Novaesium, alias Neuss

Alemannen (lat. Alamanni), westgermanischer Stammesverband, hervorgegangen aus elbgermanischen Bevölkerungsgruppen, die seit dem 1. Jh. in Mainfranken ansässig waren, und aus verschiedenen, später nach Südwest-Deutschland zugewanderten Heerhaufen und Gefolgschaften, deren Heimat vorwiegend in Mecklenburg, im Mittelelbe- und im Saalgebiet lag. Dieser Vorstellung von der Bildung des Stammesverbandes aus mehreren, ethnisch unterschiedlichen Personengruppen enpricht auch die moderne sprachwissenschaftliche Deutung des Namens "Alemannen" als "Menschen insgesamt, Menschen irgend-welcher Art" - ähnlich äußerte sich auch schon der byzantinische Schriftsteller Agathias im 6. Jh.

Fürstengrab von Gültlingen
© Württemberg. Landesmus.
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Obgleich einzelne dieser Gruppen wohl bereits in der ersten Hälfte des 3. Jhs. mehrfach auf römisches Territorium vorstießen, wurde das rechtsrheinische Gebiet, nach Aussage der archäologischen Funde, offenbar nicht gewaltsam besetzt. Hingegen kam es zur Aufgabe des Limes (259/60) wahrscheinlich durch "eine allmähliche Ausdünnung der römischen Besatzungen und kampflosen Aufgabe von Kastellen" (W. Pohl). Durch den sukkzessiven Rückzug der römischen Verteidigungsgrenze auf die Linie Rhein, Bodensee, Iller, Lech stand den Alemannen nun das Dekumatenland weitgehend ungehindert als Siedlungsraum zur Verfügung, während die Römer sie aus dem Elsaß zu verdrängen versuchten (Sieg Julians bei Argentorate/Straßburg 357). Erst nach den Ereignissen Mitte des 3. Jhs. fand schließlich die, offenkundig durch die Auseinandersetzung mit den Römern motivierte, Ethnogenese der Alemannen in ihrem neuen Siedlungsgebiet zwischen Oberrhein und Donau statt. Allerdings erfolgte diese 'Landnahme' nicht als geschlossene Einwanderung germanischer Verbände, wie lange Zeit vermutet wurde. Die archäologischen Funde weisen eher auf ein länger anhaltendes Eindringen aus dem Elbe-Saale-Gebiet hin. Auch während des 4./5. Jhs. ist noch ein weiterer Zuzug aus Mittel-Deutschland und Böhmen belegt. Gegen die alte These der gemeinsamen Landnahme spricht auch, daß die erste Erwähnung der Alemannen in römischen Quellen nicht, wie in der älteren Forschung und sogar vereinzelt noch heute angenommen wird, der Bericht bei Cassius Dio über einen Sieg Caracallas 213 ist. Inzwischen konnte nachgewiesen werden, daß diese Stelle "auf einer unhaltbaren Konjektur des spät überlieferten Textes durch den Herausgeber beruhte" (Pohl). Als früheste sichere Nennung des Stammesnamens der Alemannen gilt nunmehr eine Stelle in einem 289 in Trier verfaßten Panegyrikos (Lobrede) auf Kaiser Maximianus. "Damit verlor fast ein Jahrhundert alemannischer Geschichte die Stütze in den Quellen." (Pohl)

In der Frühphase (3./4. Jh.) setzten sich viele Alemannen in oder bei den Ruinen römischer Kastelle und Villen fest. Neue, z.T. umwehrte Dörfer im Dekumatland (z.b. Sontheim, bei Heidemheim an der Brenz) sind bisher nur wenig bekannt. Gleichzeitig enstanden in Nachahmung spätantiker befestigter Städte zahlreiche Höhenburgen (z. B. Glauberg, Runder Berg), die als politische und wirtschaftliche Zentren ihres Umlands ständig besiedelt waren. Sie gelten als Sitze von Kleinkönigen und Fürsten, die über die noch im 4. Jh. bezeugten Teilstämme der Alemannen (u.a. Bukinobanten, Brisigavi, Lentienser und Iuthungen) herrschten. Diese gehörten zu den gefürchtesten Feinden des römischen Reiches. Besonders zwischen 351 und 368 überfielen sie, mehrfach Rhein und Donau überschreitend, die Ostprovinzen Galliens und Raetien.

Germanenreiche nach 476
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Ab 378 herrschte weitgehend Ruhe an der römisch-allemannischen Grenze. Seit dem dienten Alemannen vermehrt als Söldner (foederati) in der römischen Armee. Im Zuge der Konsolidierung des Verbandes wurden in der 1. Hälfte des 5. Jhs. neue Siedlungen mit Reihengräberfriedhöfen angelegt, die vielfach bis ins 6./7. Jh. reichen. Das damals entstandene Siedlungsbild prägte die Landschaft bis ins hohe Mittelalter. Expansionsbestrebungen nach Nordwesten endeten mit den Niederlagen gegen Chlodwig I. (496, 506), wobei die Alemannen ihre nördlichen Gaue verloren und auch aus dem Maintal verdrängt wurden. Die Fürstenburgen fandn damals ihr Ende.

Erst jetzt dehnten sich die Alemannen bis ins Elsass und in die nördliche Schweiz aus. Die durch reiche Beigaben hervorragenden Fürstengräber der Zeit um 500 (z.B. Rüdern, Mahlberg) fanden keine direkte Fortsetzung. Erst um 600 wird eine neue, wohl vom fränkischen König privilegierte Adelsschicht durch reiche, einzeln liegende Gräber faßbar, die z.T. in Eigenkirchen lagen. Während dieser Zeit werden kulturelle Einflüsse aus Skandinavien, dem Langobardenreich und dem fränkischen Westen (u.a. christliche Mission seit dem Ende des 6. Jhs.) deutlich. Die vom fränkischen König im 6. Jh. eingesetzten Amtsherzöge erlangten im 7. Jh. eine gewisse Selbständigkeit, wurden aber endgültig 746 (Blutbad von Cannstatt) von den Karolingern beseitigt.

Quelle: W. Pohl, Die Germanen, Enzyklopädie Deutscher Geschichte 57 (München 2000)101-107; H. Brunner - K. Fessel - F. Hiller (Hrsg.), Lexikon Alte Kulturen 1 (1990) 80 f. s.v. Alemannen.

Literatur:

  • Christlein, R. u.a.: Die Alamannen. Archäologie eines lebendigen Volkes (Stuttgart u.a. 1978).
  • Die Alamannen, Begleitband zur Ausstellung "Die Alamannen" 1997 im SüdwestLB-Forum Stuttgart (Stuttgart 1997).
  • Dirlmeier, C. u.a. (Hrsg.): Quellen zur Geschichte der Alamannen, 7 Bde. (Sigmaringen 1976-87).
  • Geuenich, D. (Hrsg.): Die Franken und die Alemannen bis zur "Schlacht bei Zülpich" (496/97), Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Ergänzungsband 18 (Berlin 1998).
  • Ders.: Geschichte der Alemannen (Stuttgart 1997; Neuaufl für 2005 angekündigt).
  • Hartung, W.: Die Alamannen. Von der Völkerwanderung bis zum Karolingerreich (für 2005 angekündigt).
  • Historisches Museum der Pfalz (Hrsg.): Geraubt und im Rhein versunken. Der Barbarenschatz, Begleitbuch zur Ausstellung in Speyer 2006 (Stuttgart 2006).
  • Imperium Romanum. Römer, Christen, Alamannen - die Spätantike am Oberrhein, Begleitband zur Landesaussetllung in Karlsruhe 2005/06 (Stuttgart 2005).
  • Jentgens, G.: Die Alamannen : Methoden und Begriffe der ethnischen Deutung archäologischer Funde und Befunde, Freiburger Beiträge zur Archäologie und Geschichte des ersten Jahrtausends 4 (Rahden 2001).
  • Krapp, K.: Die Alamannen. Krieger, Siedler, frühe Christen (Stuttgart 2007).
  • Naumann, H. P. u.a. (Hrsg.); Alemannien und der Norden, Internationales Symposium vom 18. - 20. Oktober 2001 in Zürich, Reallexikon der germanischen Altertumskunde, Ergb. 43 (Berlin 2004).

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