keramik, vermuten wir, dass sie nicht besonders reich waren." Die archäologischen Fundstücke lassen aber den Rückschluss zu, dass in den Werkstätten gewebt wurde.

So wurde ein Webgewicht aus Ton gefunden. Ein Metallklumpen weist daraufhin, dass die Verarbeitung von Metall bekannt war. Auch die Herkunft der Bewohner ist nicht eindeutig zu klären. Dr..Geilenbrügge hält es aber für wahrscheinlich, dass es Kelten waren. Wer nicht nur Informationen zur Eisenzeit haben will, sondern sich auch für die Wissenschaft von den Altertümer und ihre Arbeitsmethoden interessiert, ist in Titz an der richtigen Adresse. Das Archäologenteam um Dr. Geilenbrügge wird am Samstag auch Einblicke in neueste Forschungsmethoden geben und eine erste Bilanz der laufenden Grabungssaison ziehen.

Auch der Arbeitsalltag eines Archäologen bleibt nicht länger ein Geheimnis. Shuttlebusse fahren zu zwei aktuellen Grabungen - aus der Eisen- und aus der Steinzeit - im Vorfeld des Braunkohlentagebaus. An den Funden aus dem eisenzeitlichen Haus orientieren sich auch die Angebote zum Tag der offenen Tür. So wird ein Bronzegießer sein handwerkliches Können an einer Reitermaske demonstrieren. Wer Lust hat, kann selbst Wolle färben, spinnen oder sich am Webstuhl versuchen. Doch auch bewährte Angebote sind beim nunmehr achten Tag der offenen Tür wieder zu finden: So gibt es speziell für die jungen Besucher römischen Spielen, eine Malaktion und einen Luftballonwettbewerb.

Auch die im vergangenen Jahr erstmals angebotene römische Küche hält wieder Gaumenfreuden wie Rote Beete mit Senf, römisches Fladenbrot oder Gewürzwein bereit diesmal auch in ausreichender Menge, wie die Veranstalter versprechen. Verantwortlich für den besucherstarken Tag rund um Grabungen und alte Kulturen zeichnet auch in diesem Jahr wieder die Stiftung Archäologie im rheinischen Braunkohlerevier. Die drei Stifter, das Land Nordrhein-Westfalen, die Firma Rheinbraun und der Landschaftsverband Rheinland, arbeiten seit zehn Jahren daran, archäologische bodendenkmalpflegerische Maßnahmen zu fördern, die im Zusammenhang mit dem Braunkohlenabbau im rheinischen Revier stehen.

Geschäftsführer Ferdinand Esser vom Landschaftsverband Rheinland nannte als Beispiel die Förderung von Forschungsvorhaben, den Einsatz moderner Auswertungsmethoden, Dokumentation oder Publikation. Besonders wichtig sei die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses: so wurden bisher 20 Magister- und 16 Doktorandenstipendien vergeben. Dr. Harald Koschik vom Landschaftsverband Rheinland erläuterte die finanzielle Situation der Stiftung. Das Stiftungskapital beträgt fast 31 Millionen Mark, bisher wurden 11,5 Millionen Mark für Förderung ausgegeben. Er betonte auch, wie niedrig der Kostenaufwand mit 4.500 Mark im Geschäftsjahr 1999 gewesen sei.

"Tag der Archäologie" ist am Samstag, 9.September, von 10 bis 18 Uhr unter dem Motto "Experimentelle Archäologie" an der Ehrenstraße 14 bis 16, im Ortsteil Höllen der Gemeinde Titz statt. Nach der Abfahrt Titz (Autobahn 44) ist der Weg über Rödingen (Landesstraße 12) ausgeschildert. Zu den aktuellen Ausgrabungen im Tagebauvorfeld fahren Shuttle-Busse.

[ Fenster schließen ]